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Corona-Mutation: Prüfung von 70 Verdachtsfällen

Die Corona-Mutation breitet sich in Europa bereits rasch aus.
Die Corona-Mutation breitet sich in Europa bereits rasch aus. ©pixabay.com (Sujet)
Laut Gesundheitsminister Rudolf Anschober werden 70 Verdachtsfälle auf die in Großbritannien entdeckte Coronavirus-Mutation B.1.1.7. in Österreich geprüft.
Verdacht auf Mutation in Wiener Seniorenheim
Offenbar B117-Fälle in Tirol

"Es handelt sich um ein dynamisches Geschehen", hieß es aus dem Gesundheitsministerium. Im Zuge dessen wurden acht weitere Proben zur Sequenzierung zur Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) gebracht. Ob es Kontaktpersonen der bereits bekannten Fälle waren oder nicht, war nicht bekannt.

Wie Anschober in Beantwortung einer Dringlichen Anfrage der SPÖ im Nationalrats sagte, werden alleine diese Woche 1.800 Sequenzierungen vorbereitet, um Viren auf Mutationen zu überprüfen. Angesichts der besonders ansteckenden neuen Variante des Virus erwartet er nun die "schwierigste Phase der Pandemie". Bei der britischen Mutation kämen auf zehn Infizierte 15 neue Ansteckungen, betonte Anschober. "So ist Irland erklärbar, so sind die alarmierenden Zahlen in der Slowakei erklärbar", sagte Anschober mit Verweis auf die dort stark steigenden Infektionszahlen. Er nannte im Ö1-Morgenjournal eine partielle Pflicht zur FFP2-Maske im Kontext mit den Mutationen "eine Denkvariante". Die Frage sei, wo die Erweiterung gelten soll und welche Kapazitäten zur Verfügung stünden. In Bayern wurde das Tragen einer solchen Maske im öffentlichen Nahverkehr und im Einzelhandel Pflicht.

"Wenn wir nicht jetzt Maßnahmen erfreigen, haben wir im März die Katastrophe"

Der Bundesrettungskommandant des Roten Kreuzes, Gerry Foitik, plädierte klar für das Tragen einer FFP2-Maske statt eines einfachen Mund-Nasen-Schutzes. Er warnte davor, dass sich die Fälle bei der B.1.1.7. jede Woche verdoppeln könne. "Wenn wir nicht jetzt Maßnahmen ergreifen, haben wir im März die Katastrophe", sagte er.

42 Verdachtsfälle in Wiener Pflegeheim entdeckt

Alleine 42 Verdachtsfälle wurden laut Mitteilung vom Dienstag in einem Wiener Pflegeheim entdeckt. Auch im Burgenland gab es drei Verdachtsfälle. Ein erneutes und intensiviertes Contact Tracing im Umfeld der drei Verdachtsfälle läuft noch, teilte der Koordinationsstab Coronavirus am Mittwoch auf APA-Anfrage mit. Vorerst gebe es keine Hinweise auf weitere Betroffene. Wo sich die drei Personen angesteckt haben, sei unklar. "Sie kennen sich nicht", sagte eine Sprecherin des Koordinationsstabs. Zwei Betroffene seien im Südburgenland zu Hause, allerdings nicht in der Nähe voneinander. Die dritte Person lebe im Nordburgenland.

In Tirol sind 17 Verdachtsfälle registriert, wobei es sich um großteils britische Staatsbürger handelt, die einen Skiausbildungskurs absolviert hatten. Wo genau sich die Gruppe angesteckt hat, war vorerst weiter unklar und Gegenstand von Untersuchungen. Parallel zur Überprüfung der Tests durch die AGES werde derzeit das routinemäßige Contact-Tracing mit Unterstützung der Exekutive durchgeführt, sagte der Leiter des Corona-Einsatzstabes des Landes, Elmar Rizzoli. Unter welchem Titel die britischen Staatsbürger eine Skilehrerausbildung absolvierten und ob sie sich wirklich gesetzes- und lockdown-konform in Tirol aufhielten, wird noch geklärt.

