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Corona-Medikamente werden kaum verschrieben

Bisher wurde nur ein Fünftel an Corona-Medikamenten verschrieben.
Bisher wurde nur ein Fünftel an Corona-Medikamenten verschrieben. ©REUTERS (Symbolbild)
In Österreich sind mittlerweile zwei antivirale Corona-Medikamente für die Einnahme zu Hause zugelassen. Doch diese werden jedoch kaum an Patienten verschrieben.

Die Herbst-Corona-Welle in Österreich nimmt weiter an Fahrt auf, am Dienstag lag die Sieben-Tage-Inzidenz bereits bei 952,6.
Doch es wurden bisher nur ein Fünftel der vorhandenen Medikamente gegen Corona auch verschrieben.

47 Prozent wissen nicht, dass es Corona-Medikamente gibt

47 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher wissen nicht, dass es Medikamente zur Verhinderung eines schweren Corona-Verlaufs gibt. Die Bevölkerung ist sich zudem "unsicher bei der Einschätzung der Risikogruppen", berichtete der Lungenfacharzt Arschang Valipour am Mittwoch. Mit einer Kampagne rät der Selbsthilfeverein Lungenunion nun nach einem positiven Test zum sofortigen Anruf bei Arzt oder Ärztin. Außerhalb Wiens gibt es weiter Aufholbedarf bei der Verschreibung.

Umfrage zu Corona-Risikofaktoren und Medikamenten

Das Institut MindTake hatte im August eine Umfrage im Auftrag der Lungenunion zu Corona-Risikofaktoren und Medikamenten durchgeführt. Nur knapp elf Prozent der 827 Befragten ab 30 Jahren haben ein höheres Alter als Risiko für einen schweren Verlauf angeben, berichtete Valipour bei einer Pressekonferenz in Wien. "Das ist einer der wichtigsten Risikofaktoren", betonte der an der Wiener Klinik Floridsdorf tätige Mediziner.

Corona-Risikofaktoren oft unterschätzt

Auch Krebserkrankungen, Asthma bronchiale und Autoimmunerkrankungen werden laut der Umfrage als Einflussgröße für schwere Corona-Erkrankungen unterschätzt. Es gebe weiters mit u.a. Übergewicht, Bluthochdruck, chronischen Lungenerkrankungen, Diabetes oder Rauchen "eine nicht unbeträchtliche Zahl an Betroffenen" in Covid-Risikogruppen, erläuterte Valipour. Die aktuell milderen Verläufe sind nicht nur der Omikron-Variante geschuldet, sondern auch der Corona-Impfung, betonte Valipour. Er habe aber bei seinen vor wenigen Tagen erstmals positiv getesteten Eltern ebenfalls mit medikamentösen Covid-19-Therapien begonnen, obwohl sie vier Mal geimpft sind, betonte der Facharzt.

Thalhammer: "Corona-Impfung ist das erste Bollwerk"

"Die Impfung ist das erste Bollwerk", berichtete auch der Infektiologe Florian Thalhammer. Zusätzlich zeigen die Corona-Medikamente "eine deutliche Reduktion der Sterblichkeit", allerdings je früher eingenommen, desto besser. Die Kapsel Lagevrio (Wirkstoff: Molnupiravir) und die Paxlovid-Tabletten (Wirkstoffe: Nirmatrelvir/Ritonavir) seien zwar beide mit Einschränkungen einsetzbar, aber beide rezeptierbar, gut wirksam und "hervorragend verträglich", versicherte der Präsident der Gesellschaft für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin (ÖGIT).

Ein knappes Fünftel an Corona-Medikamenten wurde verschrieben

Laut "Ö1" wurden bisher rund 240.000 Therapiezyklen der beiden oralen Corona-Arzneimittel "Paxlovid" und "Lagevrio" nach Österreich geliefert und nur ein knappes Fünftel davon auch an Patienten verschrieben - vorrangig in Wien und Niederösterreich. Katharina Reich, Chief Medical Officer im Gesundheitsministerium, bestätigte, dass es "Luft nach oben" gebe und "weitere Aufklärungsarbeit betrieben werden" müsse. "Es scheint nimmer noch Informationsdefizite zu geben", meinte die Vorsitzende der Taskforce GECKO und der Corona-Kommission. Man arbeite jedenfalls eng mit Apotheker- und Ärztekammer zusammen.

