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EU-Wahl: Viele Veränderungen erwartet

Die kommende EU-Wahl dürfte viele Veränderungen mit sich bringen.
Die kommende EU-Wahl dürfte viele Veränderungen mit sich bringen. ©pixabay.com
Von 23. bis 26. Mai wird ein neues EU-Parlament gewählt. Es könnte zu einem Kampf zwischen pro-europäischen gegen nationalistischen Kräften kommen.

Üblicherweise gelten Europawahlen als Urnengänge “von zweiter Ordnung”. Das heißt, sie werden von den Bürgern als nicht so bedeutsam wie nationale Wahlen eingeschätzt. Doch wenn im kommenden Jahr von 23. bis 26. Mai ein neues EU-Parlament gewählt wird, ist bereits für jede Menge Dramatik gesorgt.

EU-Wahl: Pro-Europäer gegen Nationalisten

An brisanten Zutaten mangelt es nicht. Ein sich zuspitzender Kampf der pro-europäischen gegen die nationalistischen Kräfte, die versuchte Einflussnahme des US-Rechtspopulisten und ehemaligen Chefstrategen von Donald Trump, Steve Bannon, zugunsten der Rechten, sowie die noch über allem schwebende Unsicherheit des Brexit machen diese Europawahlen schon im Vorfeld zu einem besonderen europäischen Ereignis.

Glaubt man den Umfragen, werden die bisherigen großen Parteien – die Europäische Volkspartei (EVP) und die Sozialdemokraten (S&D) – zwar wieder als stärkste bzw. zweitstärkste Fraktionen aus der EU-Wahl hervorgehen, aber erstmals in der Geschichte nicht mehr eine gemeinsame Mehrheit in der EU-Volksvertretung haben. Damit wären Konservative und Sozialdemokraten auf die Unterstützung anderer Kräfte, etwa der Liberalen, der Grünen, der Linken oder von Abgeordneten aus dem rechten Spektrum abhängig.

Mai 2019: Verluste bei den großen Parteien erwartet

Beiden großen Parteien drohen Verluste. Durch den Brexit haben die Sozialdemokraten mehr zu verlieren als die EVP: Während die S&D-Fraktion 20 Labour-Abgeordnete abhanden kommen, scheiden aus der Europäischen Volkspartei nur zwei britische Konservative aus. Die Tories von Premierministerin Theresa May gehören nämlich schon seit 2009 der euroskeptischen Fraktion ECR an.

Die Umfragen sind zwar mit Vorsicht zu genießen, denn mangels europaweiter Meinungsbefragungen handelt es sich um aggregierte nationale Umfragedaten, in denen die Beliebtheit der Parteien nach der klassischen Sonntagsfrage erhoben wird. Einen stabilen Trend lassen sie aber allemal erkennen.

Solche aggregierten Umfragedaten werden etwa von dem in Wien ansässigen Projekt “Poll of Polls” oder dem Magazin “Politico” veröffentlicht und zu einer künftigen Zusammensetzung des Europaparlaments hochgerechnet. Sie sehen die EVP zwischen 180 und 186 von insgesamt 705 Sitzen (derzeit 218 von 751), die Sozialdemokraten zwischen 130 und 135 (derzeit 187) und die Liberalen (ALDE) zwischen 69 und 95 (derzeit 68) – je nachdem, ob die mit den Liberalen verbündete Bewegung “La Republique en Marche” des französischen Präsidenten Emmanuel Macron bereits der ALDE zugerecht wird oder nicht.

Hauptfragen der Europawahl 2019

Eine der Hauptfragen dieser Europawahl ist, wie sich das rechte Lager neu formiert. Derzeit sind EU-Skeptiker und Gegner des europäischen Projekts weit zersplittert, vor allem auf die drei Fraktionen “Europäische Konservative und Reformer/ECR” (derzeit 74 Sitze), “Europa der Freiheit und der direkten Demokratie/EFDD” (derzeit 43) und “Europa der Nationen und der Freiheit/ENF” (derzeit 34, darunter vier FPÖ-Abgeordnete). Offen ist aber auch, ob die national-konservative Fidesz von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban weiter in der EVP bleibt, nachdem gegen die Regierung in Budapest ein EU-Rechtsstaatsverfahren läuft.

Zusammen hätten die rechten Kräfte das Potenzial, die EVP im Rennen um den ersten Platz herauszufordern. Ein zweiter Platz noch vor den Sozialdemokraten ginge sich laut den derzeitigen Umfragen aus. Allerdings ist ein solch breit angelegtes Bündnis der Rechten, wie Lega-Chef Matteo Salvini und Bannon dies anstreben, äußerst fraglich. Die FPÖ etwa lehnt eine Zusammenarbeit mit Bannon ab.

