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Coronakrise wird laut Experten Hauptthema der Wien-Wahl sein

Die Coronakrise könnte vor allem für die Wiener SPÖ zum Problem werden.
Die Coronakrise könnte vor allem für die Wiener SPÖ zum Problem werden. ©APA/HANS PUNZ
Dass die Corona-Zahlen in Wien zuletzt stark angestiegen sind, könnte sich laut Experten auch auf das Ergebnis der Wien-Wahl auswirken, vor allem für die SPÖ.
Aktuelle Umfrage zur Wien-Wahl
Verschiebung der Wahl ausgeschlossen
Wahlkarten werden versendet

Die Coronakrise ist nach Ansicht von Politologen und Meinungsforschern das bestimmende Thema der Wien-Wahl am 11. Oktober. Die zuletzt stark steigenden Fallzahlen in der Bundeshauptstadt könnten noch etwas Einfluss auf das mögliche Ergebnis haben, sagte etwa der Polit-Berater Thomas Hofer zur APA. Vor allem für die SPÖ sei das Virus ein "kritisches Momentum".

Experten: Umfragewerte werden stabil bleiben, aber Druck auf Wien

Grundsätzlich sind sich die Experten einig, dass an den in den Umfragen abzulesenden Platzierungen kaum mehr zu rütteln sein wird. Die SPÖ liegt stabil auf Platz Eins, eine jüngste Unique Research-Umfrage für ATV/"heute" vom vergangenen Wochenende ergab 41 Prozent für die Sozialdemokraten. Die ÖVP kann demnach mit starken Gewinnen und rund 20 Prozent rechnen, die Grünen würden mit 15 Prozent ebenfalls zulegen. Ein Absturz von 30,8 auf rund 9 Prozent droht der FPÖ. Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache muss mit seiner neuen Liste (mit Werten um die fünf Prozent) um den Einzug in den Gemeinderat zittern. Die NEOS sind mit rund sieben Prozent auf der sicheren Seite, sie halten laut Umfragen ihre Werte aus 2015 bzw. könnten etwas zulegen.

An diesen Abständen wird sich laut einhelliger Meinung Hofers sowie der Meinungsforscher Peter Hajek (Public Opinion Strategies und Wolfgang Bachmayer (OGM) nicht mehr allzu viel ändern. Dass der Fokus nun wieder klar auf der Coronakrise liegt, könnte aber möglicherweise noch kleinere Verschiebungen bringen. "Da ändert sich schon etwas. Das ist nicht nur Druck auf die Bundesregierung, sondern natürlich gerade in Wien. Weil es da die meisten Fallzahlen gibt", sagte Hofer zur APA. Auch durch die Reisewarnungen für Wien aus dem Ausland erhöhe sich dieser Druck.

SPÖ Wien habe außer Coronavirus nichts zu fürchten

Insbesondere die Wiener SPÖ mit Gesundheitsstadtrat Peter Hacker sei nun gefordert: "Da ist jetzt schon Feuer am Dach, dass in Wien nicht der Eindruck entsteht, dass das vielleicht doch nicht so gut gemanagt ist." Auch Bachmayer sagte dazu, Hacker laufe Gefahr, "dass er den schwarzen Peter zugespielt bekommt".

"Grundsätzlich ist es so, dass die SPÖ Wien außer das Coronavirus nichts zu fürchten hat", betonte Hajek. Die Coronakrise sei aber nicht nur für die SPÖ ein Problem, sondern auch für ÖVP und Grüne. Denn für das Nicht-Funktionieren der Corona-Ampel werde die türkis-grüne Bundesregierung verantwortlich gemacht. Die Auswirkungen seien schwer abzuschätzen. So könne es bei Kritik an der SPÖ auch zu "Solidarisierungseffekten" kommen und der Partei sogar nützen, so Hajek. Freilich schätzt er die Risiken bei diesem Thema für die SPÖ höher ein als die Chancen durch einen Solidarisierungs-Effekt.

Auffallend sei auch, dass nun die Kritik an der rot-grün-geführten Wiener Stadtregierung durch die ÖVP wieder aufflammt, sagte Hofer - den Sommer über habe sich die ÖVP diesbezüglich zurückgehalten, wohl angesichts der guten Persönlichkeitswerte von SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig. "Jetzt aber ist der Anlass da." Gleichzeitig müsse die ÖVP "aufpassen", weil auch die Kritik am Corona-Management der türkis-grünen Bundesregierung zunehme. "Da sitzt man schon im selben Boot."

Verhalten am Wahlsonntag wegen Virus nicht absehbar

Für ein wesentliches Element in der Wien-Wahl 2020 hält Bachmayer die Frage der Wahlbeteiligung und die der Verwendung der Wahlkarten. Denn aufgrund der Coronakrise sei es nicht abschätzbar, wie sich die Wähler am Wahlsonntag verhalten werden. Bachmayer verwies im APA-Gespräch darauf, dass ÖVP, Grüne und NEOS bei den Wahlkartenwählern bisher meist besser als in der Urnenwahl abschnitten, SPÖ und FPÖ meist schlechter. "Wenn die SPÖ Schaden nehmen könnte, dann über die Wahlkarten", denn es sei ja aufgrund der Corona-Epidemie mit einer steigenden Wahlkarten-Verwendung zu rechnen. Gleichzeitig könnten viele ältere Wähler zuhause bleiben - und die SPÖ hat einen hohen Anteil an älteren Stammwählern. Denkbar sei aber auch, dass viele Ältere wegen der Epidemie verstärkt Wahlkarten nutzen - und somit das SPÖ-Ergebnis bei diesen besser als gewohnt ausfällt.

