ESC und Israel: ORF-Chef hat Stiftungsrat hinter sich

Der ORF-Stiftungsrat stärkt Roland Weißmann den Rücken - zumindest was seine Haltung betrifft, wonach Israel am 70. Eurovision Song Contest (ESC) in Wien teilnehmen solle. Ein Großteil der Rätinnen und Räte sprach am Donnerstag bei vier Enthaltungen eine Empfehlung an den ORF-Chef aus, diese Position weiter zu vertreten. Wegen des Gaza-Kriegs will Irlands Rundfunk bei einer Israel-Teilnahme auf den Wettbewerb verzichten. Auch in Spanien wird eine Nicht-Teilnahme überlegt.
ORF-Stiftungsrat segnete Jahresabschluss ab
Abseits davon segnete das oberste ORF-Gremium bei einer Sitzung auch den ORF-Jahresabschluss 2024 ab. Dieser fällt laut ORF-Aussendung positiv aus. Der Konzern erzielte 2024 einen Gewinn vor Steuern (EBT) in Höhe von 34,7 Mio. Euro (2023: 16,5 Mio. Euro). Bei der Muttergesellschaft lag er bei 4,3 Mio. Euro (2023: 4,0 Mio. Euro). Die Umsatzerlöse des ORF-Konzerns betrugen 1,13 Milliarden Euro (2023: 1,08 Milliarden Euro). Davon entfielen ca. 732 Mio. Euro auf Einnahmen aus dem ORF-Beitrag, in etwa 198 Mio. Euro auf Werbeerlöse und rund 199 Mio. Euro auf sonstige Umsatzerlöse.
Der ORF-Jahresabschluss beschäftigte die Räte aber auch in anderem Zusammenhang. So ortete der von der FPÖ entsandte Stiftungsrat Peter Westenthaler eine "klassische Unvereinbarkeit" bei Stiftungsratskollegin Andrea Schellner. Sie sei Miteigentümerin eines Wirtschaftsprüfungsunternehmens, das auch den ORF-Jahresabschluss 2024 kontrolliert habe, sagte Westenthaler. Er wolle nun eine Anzeige bei der Medienbehörde KommAustria einbringen.
Schellner, die auch Vorsitzende des Finanzausschusses im ORF-Stiftungsrat ist und dem Jahresabschluss des ORF im Finanzausschuss zugestimmt hat, sieht das anders. Im Vorfeld ihrer Entsendung sei geprüft worden, ob eine Unvereinbarkeit vorliegen könnte. Sie sei nicht beteiligt an der "HLB Vorarlberg", die die Prüfung des ORF durchführte, und übe dort auch keine Funktion aus. Sie ist aber Mitgesellschafterin an der "HLB Intercontrol Austria". Zwischen den beiden Unternehmen bestehe jedoch nur "eine lose Verbindung", so Schellner. Die "HLB Vorarlberg"-Prüferin des ORF-Jahresabschlusses ist auch an der "HLB Intercontrol" beteiligt.
Überhaupt sei der ORF-Jahresabschluss bereits am 30. April von der "HLB Vorarlberg" bestätigt worden. "Da war es noch kein Thema, dass ich in den Stiftungsrat kommen könnte", so Schellner. Zudem ende das Prüfungsmandat der "HLB Vorarlberg" bereits. Nächstes Jahr werde eine neue Wirtschaftsprüfungskanzlei von der KommAustria mit der Prüfung des ORF beauftragt.
Stiftungsratsvorsitzender Heinz Lederer stellte sich hinter Schellner. Eine klare Mehrheit des Gremiums habe keine Unvereinbarkeit ausmachen können. Einer Klarstellung der KommAustria sehe man "gelassen" entgegen.
Stiftungsrat Thomas Prantner forderte indes eine Strukturreform in der ORF-Zentrale in Wien. Dort habe sich die Anzahl der Führungsfunktionen in den vergangenen Jahren massiv erhöht. ORF-Chef Weißmann stellte sich dem entgegen: "Das ist so nicht der Fall. Wir blähen die Struktur nicht auf, ganz genau das Gegenteil ist der Fall. Der ORF spart", sagte er.
ESC mit Israel - aber ohne Irland?
Der Streit um den ESC-Teilnehmer Israel spitzt sich abseits davon zu: Vor dem Eurovision Song Contest (ESC) 2026 in Wien hat jetzt der Fernsehsender RTÉ öffentlich mit Boykott gedroht. Bei einer Teilnahme Israels am ESC will Irlands Rundfunk auf den Startplatz beim Musikwettbewerb verzichten. Das teilte der öffentlich-rechtliche Sender RTÉ in einer Stellungnahme mit. Hintergrund ist der Gaza-Krieg.
"RTÉ ist der Ansicht, dass eine Teilnahme Irlands angesichts des anhaltenden und entsetzlichen Verlusts von Menschenleben im Gazastreifen unvertretbar wäre", heißt es darin. Das Kürzel RTÉ steht für Raidió Teilifís Éireann. Diese konkrete Ankündigung aus Irland geht über die deutliche Kritik mehrerer ESC-Teilnehmerländer und ihrer Sender hinaus, unter ihnen Spanien, Belgien und Slowenien.
Eine endgültige Absage aus Dublin gebe es allerdings erst, wenn die European Broadcasting Union (EBU) final entscheide, Israel teilnehmen zu lassen. Die öffentlich-rechtliche Anstalt sei zutiefst besorgt über die "gezielten Tötungen von Journalisten in Gaza, die Verweigerung des Zugangs für internationale Reporter zu dem Gebiet sowie über die Notlage der verbleibenden Geiseln".
Spanien will ESC ohne Israel
Irland hat den ESC bereits siebenmal gewonnen und steht damit gemeinsam mit Schweden an der Spitze der Länder mit den meisten ESC-Siegen. Am Mittwoch forderte etwa auch die spanische Regierung erneut den Ausschluss Israels. Sollte dies nicht geschehen, müsse Spanien gegebenenfalls ebenso über einen Rückzug nachdenken, sagte Kulturminister Ernest Urtasun im Interview des staatlichen TV-Senders RTVE.
(APA/Red)