Die rechten Parteien verfügen auch über konträre Positionen zu Russland: Die national-konservative polnische PiS will von Moskau nichts wissen, während Marine Le Pens “Rassemblement National” und die FPÖ um die Unterstützung des Kremls buhlen. Auch in der Migrationspolitik sind die Gemeinsamkeiten nicht so groß, wie anzunehmen wäre. Populisten in Nord- und Mitteleuropa lehnen die Flüchtlingsverteilung ab, diejenigen im Süden pochen auf die Solidarität der EU-Partner. Die Lega und ihr linkspopulistischer Koalitionspartner “Fünf Sterne” sowie die deutsche AfD können mit Zugewinnen rechnen, in Frankreich könnte Le Pens Sammelbewegung laut Umfragen stärkste Kraft werden. Dagegen scheiden durch den Brexit die Tories und die UKIP aus den Fraktionen ECR und EFDD aus.

EU-Wahl: Brexit könnte alles anders kommen lassen

Der Ausgang der Europawahlen hat Einfluss auf die Zusammensetzung der nächsten EU-Kommission, die im Herbst 2019 stehen muss. Wird die EVP wieder Erster, hat ihr Spitzenkandidat Manfred Weber Aussichten, zum EU-Kommissionspräsidenten gewählt zu werden. Anders als bei der Wahl von Jean-Claude Juncker 2014 würde Weber aber auch die Stimmen der Liberalen oder anderer Parteien benötigen, die sich ihre Unterstützung wohl nur mit entsprechenden Posten abkaufen ließen. Neben dem Kommissionspräsidenten sind auch die Posten des EU-Ratspräsidenten, des EZB-Präsidenten und der EU-Außenbeauftragten neu zu besetzen.

Der Brexit könnte aber auch alles ganz anders kommen lassen: Scheitert Premierministerin Theresa May im Jänner mit ihrem Brexit-Deal im britischen Parlament, könnte die EU auf Wunsch der Regierung in London noch die Verhandlungsfrist verlängern, um einen chaotischen “harten Brexit” abzuwenden. Der für Ende März geplante Brexit wäre verschoben, und Großbritannien müsste voraussichtlich im Mai – oder mit Verzögerung etwas später – an den Europawahlen teilnehmen. Dann wären weiter 751 Abgeordnete zu wählen anstatt 705, und Österreich hätte wie bisher 18 statt der schon eingeplanten 19 EU-Mandatare in Straßburg.

Österreich-Ergebnisse möglicherweise erst um 23 Uhr

Möglicherweise bis tief in die Nacht müssen die Österreicher am 26. Mai warten, um den Ausgang der EU-Wahl zu erfahren. Es könnte sein, dass das Innenministerium kein einziges Ergebnis vor dem EU-weiten Wahlschluss veröffentlicht. Der war 2014 um 23.00 Uhr. Grund für die Überlegung, die österreichische Praxis zu ändern, ist die Aufhebung der Bundespräsidenten-Stichwahl 2016.Die Praxis war bisher, dass die Bundeswahlbehörde die Teilergebnisse – also jene der Gemeinden, Bezirke und Bundesländer – ab dem österreichischen Wahlschluss um 17.00 Uhr veröffentlichte, sobald sie ausgezählt waren. Nur mit dem “amtlichen Endergebnis” wartete man auf den EU-weiten Wahlschluss. Der war früher um 22.00 Uhr, 2014 hielt Italien aber seine Wahllokale bis 23.00 Uhr offen.

Nach der Bundespräsidentenstichwahl im Mai stellte der – von der FPÖ angerufene – Verfassungsgerichtshof allerdings fest, dass es gegen den Grundsatz der Freiheit der Wahl verstößt, wenn die Behörde Teilergebnisse vor Wahlschluss an ausgewählte Empfänger weitergibt. Seither bekamen auch Medien und Meinungsforscher bei heimischen Wahlen in Österreich kein offizielles Teilergebnis mehr ehe das letzte Wahllokal geschlossen hatte.

Ob dies sinngemäß auch auf die EU-Wahl – also die Öffnungszeit von Wahllokalen in anderen EU-Staaten – angewendet werden muss, entscheidet die Bundeswahlbehörde rund sechs Wochen vor der Wahl, teilte deren Leiter Robert Stein der APA mit.

(APA/Red)

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