Generalstabschef Brieger: Österreichs Bundesheer braucht sechs bis zehn Mrd. Euro
Die Pläne für eine Aufrüstung des österreichischen Bundesheers im Lichte des Ukraine-Krieges werden immer konkreter. Generalstabschef Robert Brieger nannte am Freitag im APA-Interview viele Waffengattungen, die einer dringenden Modernisierung bzw. Neubeschaffungen bedürften. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) sprach sich gleichzeitig dafür aus, das Heeresbudget noch heuer auf ein Prozent des BIP und damit von derzeit 2,7 auf über vier Mrd. Euro anzuheben.
Brieger nennt Bereiche mit Modernisierungsbedarf
General Brieger hofft auf eine Anschubfinanzierung, eine Anhebung des Heeresbudgets auf ein Prozent des BIP und "über die Zeitleiste sogar darüber". Derzeit liegt das Budget bei 2,7 Mrd. Euro. Ein Prozent wären 4,3 bis 4,5 Mrd. Euro - je nach wirtschaftlicher Entwicklung. "Um alle Herausforderungen erfüllen zu können, brauchen wir beginnend ab heuer 1 Prozent des BIP und dieser Wert muss weiter steigen, um den Investitionsrückstau zu beseitigen", bekräftigte auch Tanner. In der Gratiszeitung "Heute" sprach sie von "10 Milliarden Euro", die sie "schön" fände.
Brieger erklärte die Sache etwas genauer: Wenn es gelinge, die von Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) angekündigten Budgetgrößen von einem Prozent des BIP und mehr zu erreichen, würde man innerhalb der nächsten zehn Jahre den Investitionsstau mit sechs bis zehn Mrd. Euro deutlich reduzieren können und im Vergleich zum Istzustand wesentliche Verbesserungen der Einsetzbarkeit des Bundesheeres für Kampfeinsätze erreichen.
Einführung komplexer Waffensysteme nimmt Zeit in Anspruch
"Wir wissen ziemlich genau, was wir brauchen. Aber die Einführung komplexer Waffensysteme nimmt Zeit in Anspruch." Daher sei es wichtig, die Finanzierung des Militärs langfristig abzusichern. Brieger schlägt ein Streitkräfteentwicklungsgesetz vor, in dem die Budgetierung festgeschrieben werde. "Dann wäre die Budgetierung auch bei einem Regierungswechsel gesichert." Deutschland will seinen 100 Milliarden Euro schweren Sonderfonds zur Modernisierung der Bundeswehr ins Grundgesetz schreiben.
Brieger versicherte gleichzeitig, dass das Bundesheer ungeachtet der Höhe der zusätzlichen Mittel diese nach Prioritäten immer sinnvoll und im Sinne der Ökonomie und des Steuerzahlers verwenden werde. "Das ist ganz wichtig: Wir kaufen nichts, was wir nicht dringend brauchen."
Bedenken: Knappheit wegen starken Aufrüstens in Europa
"Wir wissen ziemlich genau, was wir brauchen. Aber die Einführung komplexer Waffensysteme nimmt Zeit in Anspruch." Das könne man auch mit einer Anschubfinanzierung nicht von heute auf morgen machen. Daher sei es wichtig, die Finanzierung des Militärs langfristig abzusichern. Brieger schlägt ein Streitkräfteentwicklungsgesetz vor, in dem die Budgetierung festgeschrieben werde. "Dann wäre die Budgetierung auch bei einem Regierungswechsel gesichert." Deutschland will seinen 100 Milliarden Euro schweren Sonderfonds zur Modernisierung der Bundeswehr ins Grundgesetz schreiben.
Brieger nannte zahlreiche Bereiche, die Investitionsbedarf haben: "Wir brauchen Schutz und Beweglichkeit der Infanterie, eine Erneuerung der Hubschrauberflotte, die eingeleitet ist, aber noch ergänzt werden könnte." Das Heer benötige dringend Drohnen- und Drohnenabwehr, Fliegerabwehr mittlerer Reichweite, eine Revitalisierung oder eine Neuanschaffung der in die Jahre gekommenen Panzer sowie Investitionen in die passive und aktive Luftraumüberwachung sowie in moderne Munition. Denkbar wären auch Eurofighter-Zweisitzer, "um die Staffel komplett zu machen". Und wenn genug Geld da wäre, mache eine Zweiflotten-Lösung Sinn. So könne man für das Training der Piloten von den teuren Eurofighter-Flugstunden wegkommen und würde "ein zweites Standbein für die Luftraumüberwachung schaffen."
Brieger: "Wir kaufen nichts, was wir nicht dringend brauchen"
Brieger versicherte gleichzeitig, dass das Bundesheer ungeachtet der Höhe der zusätzlichen Mittel diese nach Prioritäten immer sinnvoll und im Sinne der Ökonomie und des Steuerzahlers verwenden werde. "Das ist ganz wichtig: Wir kaufen nichts, was wir nicht dringend brauchen."
Noch nicht ausdiskutiert ist dagegen die Wiedereinführung der verpflichtenden Milizübungen. Brieger und viel andere Experten, etwas der Milizbeauftragte Erwin Hameseder würden diesen Schritt sehr begrüßen. In der Ressortführung scheint es dazu noch keine abschließende Meinung zu geben. "Wir müssen alles intensiv und genau beurteilen, um keine voreiligen Schlüsse zu ziehen und den richtigen Weg einzuschlagen. Alle Optionen und Varianten zugunsten des Bundesheeres müssen auf den Tisch gelegt und in Anbetracht der Ukraine-Krise in einem anderen Licht betrachtet werden. Das beginnt beim Budget, geht bis zu den notwendigen Beschaffungen und Investitionen bis selbstverständlich auch zu den Übungstätigkeiten bzw. Stärkung der Miliz, die es jetzt neu zu denken gilt", sagte Tanner dazu am Freitag. Das sogenannte 6+2-Modell bedeutet, dass Grundwehrdiener nach ihren sechs Monaten Grundwehrdienst zwei Monate Milizübungen machen.
