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Corona-Krise lockt verstärkt Rassisten hervor

Viele Rassisten tummeln sich auf Facebook und Co.
Viele Rassisten tummeln sich auf Facebook und Co. ©APA/HELMUT FOHRINGER
Der Wiener Verein ZARA dokumentierte 93 rassistische Diskriminierungen mit Corona-Bezug während der Ausgangsbeschränkung. Während sich die Kommentare zuerst gegen Asiaten richteten, standen später wieder Muslime im Fokus.
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"Virenschleuder": Nepp legt nach

Rassistische Hetze im Internet wird durch die Corona-Krise verstärkt. Die Beratungsstelle ZARA dokumentierte im Zeitraum von 16. März bis 30. April insgesamt 93 rassistische Diskriminierungen mit Corona-Bezug. 87 Prozent der Fälle wurden online beobachtet. Insgesamt wurden ZARA im Jahr 2019 1.950 Rassismus-Fälle gemeldet. Die Beratungsstelle fordert mehr rechtliche Handhabe gegen Hass im Netz.

Vor Beginn der Ausgangsbeschränkungen am 16. März richteten sich rassistische Beschimpfungen mit Corona-Bezug noch an Personen, denen eine chinesische oder asiatische Herkunft zugeschrieben wurde. In der darauffolgenden Zeit bis 30. April waren Geflüchtete und Muslime die Hauptbetroffenen. "Es werden immer wieder die gleichen Feindbilder instrumentalisiert, um ganz bewusst Hass zu schüren", sagte eine der beiden ZARA-Geschäftsführerinnen, Caroline Kerschbaumer, in einer Pressekonferenz am Mittwoch.

Idealer Nährboden für Verschwörungstheorien

Ein Fall, der ZARA gemeldet wurde, betraf etwa eine Frau, die von einem Mitarbeiter eines Schuhgeschäftes befragt wurde, ob er ihr helfen könne. Daraufhin mischte sich ein anderer Mitarbeiter ein und sagte: "Die brauchst du nicht bedienen, die haben eh alle Corona." Im Internet werde den Betroffenen häufig vorgeworfen, sich nicht an die Ausgangsbeschränkungen zu halten, berichtete Kerschbaumer. Zudem werde argumentiert, dass bestimmte Gruppen den Virus bewusst einsetzten, um mehr Macht zu bekommen. Die große Unsicherheit sei "ein idealer Nährboden für Fake News und Verschwörungstheorien", so die ZARA-Geschäftsführerin.

Kerschbaumer kritisierte in diesem Zusammenhang eine Aussendung des Wiener FPÖ-Chefs Dominik Nepp am Dienstag. Darin erklärte Nepp, dass die steigenden Coronavirus-Zahlen ausschließlich auf "Asylanten" zurückzuführen seien und man deswegen von einem "Asylantenvirus" sprechen könne. "Wir dürfen nicht hinnehmen, wenn die Corona-Krise genutzt wird, um populistische Politik zu betreiben", reagierte die SPÖ-Nationalratsabgeordnete Sabine Schatz in einer Aussendung am Mittwoch.

Knapp 2.000 Rassismus-Fälle im letzten Jahr

"Das Coronavirus ist tatsächlich bedrohlich, aber ich bin zuversichtlich, dass wir es bald überwunden haben. Beim Rassismus bin ich weniger optimistisch", sagte die Leiterin der ZARA-Beratungsstellen, Dilber Dikme. Der ZARA Rassismus Report 2019, der im Rahmen der Pressekonferenz präsentiert wurde, weist 1.950 gemeldete Fälle aus. Damit wurde der Rekord von 1.920 Meldungen aus 2018 noch einmal übertroffen. "Diese Zahl ist nicht repräsentativ und kann lediglich als Spitze des Eisbergs herangezogen werden", sagte Dikme. Nur ein Bruchteil von Rassismus-Fällen werde gemeldet. Eine gesteigerte Zahl an Meldungen müsse nicht einer allgemeinen Zunahme von Rassismus entsprechen, sondern könne auch ein gesteigertes Maß an Zivilcourage bedeuten.

Etwas mehr als die Hälfte aller gemeldeten Fälle 2019 (1.070) wurden im Internet beobachtet. Von den Meldungen im Netz kam wiederum mehr als die Hälfte (542) von Facebook-Nutzern. Nur 35 Prozent der 1.070 Beobachtungen konnten strafrechtlich verfolgt werden. Vor allem bei Privatnachrichten gebe es oft keine rechtliche Handhabe. Daher fordert ZARA, dass die Menschenwürde als Rechtsgut gesetzlich abgesichert wird. Das einmalige Online-Stellen von Nacktfotos ohne den Willen des oder der Abgebildeten solle ein eindeutiger Straftatbestand werden. Zudem müsse die Verjährung von Medieninhaltsdelikten von einem auf drei Jahre steigen, wenn es nach ZARA geht.

ZARA-Geschäftsführerin Barbara Liegl begrüßte in diesem Zusammenhang den von der Bundesregierung angekündigten Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus und Diskriminierung. Sie appellierte an die Verantwortlichen, sich dafür die Forderungen von ZARA anzusehen. SP-Abgeordnete Schatz appellierte, dass "nicht nur die Opposition, sondern insbesondere auch die ExpertInnen aus der Sozialen Arbeit, den NGOs und der Wissenschaft in die Erstellung des Aktionsplanes einbezogen werden."

20 Jahre Alltagsrassismus dokumentiert

Der Rassismus Report 2019 ist bereits die 20. Ausgabe seit Gründung des Vereins 1999. Insgesamt dokumentierte ZARA in dieser Zeit 18.090 Fälle rassistischer Diskriminierung. Ein Drittel der Fälle wurde von den Betroffen selbst gemeldet. Zwei Drittel der Meldungen kamen von Zeugen. Die gemeldeten Fälle betreffen nicht nur das Internet, sondern auch Diskriminierung im öffentlichen Raum, im Zusammenhang mit Arbeit und Wohnen oder mit der Polizei.

Justizministerin Alma Zadic (Grüne) appellierte im Zusammenhang mit dem Rassismus Report, "sich nicht an Alltagsrassismus zu gewöhnen!" Rassistische Diskriminierung sei vielfältiger und durch das Entstehen von sozialen Netzwerken niederschwelliger und perfider geworden. "Wir sind also aufgerufen umso stärker dagegenzuhalten", sagte sie in einer Aussendung. Das Justizministerium arbeite "intensiv an rechtlichen Möglichkeiten, Hassposter rascher zu fassen und Betroffenen schneller zu ihrem Recht zu verhelfen."

(APA/red)

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