Kampagne für Corona-Medikamente

Die Kampagne "Covid-19 positiv: Nicht warten, Anruf schnell starten!" für mehr Aufmerksamkeit auf die antiviralen Corona-Medikamente läuft bis März 2023, berichtete Lungenunion-Sprecherin Gundula Koblmiller. Die Sujets sind auf Straßenbahnen in Wien, Bussen in den Bundesländern und in Printmedien zu sehen, außerdem werden Informationsfolder in Arztpraxen aufgelegt. Die Mediziner Valipour und Thalhammer rieten weiterhin zur dreiteiligen Grundimmunisierung der Schutzimpfung und der Auffrischung danach.

Corona-Medikamente werden in Tablettenform verabreicht

Die beiden Corona-Medikamente werden in Tablettenform verabreicht und können über den Hausarzt an Risikopatientinnen und -patienten abgegeben werden. Sie verhindern, dass sich das Coronavirus stark im Körper vermehrt und müssen möglichst zu Beginn der Infektion eingenommen werden. Werden sie rasch nach einem positiven Test eingenommen, senken sie das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs um bis zu 90 Prozent. Vor allem für Risikogruppen stellen diese Medikamente einen zusätzlichen Schutz vor einem schweren Krankheitsverlauf mit Covid-19 und einem Krankenhausaufenthalt dar.

Positiver Corona-Test: Anruf beim Hausarzt genügt

Nach einem positiven Antigen- oder PCR-Test bei Corona genügt also häufig ein Anruf beim Hausarzt. Die Medikamente können dann direkt in der Apotheke abgeholt werden. In Wien kontaktiert der Wiener Gesundheitsdienst (MA 15) proaktiv Risikogruppen, dabei werden auch Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten abgeklärt und im Fall einer Verschreibung der Corona-Arzneimittel diese per Fahrradboten direkt den Patienten geliefert. Bei der Omikron-Variante sind die Symptome "nicht mehr so stark ausgeprägt", sagte Arschang Valipour, Leiter der Abteilung für Innere Medizin und Pneumologie an der Klinik Floridsdorf und Leiter des Karl Landsteiner Instituts für Lungenforschung und pneumologische Onkologie im "Ö1"-Interview. Das sei jedoch ein Trugschluss, dass Verläufe nicht so schwer sind. Es wäre es "trotzdem wichtig, dass gerade Risikopersonen diese Medikamente verwenden". Erst kürzlich hätten die Eltern des Mediziners nach positiven Corona-Tests die Medikamente genommen. Die "Verträglichkeit und Sicherheit ist gegeben und auch ein guter Schutz", sagte Valipour.

Corona-Herbst-Welle schlägt sich in Spitälern nieder

Die derzeitige Corona-Herbst-Welle schlägt sich immer mehr in den heimischen Spitälern nieder. Am Dienstag mussten insgesamt 1.863 Infizierte in österreichischen Spitälern behandelt werden, um 166 mehr als am Montag. Das war der höchste Wert seit einem halben Jahr. Laut der aktuellen Corona-Prognose "ist von einem weiteren deutlichen Anstieg im Normalpflegebelag auszugehen". Bei knapp der Hälfte der Infizierten ist der primäre Hospitalisierungsgrund Covid-19. Doch in beiden Fällen - ob als Zufallsbefund oder Ursache - ist eine "intensivierte Betreuung erforderlich", betonte Valipour. Die Krankenhäuser verzeichnen zudem Corona-bedingte Personalausfälle und "sind wieder stärker belastet als in Zeiten, wenn die Infektionszahlen geringer sind", konstatierte der Mediziner.

Rauch schloss Wiedereinführung der Maskenpflicht aus

Eine Wiedereinführung der Maskenpflicht schloss Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) derzeit jedoch dezidiert aus. Dazu werde es erst kommen, wenn die Situation in den Krankenhäusern "eskaliert, bedrohlich wird, ein Notstand eintritt", sagte er am Mittwochabend im "ZiB2"-Interview. "Abgesehen davon, wie egal #LongCovid und andere Langzeitfolgen sind - unfassbar, wie wenig es die Verantwortlichen berührt, dass #MedizinBrennt", twitterte der Internist Wolfgang Hagen von der Klinik Hietzing zur Aussage des amtierenden Gesundheitsministers nach zweieinhalb Jahren Pandemie. Mehrere Experten hatten sich angesichts der hohen Infektionszahlen bereits wieder für die Maskenpflicht ausgesprochen. "Wie lange noch zuschauen, wie #Covid durch die Decke geht? Der Winter ist noch lang, und in den Spitälern wird es eng mit sinkendem Personal und steigendem Belag", twitterte beispielsweise Thomas Czypionka von der Abteilung Health Economics and Health Policy des Instituts für Höhere Studien (IHS).

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(APA/Red)

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