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In der "Plüschstadt" Wien: Radek Knapps neuer Roman "Gipfeldieb"

Rade Knapps Roman "Der Gipfeldieb" spielt in Wien
Rade Knapps Roman "Der Gipfeldieb" spielt in Wien ©PIPER / AK/Thomas Lehmann
Es gibt Romane, die fliegen einem zu, lesen sich luftig und leicht, drohen aber vom ersten Windstoß der Realität aus dem Gedächtnis gefegt zu werden: "Der Gipfeldieb" von Radek Knapp ist unser Buch-Tipp der Woche.

Knapp, 1964 in Warschau geboren und seit 1976 in Wien lebend, ist seit seinem Erstling, dem Erzählband “Franio” (1994), fixer Bestandteil der österreichischen Literaturlandschaft.

Vielseitiger Autor Radek Knapp

“Herrn Kukas Empfehlungen” (1999) und “Papiertiger” (2003) festigten seinen Ruf als flotter, schelmischer Erzähler, dessen Helden ohne recht zu wissen, wie ihnen geschieht, die Widrigkeiten des Lebens meistern. Mit “Reise nach Kalino” (2012) legte er eine Mischung aus Detektivroman und Science-Fiction vor, die bei Jules Verne begann und bei Terry Gilliam endete.

Mit “Der Gipfeldieb” ist Radek Knapp wieder zu seinen Anfängen zurückkehrt. Sein Held, der liebenswerte Ich-Erzähler Ludwik Wiewurka, ist gebürtiger Pole, der bei seinen geliebten Großeltern aufwuchs, ehe ihn seine nach Wien ausgewanderte Mutter “für einen Besuch” nach Österreich holte und bei sich behielt.

Skurriles Wienertum in “Gipfeldieb”

Eine tiefe Wunde in der Seele des nicht mehr ganz so jungen Mannes, der in der “Plüschstadt” Wien nie wirklich Wurzeln schlägt, als Heizungsableser aber einen interessanten Job hat, der ihn fit hält und mit den absonderlichsten Ausformungen des Wienertums in Berührung bringt.

Die Gespräche mit seiner Mutter führt Ludwik in der dritten Person (“Wie geht es Mama?”) und meist gleichzeitig eine Menge frisch zubereiteter Palatschinken verspeisend. Als seine Mutter ihm eines Tages glückstrahlend das Resultat eines vor vielen Jahren ohne sein Wissen begonnenen Behördenvorgangs überreicht, die Einladung zur Verleihungszeremonie der österreichischen Staatsbürgerschaft, begeistert sie ihn damit nicht so sehr wie erhofft und setzt obendrein eine unerwünschte Kettenreaktion in Gang: Kaum Österreicher, wird Ludwik vor die Stellungskommission des Bundesheeres gerufen.

Als Zivildiener im Altersheim

Nur dank einer milde gesonnenen Militärärztin bleibt ihm der Militärdienst erspart. Er wird als Zivildiener dem Altersheim “Weiße Tulpe” zugeteilt, fühlt sich dort außerordentlich wohl und gerät in ein Dilemma: Soll er dem Werben seines neuen Chefs nachgeben, des lebensweisen Alkoholikers Dr. Ring, der ihm eine Fixanstellung anbietet und eine spätere Nachfolge als Direktor in Aussicht stellt, oder zu jener Rückkehr-Vereinbarung stehen, die er dem Chef der Heizungsfirma Wasserbrand & Söhne abgenommen hatte?

Ein Wien-Bild unter Zuckerwatte

Wie man sieht, sind es nicht die großen Fragen des Lebens, die den “Gipfeldieb” prägen, oder, besser gesagt, kommen die großen Fragen in hübsch anzusehenden, harmlos wirkenden Verpackungen daher. “Der Gipfeldieb” (der Titel bezieht sich auf einen Wiener, der bei seinen Bergtouren in aller Welt die Gipfel abzuschlagen und sie danach bei sich zu Hause in Vitrinen auszustellen pflegt) bietet vergnügliche Lektüre, aber ein Wien-Bild unter Zuckerwatte.

“Die Wiener sind erstklassige Schauspieler”

Ludwik Wiewurka und die Menschen, die ihm begegnen, sind so gutmütig und harmlos, wie man sie sich für ganz Wien, ja für die ganze Welt wünschen würde. Immerhin hat Ludwik richtig erkannt: “Die Wiener sind erstklassige Schauspieler, und man weiß nie so recht, was in ihnen vorgeht.” Und eines Tages weiß er dann vielleicht auch, dass er bei seinem ersten Job in Wien am Würstelstand “Käsekrainer” verkauft hat und nicht “Käsekreiner”.

Radek Knapp: “Der Gipfeldieb”, Piper Verlag, 206 S., 20,60 Euro

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(apa/red)

 

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