Sollten sich die Fallzahlen drastisch erhöhen, so weist Hofer auf ein weiteres potenzielles Szenario hin: Für ihn ist es nicht ganz ausgeschlossen, dass dann eine Diskussion darüber entstehen könnte, ob man die Wahl überhaupt abhalten kann: "Sollte man das verschieben oder nicht?" Bachmayer hält Derartiges zwar für "äußerst unwahrscheinlich", wollte es im APA-Gespräch aber auch nicht völlig ausschließen.

Flüchtlinge aus Moria Thema für Grüne, Wiener FPÖ mit "Holzhammer"

Eine Rolle für die Grünen spielt bei der Wien-Wahl laut Hofer auch das Thema der Aufnahme oder Nicht-Aufnahme der Flüchtlinge im abgebrannten griechischen Flüchtlingslager Moria. Hier würden die Stadt-Grünen versuchen, die "unmenschliche ÖVP" zu thematisieren.

Die Frage sei aber, wie groß der Frust bei den Grün-Wählern darüber ist, "dass sich die Grünen im Bund in diesen wesentlichen Parteithemen nicht durchsetzen können und das (das ÖVP-Nein zur Flüchtlings-Aufnahme, Anm.) mittragen müssen". Laut Hajek könnte dieses Thema den Grünen aber auch nützen: Denn die harte Haltung der ÖVP biete Hebein die Möglichkeit, ihre Positionierungen auszuspielen. "Sie kann deswegen jetzt anriffiger gegen die ÖVP sein."

Gleichzeitig würden die Wiener Grünen versuchen, das laut Hofer "eher unrealistische" "Rennen um Platz 2" gegen die ÖVP zu thematisieren. Hier gehe es darum, Wähler, die zwischen Rot und Grün schwanken, für sich zu gewinnen. Die Grüne Message laute, dass die SPÖ Platz 1 ohnehin schon sicher innehat. Jetzt aber gehe es darum: "Wer wird Zweiter und verhindert die eiskalte ÖVP", so die grüne Botschaft.

Die nach dem Ibiza- und Spesen-Skandal am Boden liegende FPÖ wiederum versuche es in Wien "mit dem Holzhammer", sagte Hofer mit Blick auf die Wahlplakate von FPÖ-Spitzenkandidat Dominik Nepp. Damit würden "massiv Feindbilder befördert" - Stichwort Sozialbetrug aus dem Ausland und Kritik am politischen Islam. "Das ist die Megakeule, der Versuch, das blaue Kernthema wieder groß zu machen."

Und eben wegen der FPÖ habe die ÖVP in der Flüchtlingsfrage in Moria auch einen derart harten Standpunkt, sagte Hofer. Für die FPÖ wiederum gehe es aber gar nicht in erster Linie um das Wahlergebnis. Das erste Ziel der Blauen sei es nämlich, ihren Ex-Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache mit seiner neuen Liste aus dem Wiener Landtag draußen zu halten. "Das ist auch der Grund, warum die FPÖ Schmutz aus der Vergangenheit hervorholt." Erst an zweiter Stelle stehe für die FPÖ die Frage, ob man die Zehn-Prozent-Marke schafft oder doch in die Einstelligkeit abrutscht.

Wien-Wahl wird für Strache zur "zentralen Überlebensfrage"

Für Strache wiederum sei die Wien-Wahl "die zentrale Überlebensfrage", so Hofer. Laut Einschätzung Hajeks werden die jüngsten Berichte über die Ermittlungen gegen den Ex-Vizekanzler samt Kontoöffnung kaum Auswirkungen auf dessen potenzielle Wählerschaft haben. Denn bis klar sei, "was da gelaufen ist oder nicht, ist die Wahl vorbei". Auch werde sich bei den Wählergruppen von FPÖ und Strache nichts mehr bewegen, denn beide seien ohnehin schon auf die "absolute Kernwählerschaft" zurückgefallen.

Die NEOS könnten laut Hofer durch die harte Positionierung der ÖVP beim Thema Moria möglicherweise ein wenig Stimmen von der Volkspartei abziehen. Thematisch würden die Pinken derzeit kaum durchkommen, denn weder "Sauberkeit in der Politik" noch die Bildung seien zentrale Themen in diesem Wahlkampf.

Die kleineren Parteien werden laut den Experten kaum eine Rolle spielen. Insgesamt rechnet Hajek hier mit rund drei Prozent Wählerstimmen, die Hälfte davon könnte auf die Bierpartei entfallen, so der Meinungsforscher.

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(APA/Red)

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