Sie sollen bereits vor dem Fall im Burgenland wegen des Verdachts auf Schlepperei in das Visier der Polizei geraten sein, schreibt das Internetportal “Nol.hu” am Montag.
71 Flüchtlinge tot in Kühltransporter gefunden
Die Männer, drei Bulgaren und ein Afghane, stehen unter Verdacht, für den grausigen Tod von 71 Flüchtlingen in einem Kühltransporter auf der Ostautobahn (A4) verantwortlich zu sein. Am Sonntag wurde ein weiterer verdächtigter Bulgare verhaftet.
Ermittlungen wegen Schmuggel und Mordverdacht
Laut dem ungarischen Nachrichtenportal wird gegen die fünf Verdächtigen nicht wegen Mordverdachts, sondern wegen organisierten Menschenschmuggel ermittelt. Dafür könnte in Ungarn eine Strafe von zwei bis 16 Jahren verhängt werden. Die Untersuchungshaft ist noch nicht rechtskräftig, da die Verdächtigen Berufung einlegten. Zwar gebe es noch keinen diesbezüglichen Beschluss, doch würden die Behörden die in Ungarn verhafteten Verdächtigten mit hoher Wahrscheinlichkeit innerhalb kürzester Zeit an Österreich ausliefern, schrieb “Nol.hu”. Wie die Nachrichtenagentur BTA berichtete, ermittelt auch die bulgarische Sicherheitsbehörde SANS in diesem Fall.
Flüchtlingsdrama auf A4: Eurojust koordiniert Ermittlungen
Um Doppelgleisigkeiten bei der Aufarbeitung der Flüchtlingstragödie mit 71 Toten auf der Ostautobahn (A4) zu vermeiden, hat sich die EU-Justizbehörde Eurojust in die Ermittlungen eingeschaltet. Die Agentur koordiniert die österreichischen und ungarischen Beamten, wobei das österreichische Justizministerium auf eine “enge und funktionierende länderübergreifende Kooperation” verweist.
Eurojust ist in dieser Sache nicht zuletzt deshalb behilflich, weil in den betroffenen Staaten – der Schlepper-Lkw war aus Ungarn gekommen, hatte in der Nacht auf vergangenen Donnerstag die Grenze überquert und war am späten Donnerstagvormittag einem Asfinag-Mitarbeiter in einer Pannenbucht in der Nähe von Parndorf aufgefallen – teilweise sehr unterschiedliche Gesetzbestimmungen gelten. “Es ist möglich, dass Koordinierungstreffen organisiert oder eine gemeinsame Ermittlungsgruppe eingesetzt wird”, sagte Barbara Göth-Flemmich, Leitende Staatsanwältin im Justizministerium, am Montag auf APA-Anfrage. Zwei ungarische Beamte befänden sich seit dem Wochenende in Österreich. Die burgenländische Anklagebehörde hatte unmittelbar nach dem Fund der Dutzenden Leichen ein Inlandsverfahren eingeleitet.
“Ermittlungen möglichst effizient führen”
Im Justizministerium glaubt man nicht, dass “doppelt gemoppelt” wird, weil in Ungarn parallel ein Verfahren läuft, in dem mittlerweile fünf Verdächtige festgenommen worden sind, wie Göth-Flemmich auf eine entsprechende Frage betonte. “Im Vordergrund steht jetzt, dass die Ermittlungen möglichst effizient geführt werden. Die Erkenntnisse werden dank Eurojust den beteiligten Behörden auf kurzem Wege ohne mühsame Rechtshilfeersuchen wechselseitig zur Kenntnis gebracht”, erläuterte die Leitende Staatsanwältin.
Obduktionsgutachten nach Flüchtlingsdrama erwartet
Es ist demnach davon auszugehen, dass die ungarischen Ermittler unmittelbar nach Vorliegen der Obduktionsgutachten sowie des Ergebnisses der technischen Untersuchungen am sichergestellten Lkw von den entsprechenden Inhalten erfahren und die österreichischen Strafverfolgungsbehörden umgekehrt rasch von etwaigen Angaben der fünf in Ungarn inhaftierten mutmaßlichen Schlepper und dem Ergebnis der durchgeführten Hausdurchsuchungen Kenntnis erlangen. In welchem Land die mutmaßlichen Schlepper letztlich – sollte die Beweislage ausreichen – angeklagt und vor Gericht gestellt werden, sei noch nicht geklärt, erklärte Göth-Flemmich: “Normalerweise wird das in dem Land gemacht, wo die Verhandlung besser durchgeführt werden kann.” Eine wesentliche Rolle spiele dabei der Ort, an dem sich die Beschuldigten befinden, sowie die Einschätzung, wo das Beweismaterial und Zeugen besser verfügbar sind.
Auslieferung und Zuständigkeit strittig
Sollte Ungarn die Festgenommenen tatsächlich “mit hoher Wahrscheinlichkeit innerhalb kürzester Zeit an Österreich ausliefern”, wie es zuletzt in ungarischen Medienberichten hieß, würde das wohl bedeuten, dass die Staatsanwaltschaft Eisenstadt zuständig bleibt. Und zwar selbst dann, wenn sich bei den gerichtsmedizinischen Untersuchungen ergeben sollte, dass die geschleppten Personen bereits tot waren, als der 7,5 Tonnen schwere Lkw die ungarisch-österreichische Grenze passierte.
Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Eisenstadt, Verena Strnad, war bereits am vergangenen Freitag gegenüber der APA von einer Auslieferung der Verdächtigen ausgegangen. Der auf Betreiben ihrer Behörde erlassene Europäische Haftbefehl würde dies indizieren, denn gerade die Auslieferung sei “grundsätzlich Sinn des Europäischen Haftbefehls”, so Strnad. Formal laufen die Ermittlungen der Eisenstädter Anklagebehörde derzeit in Richtung Schlepperei, vorsätzlicher Gemeingefährdung mit Todesfolge und Mordverdachts.
(apa/red)