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Anti-Corona-Maßnahmen-"Spaziergänger" in Wien zunehmend aggressiv - Polizei griff ein

Die Anti-Corona-Maßnahmen-"Spaziergänger" in Wien verhielten sich zunehmend aggressiv.
Die Anti-Corona-Maßnahmen-"Spaziergänger" in Wien verhielten sich zunehmend aggressiv. ©APA
Zwar sind die geplanten Großdemos der Coronavirus-Maßnahmen-Gegner in Wien untersagt, versammelt haben sich Sonntagmittag dennoch einige hundert Menschen beim Maria Theresien Platz - für einen "Spaziergang" über den Ring. Da erneut zahlreiche Corona-Maßnahmen nicht eingehalten wurden und die Stimmung zunehmend aggressiv wurde - die "Spaziergänger" stürmten den Ring - verlangte die Polizei die Auflösung binnen 15 Minuten. Als dies nicht der Fall war, sondern der Zug sich in Bewegung setzte, sperrte die Polizei die Routen.
Angespannte Situation in der Wiener Innenstadt
"Spaziergänger" und Pseudo-Christen erwartet

Aggressiv war die Stimmung am Nachmittag in Wien bei dem Corona-"Spaziergang", der statt der abgesagten Großdemo stattgefunden hatte. Nachdem die mehrere hundert "Spaziergänger" - darunter wieder Vertreter des rechtens Randes, Hooligans und sogenannte Querdenker - der Aufforderung zur Auflösung nicht folgten, sondern sich in Bewegung setzten, sperrte die Polizei ihre Routen. Zum "Spaziergang" gekommen waren u.a. auch Identitäre rund um Martin Sellner oder der Neonazis Gottfried Küssel samt Mitstreitern; das oberösterreichische Busunternehmen, das schon vor zwei Wochen mit Demo-Fahrten geworben hatte, hatte auch diesmal wieder Teilnehmer nach Wien gebracht. Die Polizei führte zahlreiche Teilnehmer aus der rund 5.000 Menschen großen Menge ab.

Sonntagmittag hatten sich beim Maria Theresien Platz Menschen für einen "Spaziergang" über den Ring gesammelt. Da weder Masken getragen noch Abstände eingehalten wurden und die Stimmung zunehmend aggressiv wurde - die "Spaziergänger" stürmten den für Autos zunächst nicht gesperrten Ring - verlangte die Polizei die Auflösung binnen 15 Minuten. Daraufhin wollte sich der Zug Richtung Parlament in Bewegung setzen. Aber die zahlreich anwesende Polizei - verstärkt mit Hunden - sperrte die Route ab, ebenso die Route Richtung Oper, die die Menge dann nehmen wollte.

Viele Festnahmen und zahlreiche Anzeigen

Die Polizei nahm die Identitäten der Teilnehmer auf. Es gab viele Festnahmen und zahlreiche Anzeigen. Parallel dazu zogen einige weitere Züge - teils mit, teils ohne Polizeibegleitung - durch die Stadt.

Laut und teilweise in aggressiver Stimmung bewegte sich ein großer Zug Richtung Schwedenplatz - angeführt von Parolen schreienden Hooligans und mit Vertretern des rechten Randes, der Identitären, und sogenannten "Querdenkern" in den Reihen. Eine Handvoll linker Gegendemonstranten räumte nach Aufforderung der Polizei das Feld.

Ein zweiter Demonstranten-Zug wanderte erst neben dem Kunsthistorischen Museum im Kreis und dann die Zweier-Linie und den Ring entlang - friedlich und immer schneller. Denn die begleitende Polizei steigerte nach und nach das Marschtempo.

Start: Corona-Demo mit hervorgestrichenem Religionsbezug in Wien

Begonnen hatte das Kundgebungsgeschehen klein, friedlich und mit hervorgestrichenem Religionsbezug. Bei einer angemeldeten Versammlung hatten sich im Wiener Volksgarten - unter weitgehender Einhaltung von Abstands- und Maskenregeln - rund 40 Menschen eingefunden. Die Erzdiözese Wien hatte im Vorfeld vor als "christliche Prozession" getarnten Demos gewarnt und solchen "Missbrauch von Religion und Religionsfreiheit" abgelehnt.

