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Intensivstationen im Wiener AKH: "Ruhe vor dem Sturm"

Wiener Intensivmediziner: "Ruhe vor dem Sturm" im Wiener AKH.
Wiener Intensivmediziner: "Ruhe vor dem Sturm" im Wiener AKH. ©APA/HELMUT FOHRINGER (Symbolbild)
Die Lage in den Wiener Intensivstationen ist trotz steigender Corona-Infektionszahlen derzeit relativ stabil. Doch Thomas Staudinger, Leiter der Intensivstationen am AKH, ist sich sicher: "Wir haben noch eine Ruhe vor dem Sturm."
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Aktuell müssen in Wien 89 Covid-Schwerkranke versorgt werden. Diese Zahl ist seit geraumer Zeit relativ konstant.

Drei Intensivstationen im Wiener AKH für Covid-Patienten

Im Wiener Allgemeinen Krankenhaus gibt es für Erwachsene zwölf Intensivstationen, drei davon sind mit Covid-Patienten belegt. "Es gibt vielleicht einen Tag, wo ein oder zwei Betten frei sind, die dann an diesem Tag aber ganz sicher belegt werden. Manchmal gibt es Tage, wo gar nichts frei ist, wo man umschichten muss", berichtete der Mediziner der APA von seinem Alltag im Krankenhaus.

24 Intensivbetten stehen im AKH für Covid-Schwerstkranke zur Verfügung. "24 Betten, die für die Routineversorgung, für die Normalversorgung fehlen", so Staudinger. Die Patienten würden von den Intensivstationen anderer Krankenhäuser für Spezialtherapien, beispielsweise Lungenersatztherapie, übernommen werden. Verschiebungen von Operationen im größeren Ausmaß hätte es im AKH noch nicht geben müssen. "Wir versuchen das zu kompensieren. Es ging sich in den vergangenen Wochen gerade irgendwie aus, auch mit Hilfe anderer Krankenhäuser."

Covid-Patienten auf Intensivstationen deutlich jünger

Was Staudinger auffällt: "Die Patienten sind deutlich jünger. Wir haben bei den Covid-Patienten ein mittleres Alter von circa 45 Jahren, es ist kaum jemand über 60. Unser jüngster Patient ist derzeit 32 Jahre alt." Was dem Mediziner noch auffällt: "Der Hauptrisikofaktor ist ausgeprägtes Übergewicht. 80 Prozent unserer Patienten sind übergewichtig." Ältere Patienten gebe es hingegen kaum: "Das ist es sicher so, dass die Impfung eine Riesenrolle spielt, im Verhindern eines schweren Verlaufs. Ich möchte nicht wissen, wie es ausschauen würde, wenn nicht gerade bei älteren Patienten fast 80 Prozent Durchimpfungsrate da wäre." In diesem Zusammenhang wies der Mediziner auch auf die Wichtigkeit der Drittimpfung hin: Man wisse aufgrund von Daten aus u.a. Großbritannien oder Israel, dass es ein entscheidender Faktor sei, den Impfschutz aufrecht zu erhalten.

Einer von Staudingers Intensivpatienten geimpft

Geimpft ist im Moment nur einer von Staudingers Covid-Intensivpatienten: "Das ist ein Mitte 50-Jähriger, der allerdings mit AstraZeneca geimpft ist, wo man weiß dass die Impfdurchbruchsrate eine höhere ist und der eine Vorerkrankung hat." Bei seinen ungeimpften Patienten hat Staudinger den Eindruck einer Erkenntnis: "Die meisten sehen natürlich schon, was das für ein Problem nach sich zieht, da geht es ja wirklich um das Überleben. Sie sehen auch die Schwere dieser Erkrankung, die sie ja oft vorher auch nicht gesehen haben. Da gibt es keinen mehr, der das verharmlosen würde."

Auch in Wien deutlicher Zuwachs auf Intensivstationen erwartet

Für die nähere Zukunft befürchtet Staudinger auch in Wien einen deutlichen Zuwachs an Covid-Patientinnen und -Patienten: "Wir erwarten das schon in den nächsten Wochen, weil wir wissen: Wenn die Infektionszahlen rauf gehen, dann werden auch die Intensivpatienten mehr werden. In Wien ist es etwas verzögert, weil Wien durch die strengeren Maßnahmen, die seit Monaten da sind, bei den Infektionszahlen von ganz Österreich noch am besten dasteht. Deswegen haben wir noch ein bisserl Ruhe vor dem Sturm, so würde ich es einschätzen."

"Dass das so explodieren wird, schockiert uns alle ein bisschen"

Wie es Staudinger persönlich geht nach mehr als eineinhalb Jahren Corona-Pandemie: "Es ist, wie es ist und wir werden auch das irgendwie hinter uns bringen. Aber ich habe schon gehofft, dass wir diese Ausprägung nicht mehr sehen werden. Es war schon zu erwarten, dass die Zahlen ordentlich ansteigen werden - aber dass das dann auf einen gewissen Plateau bleiben wird, das halbwegs bewältigbar ist. Dass das so explodieren wird, schockiert uns alle ein bisschen. Ich glaube auch, dass es in diesem Ausmaß nicht notwendig gewesen wäre. Wenn man die Wiener Zahlen anschaut, sieht man doch, dass eine gewissen Vorbeugung doch einen Effekt hat im Gegensatz zu anderen Bundesländern." Was er gelernt hat: "Eine Voraussage, ein in die Zukunft schauen ist in der ganzen Geschichte wertlos. Weil sich viele Prognosen nicht bewahrheitet haben."

Kritik übte Staudinger an so manch politischer Debatte im Land, die mittlerweile auch an der Substanz des Krankenhaus-Personals zehre. "Diese Verharmlosung, oder das so Tun als ob wir das Falsche tun würden, und es eigentlich eh ganz einfach wäre, solche Verläufe zu verhindern. Das macht uns schon wütend und traurig."

Kraft gibt Staudinger unterdessen: "Das, was wir tun, tun wir eigentlich im überwiegenden Maß erfolgreich. Die Mehrzahl der Patienten überlebt und wird auch wieder ins Leben zurückkommen. Das ist das, an dem man sich festhalten kann. Aber irgendwann, glaube ich, sollte es dann doch vorbei sein."

(APA/Red)

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