AA

Hilfsorganisationen warnen: Kinderarbeit verschlimmert sich durch Coronakrise

Kinderarbeit hat viele Gesichter - hier werden etwa Andenken verkauft
Kinderarbeit hat viele Gesichter - hier werden etwa Andenken verkauft ©Pixabay (Sujet)
Am 12. Juni ist Welttag gegen Kinderarbeit. Zu diesem Anlass warnen mehrere Hilfsorganisationen davor, dass sich die Situation für Kinderarbeiter durch die Corona-Pandemie verschlechtert hat.
Corona: 86 Mio. Kinder zusätzlich in Armut
Coronakrise belastet Familien stark

Wie die Kindernothilfe berichtete, arbeiten derzeit laut Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) 152 Millionen Kinder weltweit, rund 72 Millionen sogar unter besonders schweren Bedingungen.

Coronakrise zerstörte Lebensgrundlage von Familien

Laut der Kindernothilfe droht die Corona-Pandemie, Millionen von Kinder und ihre Familien in ausbeuterische Verhältnisse zu treiben. Viele von Armut betroffene Kinder würden von jeher arbeiten, um ihre Familien im täglichen Überlebenskampf zu unterstützen oder um das eigene Schulgeld zu bezahlen. Mit der Krise seien die wenigen Lebensgrundlagen zerstört worden. Mit den weltweiten Schulschließungen fehle zudem einem Großteil der armen Kinder der Zugang zu jeglicher Form von Bildung, heißt es am Mittwoch in einer Aussendung.

Auch die internationale Kinderhilfsorganisation World Vision stellte in einer Befragung von Familien in sechs asiatischen Ländern einen deutlichen Anstieg der Kinderarbeit fest. Von den Familien hätten 830 angegeben, dass sie durch die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie gezwungen seien, ihre Kinder zur Arbeit zu schicken. Das entspreche acht Prozent der befragten Familien.

Bisherige Erfolge im Kampf gegen Kinderarbeit zunichte gemacht

Peter Schissler, Vorsitzender von "weltumspannend arbeiten", betonte in einer Aussendung, dass die Folgen der Corona-Pandemie "die bisherigen Erfolge im Kampf gegen ausbeuterische Kinderarbeit zunichtemachen" könnten. Besonders akut sei das Problem in Afrika, wo fast die Hälfte der Kinderarbeiter (72,1 Millionen) zu finden seien. Er appellierte auch an die österreichische Bundesregierung, dass das Ziel, die Gelder für die Entwicklungszusammenarbeit (EZA) auf ein internationales Niveau zu heben, beibehalten wird. "0,7 Prozent des BIP sind das Mindeste!", forderte Schissler.

Kakaosektor stark von Kinderarbeit betroffen

Stark betroffen von Kinderarbeit ist der Kakaosektor: Ein Bericht der Universität von Chicago, der am 29. Juni 2020 veröffentlicht werden soll, kommt zu dem Schluss, dass der Einsatz von Kinderarbeit auf den Kakaoplantagen in Ghana und Cote d'Ivoire (Elfenbeinküste) in den vergangenen zehn Jahren sogar zugenommen hat. Das teilte die Produktionsgewerkschaft (PRO-GE) in einer Aussendung mit. "Trotz ihres Versprechens im Harkin-Engel-Protokoll von 2001, die ausbeuterische Kinderarbeit bis 2020 um 70 Prozent zu reduzieren, geht die aktuelle Entwicklung in die andere Richtung", kritisierte Branchensekretär Gerhard Riess.

"2,26 Millionen Kinder in der Elfenbeinküste und in Ghana sind in der Kakaoproduktion tätig, Tendenz leider steigend. Der größte Teil von ihnen muss gefährliche Arbeiten verrichten: Sie schlagen Kakaoschoten mit Macheten auf, schleppen schwere Säcke oder verspritzen Pestizide, oft in langen Schichten", erklärte Gudrun Glocker von der Organisation Südwind.

