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Experte: Schul-Konzept könnte Infektionsrisiko erhöhen

Im Herbst werden die Schulen mit einem neuen Konzept öffnen.
Im Herbst werden die Schulen mit einem neuen Konzept öffnen. ©APA/HELMUT FOHRINGER
Das Schul-Konzept für den Herbst stößt bei Experten auf Kritik, aber auch auf Lob. Insgesamt wird es jedoch gut aufgenommen, ob es etwas bringt, wird sich erst im Herbst zeigen.
Der Schulplan für den Herbst
PCR-Tests für ungeimpfte Lehrer sollen etwas kosten

Im nächsten Schuljahr soll es statt durchgehend drei Pflicht-Selbsttests pro Woche eine zunächst zweiwöchige Sicherheitsphase mit intensivem Testen geben, dann wird nur anlassbezogen regional getestet. Für Mikrobiologe Michael Wagner von der Uni Wien wären regelmäßige verpflichtende PCR-Tests die bessere Wahl. "Sicher ist es gut, dass jetzt ein Konzept für das neue Schuljahr vorliegt. Das Risiko ist mit dem vorgestellten Ansatz jedoch höher, als wenn man durchgehend testet."

Experte: Flächendeckende Tests in Schulen wären wichtig

"Jüngere Kinder könnten durch Maßnahmen in den Schulen nun eigentlich besser geschützt werden als im vergangenen Jahr", sagte Wagner im APA-Gespräch, noch dazu da mit der ansteckenderen Delta-Variante ihr Infektionsrisiko gestiegen sei. Dass man auf das Sicherheitsnetz regelmäßiger flächendeckender Tests verzichte, kann er aus wissenschaftlicher Sicht nicht wirklich nachvollziehen. Die 300 "Sentinel"-Schulen, in denen das Infektionsgeschehen durch stichprobenartige regelmäßige PCR-Tests überwacht wird, würden zwar etwas über das Infektionsgeschehen an diesen Bildungseinrichtungen aussagen, "aber das einzelne Kind ist dadurch zunächst einmal nicht direkt geschützt".

Nur zu Beginn des Schuljahrs regelmäßig zu testen und danach Tests nur bei regional hohem Infektionsgeschehen wieder einzuführen sei psychologisch und auch organisatorisch schwieriger als ein durchgängiges Testkonzept. "Letzteres ist aber natürlich eine politische Entscheidung." Wagners Ansicht nach sollte man an den Schulen zumindest so lange regelmäßig testen, solange es in dieser Pandemie signifikante Infektionszahlen gebe und noch nicht alle Menschen inklusive der Kinder unter 12 eine Möglichkeit hatten, sich durch eine Impfung zu schützen.

Wächter-Schulen "absolut notwendig"

Das von Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) angekündigte Frühwarnsystem sei keineswegs schlecht, betont Wagner, der im vergangenen Jahr die Schulgurgelstudie geleitet hat. Ein stärkeres Einbeziehen der Daten aus Abwasseranalysen zur frühen Erkennung von Infektionsgeschehen in einer Region sei sinnvoll, auch wenn diese Zahlen nur etwas über das Infektionsgeschehen in der gesamten Gesellschaft aussagen und nicht über die Altersklasse der Schüler. Auch die 300 "Wächter-Schulen" sind aus Wagners Sicht "absolut notwendig". Wie man diese beiden Datenpools aber so verschneiden könne, dass ein sicherer Schulbetrieb ermöglicht wird, sei für ihn noch nicht klar.

Entscheidend ist für Wagner die Frage, wo der Grenzwert gesetzt wird, ab dem regional eine Test- und Maskenpflicht in den Schulen etabliert wird. Bildungsminister Faßmann hat dessen Festlegung als "Hausaufgabe für den August" bezeichnet. Wagner hofft jedenfalls, dass dabei nicht auf die Zahl der Patienten in den Intensivstationen Bezug genommen werde. Immerhin sei mittlerweile ein guter Teil der Erwachsenen geimpft. Bis eine Überlastung der Intensivstationen drohe, gäbe es deshalb schon eine entsprechend große Zahl infizierter Kinder, die vor allem ungeimpfte Erwachsene anstecken bzw. selbst erkranken könnten, ein kleiner Teil davon auch schwer und einige Prozent über einen längeren Zeitraum. "Wenn ich einen vernünftigen Threshold setze, komme ich vermutlich ohnehin in die Situation, dass ich im Herbst und Winter durchgehend teste und eine sehr hohe Sicherheit erreiche."

Für Klimek gute Balance, aber Schwellenwerte offen

Eine "gute Balance" zwischen anfänglich flächendeckenden Testungen und dann einem System mit Abwasseranalysen und PCR-Tests an 300 ausgewählten Schulen ortet der Komplexitätsforscher Peter Klimek im neuen Covid-Schulsicherheitsplan. Hier sei ein Kompromiss gelungen, dessen Erfolg aber stark davon abhänge, ab welchen Schwellenwerten man regional Maßnahmen setze. Es stelle sich auch die Frage, wie viele Quarantänen der Schulstart mit sich bringt, so der Forscher zur APA.

Die geplanten nahezu flächendeckenden Abwasseranalysen hätten sich zur regionalen Abschätzung des Infektionsgeschehens "mittlerweile bewährt", sagte Klimek. Da in dem am Mittwoch präsentierten Konzept noch nicht klar ist, wie mit Testungen an Schulen mittelfristig verfahren wird, helfe diese Art des Überblicks vermutlich. Trotzdem sei dies "nur eine indirekte Messung", mit der "man in Großen und Ganzen gut aufgestellt ist, weil man auch unabhängig von Testgeschehen ist", betonte Klimek.

Schwellenwerte offen

"Das große Thema, das hier natürlich ausgespart wurde, ist, wo die Schwellenwerte liegen", so der Wissenschafter: "Der beste Stufenplan bringt nichts, wenn wir ihn zu spät aktivieren." Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) hatte die Ausarbeitung der entsprechenden Werte, ab denen regional Maßnahmen gesetzt werden, bei der Präsentation als "unsere Hausaufgabe für den August" bezeichnet. Das kann der Forscher vom Complexity Science Hub Vienna (CSH) und der Medizinischen Universität Wien nachvollziehen, denn niemand könne aktuell eine Prognose abgeben, welche Infektionszahlen man im September hat.

(APA/red)

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