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Fronten zwischen Geimpften und Ungeimpften in vielen Betrieben verhärtet

Die Corona-Impfung ist unter Kollegen häufig ein Streitthema.
Die Corona-Impfung ist unter Kollegen häufig ein Streitthema. ©APA/KEYSTONE/ENNIO LEANZA
Erschöpftes Personal, mehr psychosomatische Erkrankungen und Konflikte unter Kollegen wegen der Corona-Impfung: Eine Arbeitspsychologin berichtet über die Folgen der Pandemie im Berufsleben.

Über eineinhalb Jahre Pandemie haben auch im Berufsleben tiefe Spuren hinterlassen. In vielen Betrieben arbeiten inzwischen erschöpfte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter; Gereiztheit, sinkende Leistungsfähigkeit, psychosomatische Beschwerden aber auch Suchterkrankungen sind sichtbare Zeichen. Und immer häufiger führen Konflikte zwischen Geimpften und Ungeimpften am Arbeitsplatz zu Problemen, schildert die Arbeitspsychologin Birgit Artner im APA-Gespräch.

Streit ums Impfen bereits chronisch

"Wir beäugen die Situation mit Sorge", sagt Artner, die im Arbeitsmedizinischen Dienst Salzburg (AMD, Gesellschaft für Arbeitsmedizin, Sicherheitstechnik und Arbeitspsychologie GmbH) den Fachbereich Arbeitspsychologie leitet. Die Fronten zwischen Geimpften und Ungeimpften seien inzwischen vielfach verhärtet, sodass das Thema chronisch werde und sich in einem schlechteren Betriebsklima niederschlage. Den Unternehmen falle es oft schwer, eine befriedigende Lösung zu finden, und dann schwele der Konflikt weiter und die Eskalationsstufe steige.

Sowohl Führungskräfte als auch einzelne Mitarbeiter von Betrieben kontaktieren aufgrund der Belastung den AMD. Die Psychologinnen bieten unter anderem Mediationsgespräche an. "Das Thema ist sehr spannungsgeladen und emotional, wir versuchen, es auf die sachliche Ebene herunterzuholen." Ziel sei es, den Betroffenen klar zu machen, dass jeder die Freiheit zur Entscheidung habe und dies mit Respekt und Wertschätzung auch anerkannt werde, statt sich weiterhin in Lager zu drängen.

"Leute sind ausgepowert"

Quer durch viele Branchen zieht sich inzwischen die Problematik der Erschöpfung als Folge der Pandemie. Die lange Dauer mit zeitweise vielen Einschränkungen - wie etwa kein persönlicher Kontakt mit Freunden, kein kulturelles Leben, kein Fitnessstudio - , für viele über lange Zeit die Doppelbelastung mit Homeoffice und nebenbei Kinderbetreuung wegen geschlossener Schulen: Das hinterlasse Spuren. "Die Leute sind ausgepowert", berichtet Artner. Und ganz aktuell seien viele Ungeimpfte zusätzlich gestresst wegen der Schwierigkeiten, zeitgerecht die Ergebnisse der PCR-Tests zu erhalten.

Psychische Erkrankungen seit Pandemiebeginn gestiegen

Die Folgen dieser Belastungen würden sich verschieden offenbaren. So sei eine Zunahme von psychosomatischen Erkrankungen festzustellen, das reiche von Migräne über Tinnitus oder Magenbeschwerden bis zu Essstörungen. Auch ein Abfall der Leistungsfähigkeit sei festzustellen. "Mitarbeiter, die vorher sehr zuverlässig waren, sind plötzlich fehleranfällig oder häufiger im Kurzzeit-Krankenstand." Andere würden ihr "dickes Fell" verlieren und seien schnell gereizt. Zugenommen hätten auch Depressionen und Suchterkrankungen. Erschwert werde die Lage, weil es für die Behandlung psychischer Erkrankungen inzwischen lange Wartezeiten gebe.

Was können Unternehmen tun? Der AMD biete Schulungen für Führungskräfte an, damit diese Werkzeuge für diese Situationen erhalten. "Man darf aber nicht vergessen, dass natürlich auch die Führungskräfte von der Pandemie betroffen sind und sich noch dazu oft in der schwierigen Sandwich-Position zwischen Geschäftsführung und Mitarbeitern befinden." Wenn möglich, sollten die Führungskräfte versuchen, Druck rauszunehmen und schwierige Verhältnisse ändern.

(APA/Red)

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