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Fragwürdiger Prozess nach Stürmung der syrischen Botschaft in Wien

Zehn der elf Angeklgten, die die syrische Botschaft im herbst 2011 gestürmt haben sollen, wurden freigesprochen.
Zehn der elf Angeklgten, die die syrische Botschaft im herbst 2011 gestürmt haben sollen, wurden freigesprochen. ©APA
Nach der Stürmung der syrischen Botschaft im Herbst 2011 standen am Dienstag elf Exil-Syrer vor dem Straflandesgericht. Als fragwürdig gilt der Prozess, weil unklar ist auf welcher Basis die Staatsanwaltschaft Anklage gegen sie erhoben hat. Nur von einem der Angeklagten waren nämlich Fingerabdrücke gefunden worden, er erhielt wegen schwerer Sachbeschädigung drei Monate bedingt.
Elf Personen nach Protesten festgenommen
Weitere Proteste abgesagt

Nach der Ermordung des kurdischen Oppositionsführers Meshaal Tamo in Syrien war es am 8. Oktober 2011 in mehreren europäischen Städten zu Protestaktionen gekommen. Die Nachricht vom Tod des Politikers und seines ebenfalls ums Leben gebrachten Sohnes verbreitete sich über Facebook und Twitter auch in Wien. Nach Darstellung der Polizei drangen zwanzig Regime-Gegner in die Botschaft in Wien-Landstraße ein und hielten sich auch wenige Minuten auf dem Balkon auf, wobei sie Parolen gegen das syrischen Regime riefen. Vor dem Gebäude sollen weitere Personen eine Spontandemonstration abgehalten haben.

Angeklagt waren nur Demonstranten, die sich ausweisen konnten

Als die Polizei vor der Botschaft eintraf, nahm sie die Daten mehrerer dort noch anwesender Demonstranten auf. Vor Gericht landeten in weiterer Folge exakt jene elf Männer im Alter zwischen 18 und 41 Jahren, die sich legitimiert hatten. “Andere, die keinen Ausweis dabei gehabt haben, sind einfach gegangen. Sie waren auch heute nicht da”, erklärte ihr Sprecher nach der heutigen Verhandlung gegenüber der APA. Die elf waren demgegenüber zunächst für acht Stunden in Haft gelandet. In weiterer Folge erhielten sie einen Strafantrag, in dem ihnen angelastet wurde, gemeinsam mit einer “unbekannten Zahl von Mittätern” den Tatbestand der schweren Sachbeschädigung erfüllt zu haben.

Nur einem konnte Sachbeschädigung nachgewiesen werden

Den elf Angeklagten wurde vorgeworfen, die Eingangstür, eine Balkon- sowie eine Bürotür und Bilder in der syrischen Botschaft beschädigt und dabei einen Schaden von 5.246,14 Euro angerichtet zu haben. Richterin Katharina Lewy sprach am Ende der dreistündigen Verhandlung zehn der elf Männer mit der wörtlichen Begründung frei, es gebe “überhaupt keinen Beweis, dass sie dort waren”. Ein Mann, dessen Fingerabdrücke sich auf einem zerfetzten Bild des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad gefunden hatten, erhielt wegen schwerer Sachbeschädigung drei Monate bedingt.

Beweis-Videos brachten keine neuen Erkenntnisse

Im Anschluss wurden zwei Videos abgespielt, die die Vorgänge am Balkon und vor der syrischen Botschaft zeigten. Die Gestalten und Gesichter der Demonstranten waren – bedingt durch die Dunkelheit – nur schemenhaft erkennbar. “Auf den Videos ist nichts zu erkennen”, stellte Richterin Katharina Lewy fest. Der Sprecher der Angeklagten machte nach der Videovorführung darauf aufmerksam, dass die Gefilmten ausschließlich Arabisch gesprochen hätten: “Wir sind alles Kurden. Wir können nicht Arabisch. Wir würden uns untereinander nur auf kurdisch unterhalten.”

Nach Stürmung wurde keiner der Angeklagten wiedererkannt

Als Zeuge wurde neben einem Vertreter der Botschaft, der den inkriminierten Schaden erst nach telefonischer Rücksprache beziffern konnte, jener Polizist vernommen, der in der gegenständlichen Nacht als Überwachungsposten vor der Botschaft anwesend war. Der Beamte erklärte, es seien plötzlich 15 bis 20 Männer mit einer Fahne aufgetaucht: “Ich hab’ die nicht zuordnen können. Ich habe mich nicht ausgekannt.” Als plötzlich die Balkontür aufging und oben andere Männer eine Fahne schwenkten, “war ich momentan in dieser Situation überfordert. Ich hab’ nicht mitbekommen, dass die die Balkontür eingetreten haben”. Er habe “zur Sicherheit” Verstärkung angefordert.

Fragwürdiger Prozess endete mit einer Verurteilung

Von den Angeklagten erkannte der Polizeibeamte keinen wieder. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens waren im Botschaftsbereich auch keine DNA-Spuren gefunden worden, die zu zehn der elf Männer gepasst hätten. Der elfte Mann wurde deshalb schuldig erkannt, “weil Sie der Einzige sind, wo ich objektive Beweise habe, dass Sie in der Botschaft waren”, meinte die Richterin am Ende des Beweisverfahrens. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. (APA)

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