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Donau-Auen füllen sich wieder mit Leben

Donau-Auen: Verdorrte Lebensadern füllen sich wieder mit Leben
Donau-Auen: Verdorrte Lebensadern füllen sich wieder mit Leben ©APA
Nur wenige Meter von dem massiven Damm entfernt, der die Donau für das Kraftwerk Gabcikovo in einen Kanal zwängt, fällt der neue Zufluss kaum auf. Dennoch sind die Naturschützer stolz auf die Wiederbelebung eines lange ausgetrockneten Altarms.
Zauberhafte Donau-Auen
Umstrittene Nordost-Umfahrung

In vielen Schutzgebieten an der Donau versucht man mit der Öffnung von Seitenarmen wieder Leben in die verdorrten Lebensadern der Auen zu bringen. Die vor allem im 19. Jahrhundert vorgenommenen Flussregulierungen entlang der Donau haben bis heute anhaltende massive Auswirkungen auf das Flussökosystem. Es kam zu einem starken Rückgang von Auwäldern und damit von Lebensräumen zahlreicher Pflanzen und Tiere.

Noch radikaler waren die Einschnitte im 20. Jahrhundert durch den Bau von Wasserkraftwerken. Die Folge: Die natürlichen Abläufe und Funktionen des Flusses wurden weitgehend zerstört und “die Dynamik einer natürlichen Landschaft in einen regulierten Mehrzweck-Wasserkörper verwandelt”, heißt es in einem Bericht von “Danubeparks”, einem vom österreichischen Nationalpark Donau-Auen geleiteten Netzwerk von 15 Schutzgebieten in neun der zehn Donau-Anrainerländer.

Katastrophale ökologische Schäden

Wie katastrophal die ökologischen Schäden etwa durch Kraftwerksbauten sein können, zeigt sich ober- und unterhalb des 1992 in Betrieb genommenen slowakischen Kraftwerks Gabcikovo. Durchschnittlich 2.000 Kubikmeter pro Sekunde betrug vor dessen Bau der Wasserdurchfluss der Donau, die in diesem Gebiet von einem großen Auwald mit zahlreichen Altarmen umrahmt war. Mittlerweile werden 80 Prozent des Wassers in einen künstlichen Kanal umgeleitet, ins alte Donaubett kommen nur mehr 400 Kubikmeter pro Sekunde. Die Folge: Der Wasserspiegel im alten Donaubett sank um bis zu vier Meter. Viele Altarme werden deshalb nicht mehr mit Wasser gespeist, Überflutungen bleiben aus. Von den Kraftwerksbetreibern gab es zwar verschiedene Maßnahmen zur Anbindung von Altarmen – ihre Wirkung blieb aber zweifelhaft.

So gab es vor dem eingangs erwähnten neuen Zufluss nur ein Rohr, das zu hoch eingesetzt und zu klein dimensioniert war, erklärte Tomas Kusik, Chef des Regionalen Naturschutzverbands Bratislava (BROZ), vor internationalen Journalisten bei einem von “Danubeparks” organisierten Lokalaugenschein. Auf Betreiben von BROZ wurde das Rohr durch einen oberirdischen Zufluss ersetzt, ein 1,5 Kilometer langer, seit Jahren wegen des Planungsfehlers völlig ausgetrockneter Altarm wird damit seit rund einem Jahr wieder mit Wasser versorgt.

Wasserspielen der “alten” Donau angeben

Die Auswirkungen von Gabcikovo waren rasch zu sehen. Zahlreiche Altarme und mit ihnen ganze Auwaldgebiete trockneten innerhalb weniger Jahre aus, Lebensraum zahlreicher autypischer Tiere und Pflanzen ging verloren. Das passierte auch im Szigetköz, dem Augebiet auf der ungarischen Donauseite von Gabcikovo, dessen Name “Region der Inseln” bedeutet.

Um den Wasserspiegel der “alten” Donau in dieser Region anzuheben und damit deren Seitenarme wieder mit Wasser zu versorgen, wurden Mitte der 1990er Jahre Unterwasserwehre errichtet. Zusätzlich wurde das Gebiet mit quer zur Fließrichtung verlaufenden Wehr- und Schleusensystemen durchzogen. “Viele Altarme und Seen sind jetzt mit sauberem Wasser gefüllt, wie die Leute es haben wollen, aber es gibt keine Dynamik mehr im System”, so Attila Fersch vom Nationalpark Fertö-Hansag, der das Schutzgebiet an der Donau mitbetreut. Zumindest im oberen Szigetköz konnte so ein Teil des Wasser gehalten werden, wovon auch der lokale Tourismus profitiert. Im unteren Szigetköz sei es dagegen völlig trocken, sagte Fersch. Pläne, auch dort die Lebensadern der Au wieder mit Wasser zu füllen, gebe es, umgesetzt sind sie noch nicht.

Bau von Gabcikovo

Doch all diese Eingriffe blieben nicht folgenlos. Und selbst wenn es gelang, wieder Wasser in ein Gebiet zu bringen, kann sich die Natur massiv verändert haben, verweist Fersch auf den rund 100 Hektar großen See Lipoti-Morotva bei Lipot.

Dieser war vor dem Bau von Gabcikovo ein ausschließlich durch Grundwasser gespeister Moorsee. Nachdem er drei Jahre lang völlig ausgetrocknet war, wurde ein oberirdischer Zufluss gebaut. “Nun sieht der See aus wie zuvor, ist aber kein Moorsee mehr, sondern Marschland”, sagte Fersch. Entsprechend hat sich die Artenzusammensetzung geändert, für das Moor typische Arten verschwanden, wie etwa der Ungarische Hundsfisch (Umbra krameri).

