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Impfchaos: SPÖ und FPÖ beschuldigen Kurz

Sebastian Kurz wird von den Oppositionsparteien kritisiert.
Sebastian Kurz wird von den Oppositionsparteien kritisiert. ©APA/ROLAND SCHLAGER
Die Oppositionsparteien SPÖ und FPÖ sehen in Sebastian Kurz den Verursacher des "Impfchaos" in Österreich. Attacken gegen das Gesundheitsministerium und die EU werden als Ablenkungsmanöver gewertet.
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Die ÖVP-Attacken auf das vom grünen Koalitionspartner geleitete Gesundheitsministerium im Zusammenhang mit den Corona-Impfungen haben auch am Sonntag für Kritik der Opposition gesorgt. SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher warf Kanzler Sebastian Kurz vor, für sein eigenes Impfchaos andere verantwortlich zu machen. Auch FPÖ-Klubchef Herbert Kickl sah das so: "Natürlich war der Kanzler informiert, anders ist es nicht vorstellbar."

Kurz suche nach Schuldigen

"Statt sich hinzustellen und sich bei all den Menschen in Österreich, die noch immer auf eine Impfung warten müssen, zu entschuldigen, versucht Sebastian Kurz in den letzten Tagen alles und jeden - von der EU, über Beamte des Gesundheitsministeriums bis hin zum im Krankenhaus liegenden Gesundheitsminister - für sein eigenes Impfchaos verantwortlich zu machen", ärgerte sich Kucher in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der APA. Dabei zeige sich einmal mehr: "Wenn Sebastian Kurz mit dem Finger auf andere zeigt, hat er in aller Regel selbst was verbockt."

Seit dem Sommer 2020 sei die Impfstoffbeschaffung nämlich mindestens neun Mal Thema im Ministerrat gewesen, verwies Kucher auf die entsprechenden Protokolle. "Entweder hat der Bundeskanzler bei seinen Ministerratssitzungen geschlafen, oder er hat uns in den letzten Tagen bewusst die Unwahrheit erzählt." Es sei Kurz' eigener ÖVP-Finanzminister Gernot Blümel gewesen, der ausgerechnet bei den Impfungen habe sparen wollen. So jedenfalls interpretiert Kucher die am 15. September 2020 festgelegte Kostenobergrenze von 200 Mio. Euro für die Impfungen.

Österreich setzte auf AstraZeneca

Erst im Jänner habe Österreich gemerkt, bei den Impfstoffen auf das falsche, langsamere und billigere Pferd gesetzt zu haben, so die Lesart der SPÖ. Im Februar wurde der Kostenrahmen für das Risiko-Portfolio von 30,5 Mio. Dosen dann mit 388,3 Mio. Euro festgelegt. Schon damals sei darauf hingewiesen worden, dass entsprechend der Vorverträge alle nicht verbrauchten Dosen weiterverkauft oder gespendet werden können.

Fazit Kuchers: "Das Versagen rund um das Impfchaos in Österreich hat damit eine Adresse mit drei Buchstaben: ÖVP! Die Anpatzversuche des Bundeskanzlers werden immer mehr zum türkisen Eigentor."

Finanzministerium wies Vorwurf zurück

Das Finanzministerium wies auf APA-Anfrage den Vorwurf zurück, Druck zum Sparen gemacht zu haben. Es sei im Ministerrat immer klar vereinbart gewesen, dass so viel Impfstoff wie möglich beschafft werde, jedenfalls der Mindestanteil von zwei Prozent der EU-Menge laut Bevölkerungsschlüssel. "Daher war auch immer klar, dass die Beschaffung von Impfstoffen nicht an budgetären Mitteln scheitert", hieß es in einem schriftlichen Statement.

Das Gesundheitsministerium habe jedoch von den im Jahr 2020 bereitgestellten 200 Mio. Euro für die Beschaffung von Impfstoffen nur 30 Mio. Euro abgerufen. Für 2020 und 2021 stehen laut Finanzressort zusammen 278 Mio. Euro zur Verfügung, davon habe das Gesundheitsressort erst knapp 53 Mio. Euro abgeholt.

FPÖ: Kurz soll Verträge offenlegen

In das gleiche Horn stieß auch Kickl in einer Aussendung. "Ausgerechnet Message-Control-Kanzler Kurz, der zudem von Anfang an in Sachen Corona an eine Art 'Richtlinienkompetenz' für sich reklamiert hat, will nicht über die Beschaffungsvorgänge bei den Impfstoffen informiert gewesen sein? Unglaubwürdiger geht es nicht mehr", meinte er und ortete einen Ablenkungsversuch. Kurz solle endlich die Verträge offenlegen, wie die FPÖ es bereits Ende Jänner gefordert habe.

Sämtliche Beschaffungsvorgänge in Zusammenhang mit Covid-19 würden klarerweise bis ins letzte Detail zwischen den einzelnen Ministerien, den Kabinetten und Spitzenbeamten, akkordiert. Kickl verwies auch auf einen "Standard"-Bericht, wonach Beschaffungen dieser Größenordnung vom Finanzministerium genehmigt werden. Außerdem habe das Bundeskanzleramt mit den beiden ÖVP-nahen Spitzenbeamten Martin Auer und Ulrich Herzog zwei türkis-schwarze Aufpasser für Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) und seine Beschaffungspolitik installiert.

Grünen bleiben zurückhaltend

Die Grünen blieben angesichts der Attacken ihres Koalitionspartners weiterhin höchst zurückhaltend. Lediglich Gesundheitssprecher Ralph Schallmeiner meldete sich Sonntagabend zu Wort. In der ORF-Sendung "Im Zentrum" verteidigte er die involvierten Mitarbeiter des Gesundheitsressorts. "Sie sind Beamte, sie dürfen nicht mehr ausgeben als ihnen zur Verfügung gestellt wurde", verwies er auf den vom Finanzministerium vorgegebenen Deckel. "Sich heute hinzustellen und den Rücktritt von den beiden zu fordern, ist aus meiner Sicht deutlich überzogen", nahm er Clemens Martin Auer und Ines Stilling in Schutz.

(APA/red)

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