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Dem Essen mehr Wert geben

Spitzenkoch und Unternehmer Dietmar Hagen und Bürgermeister Kurt Fischer freuen sich über die neue Esskultur Lustenau.
Spitzenkoch und Unternehmer Dietmar Hagen und Bürgermeister Kurt Fischer freuen sich über die neue Esskultur Lustenau. ©Miro Kutmanovic
Interview mit dem Spitzenkoch Dietmar Hagen und Bürgermeister Kurt Fischer.
Lustenau geht neue Wege in der gemeinschaftlichen Esskultur

Lustenau Der Lustenauer Dietmar Hagen ist Spitzenkoch und führt in Hannover ein Unternehmen mit 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Mit seinem Konzept der Mehr-Wert-Ernährung revolutioniert er die Gemeinschaftsgastronomie. Er ist die federführende Kraft hinter der Esskultur Lustenau. Dietmar Hagen und Bürgermeister Kurt Fischer über die Verantwortung für Generationen, Genuss aus der Großküche und den sozialen Charakter der Gemeinschaftsverpflegung.

Dietmar, du bist die kulinarische Seele der Esskultur Lustenau. Musstest du lange dazu überredet werden?

Dietmar Hagen: Ich bin ja ein Lustenauer Heimatgewächs und fühle ich mich dem Ort auch nach 25 Jahren in Deutschland noch immer sehr verbunden. Daher war es für mich eine Ehre, dass ich gefragt wurde, Esskultur gemeinsam mit der Gemeinde zu entwickeln. Dass Lustenau die Verpflegung von Kindern und älteren Menschen gestaltend in die Hände nimmt, ist vorbildlich. Eine solche Hinwendung zum Thema Essen wie hier kenne ich von keiner anderen Kommune.

Wenn Essen nur satt machen würde, bräuchten wir nicht weiterzureden. Wir fangen aber erst an: Was steckt hinter der Esskultur Lustenau?

Dietmar Hagen: Esskultur Lustenau ist ein Bewusstseinsprozess, der dem Essen wieder mehr Wert gibt. Das beginnt beim Saatgut und den lokalen und regionalen Partnerschaften über die kochhandwerkliche Kompetenz bis zum Genusserlebnis beim Gast. Schon das bewährte Küchenteam im Schützengarten hat auf Regionalität gesetzt. Wir erweitern die Kompetenz, indem wir verstärkt auf die Vollwerternährung schauen, auf die frische und werterhaltende Zubereitung der Lebensmittel und ein differenziertes, saisonales Speisenangebot.

Lustenau nimmt mit Esskultur eine Vorreiterrolle im Land ein. Was hat die Gemeinde zu diesem Schritt bewegt?

Kurt Fischer: Wir haben als Gemeinde eine große Verantwortung für alle Generationen. Wenn wir wollen, dass Kinder chancenreich aufwachsen und unsere Seniorinnen und Senioren gut alt werden können, dann müssen wir auch die Bedingungen dafür schaffen. Seit vielen Jahren gibt es ein wachsendes Bedürfnis nach gemeinschaftlicher Verpflegung. Auch der Umstand, dass die Kinder von unterschiedlichen Essensanbietern versorgt wurden, erforderte Handlungsbedarf. Die Zusammenarbeit mit Dietmar Hagen, der in der Gemeinschaftsverpflegung seit Jahren erfolgreich ist, war ein Glücksfall und inspirierend. Gemeinsam haben wir aus der Vision von einer neuen Esskultur ein konkretes Projekt entwickelt, das breit getragen ist, auch politisch. Wir gehen mit großer Freude an die Umsetzung, wissend, dass dieser Weg kein leichter ist.

Was wäre ein leichter Weg?

Kurt Fischer: Es wäre leichter, einen Essensanbieter zu beauftragen und sich nicht selber um den Wert des Essens für das Gemeinwohl zu kümmern. Dafür ist Essen aber ein zu wichtiger Teil unseres gemeinschaftlichen Lebens. Bei Kindern hat die Esskultur auch einen pädagogischen Aspekt, nämlich, dass sie die zukünftigen Köchinnen und Köche in der Familie sind und die zukünftigen Einkäuferinnen und Einkäufer.

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Wir wollen dazu beitragen, dass Kinder chancenreich aufwachsen und Seniorinnen und Senioren gut alt werden.

Kurt Fischer
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Die Kinder nennen euer Team in der Gemeinschaftsküche im Schützengarten liebevoll den „Kinderkoch“. Wie sind die Reaktionen auf die neue Esskultur?

Dietmar Hagen: Ja, es gibt sehr viel positive Resonanz. Wir haben aber auch zurückgespielt bekommen, dass sich manche Kinder zum Beispiel lieber Fischstäbchen wünschen, statt frischem Fisch. Ein paniertes Pressfleisch kann aber unsere Qualitätskriterien niemals erfüllen. Daher versuchen wir, die wertvollen Zutaten in die Lieblingsspeisen der Kinder zu verpacken und so den Geschmackssinn der Kinder zu wecken. Wir können nicht immer jeden Geschmack treffen, aber wir kochen täglich aufs Neue mit viel Hingabe und Freude.

Das macht Appetit auf mehr. Wie könnte die Esskultur in ein paar Jahren aussehen?

Dietmar Hagen und Kurt Fischer: Derzeit bereiten wir täglich rund 500 Essen zu, mit dem Bau der neuen Großküche am Campus Rotkreuz können wir die Kapazität um weitere 800 Essen erweitern. Das sehen wir als große Chance, denn Esskultur hat eine Strahlkraft weit über die Küche hinaus. Es geht weiter über die Pädagoginnen und Pädagogen, die Pflegerinnen und Pfleger, die Eltern, die mit dazu beitragen, ein neues Bewusstsein für den Wert des Essens zu schaffen. Insofern kann ein solcher Wandel weiterwirken und ausstrahlen und im Idealfall die Menschen ein Leben lang begleiten.

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