Neuer Lebensraum für bedrohte Arten

Auch im Nationalpark Donau-Auen setzt man schon länger auf die gestalterische Kraft des fließenden Wassers. Bereits 2003 wurde in Schönau (NÖ) die Uferbefestigung der Donau so weit abgesenkt, dass an etwa 300 Tagen im Jahr wieder Wasser aus der Donau in die Au strömen kann – mit zahlreichen positiven Folgen. So erhöhte sich durch die stetige Wasserbewegung die Seitenerosion und mehrere Meter hohe Abrisskanten entstanden, wo Eisvögel ihre Bruthöhlen graben können. Zudem lagern sich neue Schotterinseln ab – Lebensraum für bedrohte Arten, etwa für kiesbrütende Vögel wie den Flussregenpfeifer oder die bedrohte Schwarzpappel.

Wie notwendig solche Maßnahmen sind, zeigt ein von “Danubeparks” durchgeführtes Monitoring der Brutpaare des Flussregenpfeifers entlang der gesamten Donau: Am Oberlauf gibt es durch die zahlreichen Kraftwerke kaum noch Dynamik im Flusssystem, Schotterflächen für die Brut der Vögel fehlen daher. Dagegen finden sich flussabwärts von Wien, wo es nur noch wenige Kraftwerke gibt, praktisch entlang der gesamten Donau zahlreiche solcher Lebensräume und damit auch Brutpaare.

Danubeparks soll Dynamik ins Wasser bringen

Für Magdalena Wagner von “Danubeparks” geht es bei der Öffnung der Seitenarme vor allem darum “Dynamik und Wasser ins System zu bringen”. Ziel sei es, unterschiedliche Lebensräume und Gewässertypen zu schaffen. Der Vorteil sind auch zusätzliche Retentionsflächen, “das ist ökologischer Hochwasserschutz”. Ähnliche Effekte erhofft man sich auch beim Johler Arm bei Hainburg, der weitgehend verlandet war und im März wieder an die Donau angebunden wurde. Dies erfolgte im Rahmen des “Naturversuch Bad Deutsch-Altenburg”, in dem gemeinsam mit der Wasserstraßengesellschaft “via donau” nicht nur gegen die Eintiefung der Donau vorgegangen werden soll, sondern u.a. auch Maßnahmen zum Uferrückbau gesetzt werden.

Dazu zählt die Entfernung der aus Steinblöcken bestehenden Ufersicherung. Bereits 2005/06 hat man diese Befestigung gegenüber der Stadt Hainburg auf einer Länge von fast drei Kilometern entfernt, wodurch die Donau in diesem Bereich rund 30 bis 40 Meter breiter geworden ist und neue Lebensräume wie Schotterflächen und Abrisskanten entstanden. Dass Nationalpark und Wasserstraßengesellschaft hier Hand in Hand arbeiten, ist nicht selbstverständlich. Eine Umfrage von “Danubeparks” zeigte, dass die meisten Schutzgebiete entlang der Donau nicht in die Planungen von großen Wassertransport-Projekten involviert werden.

Widersprechende Interesse der Verantwortlichen

Auch so große Eingriffe wie der Uferrückbau im Nationalpark Donau-Auen sind nicht überall möglich. BROZ etwa wurde in der Slowakei erlaubt, gerade einmal 50 Meter Blockwurf zu entfernen. Dafür arbeitet die Naturschutzorganisation derzeit auf der Donauinsel Velkolelsky ostrov bei Velky Lel daran, jenen in den 1980er Jahren abgesperrten rund fünf Kilometer langen Altarm wieder an die Donau anzubinden, der das Gebiet erst zu einer Insel macht. Verbunden damit ist auch die Wiedereinführung einer traditionellen Wiesenbewirtschaftung durch Beweidung mit Kühen, Schafen, Ziegen und Pferden auf der Insel sowie ein Tourismusprojekt mit Campingplatz, Reiten und Ökozentrum.

Das Problem einander widersprechender Interessen kennen auch die Verantwortlichen des ungarischen Nationalparks Dona-Ipoly auf der 55 Quadratkilometer großen Donauinsel Szentedre nördlich von Budapest. Auch dort würde man gerne Seitenarme wieder öffnen, doch Eingriffe sind nur schwer möglich. Denn rund 700 Grundwasserquellen auf der Insel liefern täglich 450.000 Kubikmeter Wasser und damit rund 70 Prozent des Trinkwasserbedarfs der ungarischen Hauptstadt – entsprechend zurückhaltend agiert der größte Grundbesitzer, das Budapester Wassermanagement.

Mensch hat Lebensraum erobert

Auch wenn der große Seitenarm der Donau, der Szentedre zur Insel macht, wohl auch aus Gründen der Sicherung der Grundwasserreserven weiterhin offen und durchströmt ist, gibt es von den ursprünglichen Auwäldern auf der Insel nur noch Reste. Bei Kanutouren, die der Nationalpark seit einigen Jahren anbietet, bekommt man zumindest bei Abstechern in noch bestehende kleine Seitenarme eine Ahnung von der ehemaligen Wildnis.

Der Mensch als Tourist hat sich den Lebensraum erobert, statt Schotterflächen für Flussregenpfeifer gibt es Strände für Sonnenhungrige, Motorboote bringen auf ihre Weise “Dynamik” ins System.

(APA)

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