Coronavirus-Mutation breitet sich aus

Nach dem Bekanntwerden der Tiroler Mutationsfälle wurden Tests in der Gemeinde durchgeführt. Mit Stand Mittwochmittag waren alle 191 Coronatests negativ, so Rizzoli. Die möglicherweise von der Virus-Mutation Betroffenen seien zumindest noch bis Mittwochabend in Quarantäne, berichtete indes der Jochberger Bürgermeister Günter Resch (FPÖ). Über eine mögliche Verlängerung sei er bisher nicht informiert worden. Die rege Testbereitschaft im Ort stimme ihn jedenfalls positiv.

Auswirkungen hatte der Mutationscluster in Tirol auch auf den Sport. Die am Wochenende am Programm stehenden alpinen Ski-Weltcup-Rennen in Kitzbühel wurden abgesagt, gab Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) bekannt.

Forscher suchen mit Wiener Testmethode auch nach Mutationen

Eine von Wiener Wissenschaftern entwickelte Methode zum Aufspüren des SARS-CoV-2-Virus auf Basis moderner Genanalyse-Technologien soll nun auch dabei helfen, die Verbreitung neuer Virusvarianten, wie der britischen B.1.1.7-Variante helfen. Das Interesse an der Hochdurchsatz-Sequenzierung zur Suche nach Mutationen sei gestiegen, erklärte Johannes Zuber vom Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) und der "Vienna COVID-19 Diagnostics Initiative" (VCDI) am Mittwoch.

Mittels "Next Generation Sequencing" (NGS) lassen sich große Mengen an Erbgutinformation in relativ kurzer Zeit analysieren. Ein Team um Forscher vom Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und vom IMP hat diese Technologie bis zum Herbst derart weiterentwickelt, dass damit bis zu 36.000 Proben, etwa von Covid-19-Verdachtsfällen, pro Durchlauf in rund 24 Stunden analysiert werden können. Die entsprechende Logistik bei der Probenentnahme und -anlieferung vorausgesetzt, ist die am Wiener BioCenter bereits seit Monaten zum Screening der dort rund 1.500 Mitarbeiter erfolgreich eingesetzte "SARSeq"-Methode etwa für ein kontinuierliches Monitoring von Gesundheits- oder Bildungseinrichtungen geeignet.

Es handle sich hier aber auch um die "mit Abstand beste Methode, um Mutationen zu untersuchen", sagte Zuber im Rahmen eines Online-Vortrages des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF), der u.a. auch die Entwicklung unterstützt hat. Denn das Verfahren erkennt nicht nur, ob SARS-CoV-2-Viren in der Probe sind, es sammelt auch Informationen über die konkrete Erbinformation des Erregers in der spezifischen Probe.

Diese Technologie soll jetzt dementsprechend auch breiter eingesetzt werden. Vor allem gebe es hier "großes Interesse aus China", so Zuber, aber auch österreichische Forschungseinrichtungen und Behörden würden angesichts der neuen Virusvarianten stärker das Potenzial de Technologie erkennen. "Das wird jetzt auch genutzt werden", zeigte sich der Forscher überzeugt. Aufgrund der bereits in Österreich getätigten Entwicklungsarbeit sei man manchen Nachbarländern hier teils "um Längen voraus".

Mit dem gesamten Bündel an Testmethoden auf das Coronavirus, das jetzt verfügbar ist, sei man quasi "am Ende angelangt", sagte Zuber: "Worum es jetzt eigentlich geht, ist das Potenzial von Molekularbiologie in die Entscheiderköpfe hineinzubekommen. Die hängen immer noch an Kriterien, die aus der medizinischen Diagnostik kommen." Die neuen Möglichkeiten hätten aber vor allem großes Potenzial, um breite Screenings durchzuführen und vor allem infektiöse Virenträger gezielt zu finden. Gelingen solche Monitorings mit gegenüber Antigen-Tests weit aufschlussreicheren Verfahren nicht, bleibe zu befürchten, dass es weiter kaum Alternativen zu Lockdowns gibt. Gespräche dazu würden sich aber nicht immer einfach gestalten, so der Wissenschafter: "Es sollen endlich die Köpfe aufgehen für das, was eigentlich möglich wäre."

(APA/Red)

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