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Freiwilligkeit bei 12-Stunden-Tag: Sozialministerium geht Verstößen nach

Das Sozialministerium will die Vorwürfe prüfen lassen.
Das Sozialministerium will die Vorwürfe prüfen lassen. ©APA/ANNIEV KOSTA
Das Sozialministerium geht nun Verstößen nach, wo Arbeitgeber die Freiwilligkeit des 12-Stunden-Tages ignoriert haben. Diese Woche finde eine Analyse der Fälle statt, sagte der Sprecher von Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) am Montag auf APA-Anfrage.
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Danach wolle man mit dem Koalitionspartner ÖVP über Nachschärfungen reden und diese präsentieren.

Nachschärfungen ebi der flexibleren Arbeitszeit

Eine der Möglichkeiten seien Sanktionen, so der Sprecher. Auch die Kontrollen könnten verschärft werden. Nach der Analyse werde man wissen, wo es Verbesserungs- und Reparaturbedarf gibt. Im Fall der Hilfsköchin in Wien, die laut Medienberichten gekündigt wurde, weil sie den 12-Stunden-Arbeitstag verweigerte, sei das Arbeitsinspektorat mit einer Prüfung beauftragt worden, so der Sozialministeriumssprecher.

Für die ÖVP ist eine Novelle des Arbeitszeitgesetzes jedenfalls kein Thema. ÖVP-Klubobmann August Wöginger sagte in den Salzburger Nachrichten (Montagsausgabe): “Das Gesetz ist ja erst seit zwei Monaten in Kraft. Und derzeit sind uns nur zwei Missbrauchsfälle bekannt.” Wie es zur APA hieß, setzt die ÖVP darauf, “Ausnahmefälle” von schwarzen Schafen durch verstärkte Kontrollen und harte Sanktionen des Arbeitsinspektorate abzustellen. Das Gesetz an sich funktioniere aber, wurde seitens der Kanzlerpartei betont.

12-Stunden-Tag über den Dienstvertrag erzwungen

Der Tiroler Arbeiterkammer-Chef Erwin Zangler, der wie Wöginger aus dem ÖVP-Arbeitnehmerbund ÖAAB kommt, machte indes am Montag per Aussendung einen dritten Fall publik, bei dem wie in Salzburg die Freiwilligkeit des 12-Stunden-Tages über den Dienstvertrag erzwungen werden soll.

Dass der ÖVP-Klub als Anlaufstelle für all jene fungieren will, die sich beim Arbeitszeitgesetz vom Arbeitgeber ungerecht behandelt fühlen, empörte wiederum die SPÖ. “Das Verhalten der ÖVP zu diesem Husch-Pfusch-Gesetz wird immer skurriler. Zuerst schafft man ein Gesetz, bei dem von Anfang an klar war, dass Arbeitnehmer damit nur verlieren können und zu Opfern werden. Jetzt versucht man diese Opfer zu beruhigen und mundtot zu machen, indem man ihnen einen Rechtsschutz anbietet. Ex-Gewerkschafter und nunmehriger Kurz-Jünger Wöginger sollte wissen: ÖGB und AK können das besser”, erklärte der SPÖ-Mandatar Rainer Wimmer in einer Aussendung.

SPÖ spricht von “Husch-Pfusch-Gesetz”

Die SPÖ fordert wie auch Gewerkschaft und Arbeiterkammer, das Gesetz auf Augenhöhe mit den Arbeitnehmervertretern neu zu verhandeln. In das Arbeitszeitgesetz, dass die Regierungsparteien ÖVP und FPÖ im Sommer verabschiedeten, waren sie nicht eingebunden, weshalb sie von einem “Husch-Pfusch-Gesetz” sprechen. Das neue Arbeitsgesetz, dass im Nationalrat auch die Zustimmung der NEOS fand, erlaubt eine tägliche Höchstarbeitszeit von 12 Stunden sowie die 60-Stunden-Woche.

Wegen der längeren Arbeitszeiten stockt auch die Herbstlohnrunde. Wimmer, der für die Gewerkschaft PRO-GE den Metallerkollektivvertrag verhandelt, erklärte: “Wir werden nicht hinnehmen, dass unsere Kolleginnen und Kollegen die 12 Stunden aufs Aug’ gedrückt bekommen”. Die Arbeitnehmervertreter fühlen sich überrumpelt und übervorteilt und wollen sich in den KV-Verhandlungen “zurückholen”, was ihnen “genommen worden” sei. Die Arbeitgeber hingegen fühlen sich dafür nicht zuständig und sagen, sie seien der falsche Adressat, wenn die Gewerkschaften gegen die Bundesregierung mobilisieren wollen.

WKÖ: “Missverständliche Formulierung” zurückgenommen

Nachdem bekannt geworden ist, dass zumindest zwei Hotels und ein Restaurant die Freiwilligkeit des 12-Stunden-Tages ignorierten, hat sich am Montag die Tourismus-Sparte der Wirtschaftskammer (WKÖ) für die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes stark gemacht. Die “missverständliche Formulierung eines privaten Steuerberatungsunternehmens” sei zurückgenommen worden.

“Wir decken keinerlei Verstöße oder schwarze Schafe, verwehren uns aber auch, dass aus einer unglücklichen Formulierung eines Vertragsmusters die Seriosität der gesamten Tourismus-Branche plakativ in Frage gestellt wird”, erklärten WKÖ-Bundessparten-Obfrau Petra Nocker-Schwarzenbacher und die Fachverbands-Obleute Hotellerie und Gastronomie, Susanne Kraus-Winkler und Mario Pulker, in einer Aussendung.

Die Arbeiterkammer Tirol hatte zuvor einen weiteren Verstoß gegen die Freiwilligkeit öffentlich gemacht. Im Dienstvertrag eines großen Hotelbetriebs am Arlberg hätte der Arbeitnehmer demnach erklären müssen, “freiwillig” eine Tagesarbeitszeit von bis zu 12 Stunden leisten zu wollen. Dazu hält die WKÖ fest: “Ein Vorwegverzicht auf das Ablehnungsrecht ist unwirksam.” Die Formulierung werde in Zukunft nicht mehr verwendet.

(APA/Red)

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