Kolportierte 16,2 Milliarden fürs Bundesheer - Brieger bezieht Stellung
Auf die vom Verteidigungsminister der Übergangsregierung Bierlein, Generalmajor Thomas Starlinger, 2020 errechneten 16,2 Milliarden Euro, die notwendig wären, um das Bundesheer auf einen modernen Stand zu bringen, angesprochen, erklärt Brieger folgendes: Die 16 Mrd. beziehen sich auf eine Vollausstattung des gesamtmobilgemachten Bundesheeres von 55.000 Soldaten (inklusive Miliz). "Das ist eine Idealvariante, die militärisch korrekt abgeleitet wurde, aber realpolitisch nicht umsetzbar erscheint." Wenn es gelinge, die von Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) angekündigten Budgetgrößen von einem Prozent des BIP und mehr zu erreichen, würde man innerhalb der nächsten zehn Jahre den Investitionsstau mit etwa der Hälfte der genannten 16 Mrd. deutlich reduzieren können und im Vergleich zum Istzustand wesentliche Verbesserungen der Einsetzbarkeit des Bundesheeres für Kampfeinsätze erreichen.
Assistenzeinsätze: "Wer schützen kann, kann auch helfen"
Brieger erinnerte an sein Credo in der Corona-Krise, bei der das Bundesheer viele nicht militärische Assistenzeinsätzen bewältigte: "Wer schützen kann, kann auch helfen, umgekehrt eher nicht."
Die Einführung der verpflichtenden Milizübungen würde Brieger "sehr begrüßen", die Kritik an der Strukturreform im Ministerium kann er dagegen nicht nachvollziehen. Das Militär arbeite seit acht Monaten in dieser Struktur und sei noch immer eine militärische Organisation geblieben und nicht zu einer Polizei mutiert, wie Kritiker der Reform meinen.
Grüne für "Verlängerung des Grundwehrdienstes"
Die Grünen sprachen sich gegen eine "Verlängerung des Grundwehrdienstes" aus. "Da spiel ich nicht mit", sagte Wehrsprecher David Stögmüller der "Wiener Zeitung". Im Zuge einer Verlängerung des Grundwehrdienstes müsse auch über einen längeren Zivildienst diskutiert werden: "Das steht für uns außer Diskussion." Verhandlungsspielraum sehe er keinen.
Tanner will noch heuer Budgeterhöhung
Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) spricht sich dafür aus, das Heeresbudget noch heuer auf ein Prozent des BIP und damit von derzeit 2,7 auf über vier Mrd. Euro anzuheben. "Wir müssen das Bundesheer auf die neuen Bedrohungslagen in jeder Hinsicht vorbereiten und ausrichten. Um alle Herausforderungen erfüllen zu können, brauchen wir beginnend ab heuer 1 Prozent des BIP und dieser Wert muss weiter steigen, um den Investitionsrückstau zu beseitigen", erklärte sie.
Bisher war von einer Anhebung ab 2023 die Rede. In der Frage der derzeit diskutierten Wiedereinführung der verpflichtenden Milizübungen legte sich die Ministerin am Freitag in einer Stellungnahme gegenüber der APA noch nicht fest: "Wir müssen alles intensiv und genau beurteilen, um keine voreiligen Schlüsse zu ziehen und den richtigen Weg einzuschlagen. Alle Optionen und Varianten zugunsten des Bundesheeres müssen auf den Tisch gelegt und in Anbetracht der Ukraine-Krise in einem anderen Licht betrachtet werden. Das beginnt beim Budget, geht bis zu den notwendigen Beschaffungen und Investitionen bis selbstverständlich auch zu den Übungstätigkeiten bzw. Stärkung der Miliz, die es jetzt neu zu denken gilt. "
Man müsse der militärischen Landesverteidigung wieder den Stellenwert geben und die Wichtigkeit einräumen, die es schon seit Jahren gebraucht hätte und die es jetzt dringend braucht und auch verdient, so die Ministerin
FPÖ begrüßt Wiedereinführung von Milizübungen
Der ehemalige Verteidigungsminister und FPÖ-Steiermark-Chef Mario Kunasek begrüßte den ÖVP-Schwenk in der Frage der Wiedereinführung von verpflichtenden Milizübungen und damit eine Erhöhung der Dauer der Wehrpflicht auf die bewährten acht Monate. "Die Wiedereinführung der verpflichtenden Truppenübungen war längst überfällig und scheiterte bislang an der Blockadehaltung der ÖVP. Vor rund 1,5 Jahren wollte die Volkspartei ja sogar die militärische Landesverteidigung als Hauptaufgabe des Bundesheeres über Bord werfen. Die Realität hat diese populistischen Ansichten nun entlarvt. Es ist gut und richtig, die Miliz zu stärken. Dafür braucht es Truppenübungen. Nur was regelmäßig geübt wird, kann auch im Ernstfall rasch und effizient umgesetzt werden", so Kunasek. Das Milizsystem ermögliche die Aufbringung einer hohen Anzahl an Soldaten, die im Krisenfall rasch Schutz und Hilfe leisten. Auch die Offiziersgesellschaft begrüßte die angedachte Wiedereinführung der Milizübungen.
(APA/Red)