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Gericht verlängert U-Haft für kindlich wirkende Diebin in Wien

Das Gericht schätzte das Alter des Mädchens auf 14 Jahre und verlängerte die U-Haft.
Das Gericht schätzte das Alter des Mädchens auf 14 Jahre und verlängerte die U-Haft. ©APA
Zu einer Bande von Kindern, die in Wien für zahlreiche Taschendiebstähle verantwortlich sein sollen, soll jenes Mädchen gehören, das sich am Freitag vor Gericht verantworten musste. Wie alt das Mädchen genau ist, ist unklar. Da das Gericht sie für mindestens 14 Jahre alt hält, wurde die U-Haft verlängert.
12-Jähriger im Gefängnis
Mädchen laut Gutachten 18 Jahre alt

Nachdem sie das Gebiss der kindlich wirkenden Angeklagten untersucht und zur Kläre der Altersfrage auch Studien verschiedener Autoren herangezogen hatte, stellte Gredler die zahnmedizinische Sachverständige Martina in der Verhandlung am Freitag fest, dass das Mädchen “mindestens 17,8 Jahre alt sein muss”. Aus formalen Gründen konnte trotz für das Gericht damit erwiesener Strafmündigkeit nicht weiterverhandelt werden. Verteidiger Arno Pajek, der seine Mandantin im Rahmen seiner Verfahrenshilfe erst gestern, Donnerstag, zum ersten Mal gesehen hatte, bestand auf die gesetzliche Vorbereitungszeit. Es wurde daher auf den 26. Februar vertagt. Bis dahin bleibt das Mädchen wegen Tatbegehungs- und Fluchtgefahr in U-Haft.

14-Jährige wegen Diebstahls vor Gericht

Das klein gewachsene, kindlich wirkende Mädchen hatte zu Verhandlungsbeginn weinend auf der Anklagebank Platz genommen: “Entschuldigen Sie, was ist das?” “Die Verhandlung”, belehrte sie Richterin Martina Frank. Anschließend wurde der aus Bosnien stammenden mutmaßlichen Diebin, die kein Deutsch spricht, der Strafantrag übersetzt, ehe man sich ihrem Alter widmete.

“Wie alt sind Sie?”, fragte die Richterin. “14”, erwiderte das Mädchen, wobei sie die Frage nach dem genauen Geburtsdatum jedoch mit “27. Dezember 2001” beantwortete. Damit wäre sie derzeit erst zwölf (rpt., Anm.). Auf diesen Widerspruch hingewiesen, erklärte die Angeklagte, sie habe ihren 14. Geburtstag “schon gefeiert”. Damit hätte sie aber jedenfalls einen Teil der ihr angelasteten Diebstähle als zwar noch Minderjährige, doch bereits Strafmündige begangen.

Mädchen laut Gutachten älter

Für die Gutachterin war die Angeklagte ungeachtet ihres kindlichen Äußeren deutlich älter. Ausschlaggebend dafür: Ein Weisheitszahn, der bei dem Mädchen durchgebrochen sei und bereits die Kauebene erreicht habe. Indem sie auf eine Studie aus dem Jahr 2007 verwies, die sich auf 151 Publikationen beziehe, grenzte die Sachverständige das Alter auf “mindestens 17,8 Jahre, wahrscheinlich mehr” ein. Gredler sprach im Hinblick auf die genannte Zahl von einem “absoluten Mindestalter”. Sie könne “mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschließen, dass das Mädchen das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat”.

“Meine Mutter ist betteln gegangen”

Für das Gericht war damit Strafbarkeit gegeben, sollte das Mädchen – es gilt die Unschuldsvermutung – die inkriminierten Diebstähle begangen haben. Der Antrag des Verteidigers auf zusätzliche Einholung eines röntgenologischen Gutachtens wurde abgewiesen, zumal die Angeklagte schon bei der Polizei und auch bei einer psychologischen Untersuchung bei der Jugendgerichtshilfe ihr Alter mit 16 angegeben hatte.

Das Mädchen stammt aus einer Roma-Familie und hat sechs Schulklassen besucht. Die Frage nach ihrem Wohnort in Bosnien beantwortete sie mit “Da sind Baracken”, jene nach dem Beruf ihrer Eltern mit “Meine Mutter ist betteln gegangen, weil wir Sozialhilfe nur schleppend gekriegt haben”.

U-Haft wurde verlängert

Die Verlängerung der U-Haft begründete die Richterin mit dem nicht vorhandenen Wohnsitz im Inland. Auch “soziale Integration” sei nicht gegeben. Es gebe im Fall einer Enthaftung in Wien “keinen Aufenthaltsort, wo man annehmen würde, dass sie dortbleiben würde”, sagte die Richterin. Unverhältnismäßigkeit der Haft liege aufgrund der Fakten-Vielzahl nicht vor, zumal für gewerbsmäßigen Diebstahl in einer kriminellen Vereinigung auch jugendlichen Tätern bis zu zweieinhalb Jahre Gefängnis drohen.

Das Mädchen war gemeinsam mit einem Buben festgenommen worden, der am vergangenen Freitag freigesprochen wurde, weil in seinem Fall der Richter – wie berichtet – im Zweifel von Strafunmündigkeit ausging. Die Sachverständige Gredler hatte bei ihm sinngemäß erklärt, sie könne nicht feststellen, ob dieser knapp über oder knapp unter 14 sei. Unmittelbar nach seiner Enthaftung tauchte der Bursch unter und ist seither von der Bildfläche verschwunden.

Ermittlungen gegen Kinderbande in Wien

Er und das Mädchen sollen einer mindestens 72 Personen umfassenden “Kinderbande” angehören, gegen welche die Staatsanwaltschaft Wien seit eineinhalb Jahren ermittelt. Einige Verfahren gegen Verdächtige wurden bereits eingestellt, weil die Anklagebehörde den Betreffenden Unmündigkeit zuerkannte. Andere wurden schon erstinstanzlich erledigt. Außer dem Mädchen, gegen das Ende Februar weiterverhandelt wird, soll sich kein Verdächtiger in U-Haft befinden, hieß es dazu am Freitag. (APA)

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