Globale Lieferketten verschleiern Leid und Ausbeutung

Laut Herbert Wasserbauer von der Dreikönigsaktion, dem Hilfswerk der Katholischen Jungschar, verschleiern globale Lieferketten das Leid und die Ausbeutung, die dahinterstehen. Das müsse sich ändern. Ein entscheidender Schritt sei eine gesetzlich verbindliche Verankerung von umfassenden menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten. Ein solches Gesetz würde sicherstellen, "dass Produkte, die in Österreich erhältlich sind, frei von ausbeuterischer Kinderarbeit sind", heißt es in einer Aussendung.

Und auch Brot für die Welt und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) warnen davor, dass Kinder nach der Coronakrise nicht mehr in die Schule zurückkehren. Die beiden Organisationen fordern in einer Aussendung, die Bereiche Ernährung, Gesundheit und Bildung im Rahmen des von den G20-Staaten aufgelegten Hilfsfonds zu priorisieren.

Bann für Textilien aus Kinderarbeit gefordert

Petra Bayr, SPÖ-Bereichssprecherin für globale Entwicklung, forderte anlässlich des Internationalen Tages gegen Kinderarbeit, Textilien aus Kinderarbeit vom österreichischen Markt zu verbannen. Gemeinsam mit Alois Stöger habe sie den Vorschlag für ein Sozialverantwortungsgesetz im Nationalrat eingebracht.

Auch Papst Franziskus warnt

Zum Welttag gegen Kinderarbeit am Freitag, den 12. Juni, hat Papst Franziskus davor gewarnt, dass in der Corona-Pandemie Kinder und Jugendliche vielerorts gezwungen seien, "eine ihrem Alter unangemessene Arbeit anzunehmen, um ihren Familien in extremer Armut zu helfen", berichtete Kathpress. Auch das SOS-Kinderdorf betonte, dass die Arbeit gegen Kinderarbeit um Jahre zurückgeworfen werden könnte.

Bei seiner wöchentlichen Videoansprache am Mittwoch im Vatikan rief der Papst dazu auf, "diejenigen zu schützen, die in Sklaverei und Gefangenschaft gezwungen wurden". Oft handle es sich dabei um "Formen von Sklaverei und Haft, die körperliches und seelisches Leid verursachen", so Franziskus. "Wir alle tragen Mitschuld daran", so der Papst. Daher seien alle mit dafür verantwortlich, "Wachstum, Gesundheit und Unbeschwertheit" von Kindern zu fördern.

SOS-Kinderdorf: Bildungsunterbrechung als erster Schritt

Auch das SOS-Kinderdorf wies in einer Aussendung am Mittwoch darauf hin, dass als Folge der Corona-Pandemie Millionen Kinder gezwungen werden könnten zu arbeiten. "Ein erster kritischer Schritt wurde in zahlreichen Familien bereits vollzogen, indem Buben und Mädchen ihre Bildung unterbrechen mussten. Oft ist das der Einstieg in die Kinderarbeit", sagt SOS-Kinderdorf-Geschäftsführer Christian Moser. Nach wie vor würden aufgrund des Lockdowns fast 70 Prozent aller Schüler weltweit nicht in die Schule gehen können. Gerieten ihre Eltern zusätzlich in Not, sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Kinder zum Broterwerb beitragen müssten und ihre Bildung nie wieder aufnehmen würden.

Nach Angaben von Moser entferne man sich derzeit rasant von den Entwicklungszielen der Vereinten Nationen, wonach Kinderarbeit bis 2025 beendet werden sollte. Ganz schlimm werde es Kinder treffen, die bereits vor der Krise arbeiten mussten: "Für viele werden sich die Bedingungen weiter verschlechtern und die Arbeitszeiten erhöhen", sagt Moser. Daher fordert das SOS-Kinderdorf soziale Absicherung, Bildungsprogramme und Unterstützung für Familien. "Wir müssen jetzt beherzt handeln, damit die Kinder nicht die Leidtragenden sind", so Moser.

(apa/Red)

  • VIENNA.AT
  • Coronavirus Wien
  • Hilfsorganisationen warnen: Kinderarbeit verschlimmert sich durch Coronakrise
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen