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Getty Kaspers: "Der Song Contest wird immer mehr zum Show Contest"

Getty Kaspers hat 1975 den Eurovision Song Contest gewonnen.
Getty Kaspers hat 1975 den Eurovision Song Contest gewonnen. ©VIENNA.at
Die gebürtige Österreicherin Getty Kaspers hat 1975 den Eurovision Song Contest gewonnen - für die Niederlande. Zur 60. Ausgabe des Bewerbs ist die "Godmother of Song Contest", wie sie von ihren Fans genannt wird, nach Wien gekommen. Wir haben sie zum Interview getroffen.
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Wer nimmt heuer teil?

Vergleicht man den Song Contest 1975 mit dem Song Contest 2015, so könnten die beiden Veranstaltungen kaum unterschiedlicher sein. “Zeit und Menschen haben sich verändert”, meint Getty Kaspers im Gastgarten eines Wiener Kaffeehauses, als wir sie am Dienstag beim Interview fragten, wie sich der Song Contest in den letzten 40 Jahren verändert habe. Damals gab es noch kein Televoting, die Künstler waren nur eine Woche vor Ort und nicht wie heuer zwei, die Musik kam nicht vom Band, sondern von einem großen Orchester, außerdem gab es keine Vorrunden. Und auch die Bedeutung des Bewerbs habe sich gewandelt, er sei “größer” geworden.

Nicht alle Veränderungen sieht sie positiv: “Der Song Contest wird immer mehr zum Show Contest. Das ist schade”, findet die 67-Jährige.

Eine gebürtige Österreicherin gewann den ESC

Wie kommt es eigentlich, dass eine gebürtige Österreicherin beim Song Contest für die Niederlande angetreten ist? Die Geschichte, die dahinter steckt, ist eine schwierige Familiengeschichte: Die Sängerin ist in Graz geboren und in einer Pflegefamilie aufgewachsen. Als sie 16 Jahre alt war, ist ihre leibliche Mutter plötzlich wieder aufgetaucht und das Jugendamt entschied: “Das Kind gehört zur Mutter.” Es dauerte nicht einmal eine Woche bis sie mit einem niederländischen Pass ausgestattet war und in ein Land ziehen musste, dessen Sprache sie gar nicht beherrschte. Aus einer Lehrerfamilie, in der sie das einzige Kind war, kam sie in eine Arbeiterfamilie mit fünf Kindern. “Das war eine schwierige Zeit”, sagt sie heute darüber, ist sich aber auch ganz sicher: “Wäre ich in Österreich geblieben, hätte ich vermutlich nie den Song Contest gewonnen.” Man höre über viele Künstler, dass sie eine schwere Jugend hatten und das Lesen der Biografien von Stars wie Bette Midler oder Beibara Streisand habe sie in dieser Zeit gestärkt.

Getty Kaspers möchte “mit Würde altern”

Von ihren Fans in den Niederlanden wird Getty Kaspers als “Godmother of Song Contest” oder “Song Contest-Omi” bezeichnet. Ihr gefallen diese Spitznamen sehr und ihr Alter ist für sie kein Tabu-Thema. “Viele Song Contest-Gewinner leben bereits nicht mehr. Ich bin froh, dass ich das alles noch erleben und mitmachen darf. Generell finde ich, dass man mit Würde altern und sich nicht hinter den Falten verstecken sollte.” Dass Udo Jürgens die 60. Ausgabe des ESC nicht mehr erleben durfte, findet sie traurig. In der Woche, die sie nun mit ihrem Lebensgefährten in Wien verbringt, möchte sie das Grab von Udo Jürgens, den sie bei den unterschiedlichsten Gelegenheiten persönlich kennenlernen durfte, auch noch besuchen.

Bewunderung für Conchita Wurst

Österreichs Song Contest-Sieg im Vorjahr war für Getty Kaspers nicht nur eine positive Überraschung: “Holland hat seit 40 Jahren nicht mehr gewonnen, wir brauchen jetzt einfach mal wieder einen Sieg. Und letztes Jahr waren wir so nah dran. Es kann doch nicht sein, dass die Holländer einmal so stark sind und dann kommt jemand, der noch stärker ist”, erzählt sie lachend. Für die ESC-Gewinnerin Conchita Wurst findet sie jedoch nur anerkennende Worte: “Das muss man sich einmal trauen, mit einem Bart so zu singen wie eine Frau. Ein Ausnahmekünstler.” In den kommenden Tagen werden die beiden Gewinnerien sich kennenlernen, darauf ist sie schon sehr gespannt.

Wer sind ihre Song Contest-Favoriten?

Auf einen Sieg der Niederländer setzt Getty Kaspers heuer nicht. Sie schätzt die Teilnehmerin Trijntje Oosterhuis zwar sehr, das Lied “Walk Along” gefällt ihr jedoch nicht. Ihr gefällt der australische Beitrag sehr gut: “Der Australier ist ein Wahnsinn mit seiner Soulstimme.” Im Vorfeld hatte sie viel Gutes über die Norweger gehört. Nach einem kurzen Blickkontakt mit ihrem Lebensgefährten meint sie jedoch: “Ich habe gehört, das ist nicht das, was wir gedacht haben.”

Allen Teilnehmern steht jedoch eines bevor: Sie gehören ab sofort zur ESC-Familie – und diese Mitgliedschaft kann man, wie im echten Leben auch, nicht kündigen. Wer einmal am Song Contest teilgenommen hat, bleibt diesem auf ewig verbunden – auch nach 40 Jahren. (SVA)

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