APA

Die Volksgarten-Spaziergänger gruppierten sich denn auch locker um ein Plakat mit der Aufschrift "Österreich ist frei - Jesus ist König". Peter Steinbacher, der Gründer von "Hallelujah TV" - das sich in den Sozialen Netzen gegen Corona-Maßnahmen stark macht - lud nach kurzer Ansprache alle ein, am Mikro über Jesus zu reden und für das Land zu beten.

"Eine Demo wird auch durch religiöse Staffage nicht zu einer Prozession, sondern bleibt eine Demo. Katholiken sollten bei diesem Etikettenschwindel nicht mitmachen", hatte der Sprecher der Erzdiözese Wien, Michael Prüller, Sonntagfrüh via Kathpress gewarnt - angesichts von Aufrufen im Internet für pseudoreligiöse Veranstaltungen im Umfeld von behördlich nicht genehmigten Demos.

Stellungnahmen zu Protesten in der Wiener Innenstadt

Der Appell von FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl, der zuvor via Facebook zur Besonnenheit aufgerufen und die Polizei als "Freund" gelobt hatte, hatte offensichtlich nicht bei allen Teilnehmern gefruchtet. Am Sonntag gab Kickl, gemeinsam mit Parteichef Norbert Hofer, in einer Aussendung Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) "und Co." die Schuld: Sie hätten "mögliche Eskalationen" mit der Untersagung der Demos "mutwillig und aus rein parteipolitischen Gründen geradezu provoziert".

Die Landespolizeidirektion wies den Vorwurf Kickls zurück. Man habe die Großversammlungen "aus rein sachlichen Gründen" abgesagt - weil laut Expertisen die Gefahr der erhöhten Übertragung der neuen Virusvarianten bei Massendemos ohne Einhaltung von Abstands- und Maskenpflicht bestehe. "Parteipolitische Überlegungen haben dabei keinen Platz zu finden", wurde betont. Wegen der epidemiologischen Gegebenheiten habe man auch die Auflösung der unangemeldeten Demo am Ring verfügt - und habe sich danach um ein "gewaltfreies Auseinandergehen" bemüht.

ÖVP-Klubobmann August Wöginger nahm dies zum Anlass für scharfe Kritik - er sprach in einer Aussendung von einem "neuen Tiefpunkt" in Kickls "Verbrüderung mit Rechtsextremen und Corona-Leugnern". Der FPÖ-Klubobmann habe sich "öffentlich hinter den bekannten Neonazi Gottfried Küssel und den Chef der Identitären Bewegung, Martin Sellner" gestellt, die "rechte Szene mobilisiert, Ausschreitungen in Kauf genommen" und damit bewusst Polizisten in Gefahr gebracht. Den Vorwurf, der Innenminister habe eine Weisung auf Absage der Demo getätigt, wies er zurück. Diese Entscheidung hätten die Sicherheitsbehörden gemeinsam mit den Gesundheitsbehörden getroffen.

Corona-Demo am Abend noch immer im Gange, Zehn Festnahmen

Bei der von der Polizei im Vorfeld verbotenen Corona-Demo in Wien sind zum derzeitigen Punkt zehn Personen festgenommen und vier Polizisten verletzt worden. Das teilte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) in einer Zwischenbilanz Sonntagabend mit. Er verteidigte die umstrittene Untersagung fast alle Corona-Demos am Wochenende in Wien und gab seinem Vorgänger Herbert Kickl und dessen Partei FPÖ die Schuld an den heutigen Vorkommnissen.

Die Versammlung mit mehrere tausend Menschen war Sonntagabend noch immer im Gange, wie Nehammer sagte. Er bezeichnete es als "völlig absurd, dass ausgerechnet ein ehemaliger Innenminister Öl ins Feuer gießt und unheilige Allianzen mit Rechtsradikalen schmiedet", sagte Nehammer, führte aber gleichzeitig aus, dass die Masse der Versammlung sehr heterogen gewesen sei und Familien mit Kindern neben Rechtsradikalen marschiert seien. Empört zeigte er sich über die zehn verletzten Polizisten von denen einer ins Spital behandelt werden musste. Verantwortlich dafür sei FPÖ, die viel Stimmungsmache betrieben und damit die Gesundheit von Polizisten gefährdet habe, sagte Nehammer.

Nach Informationen der APA ist einer der Festgenommenen der Rädelsführer der Corona-Skeptiker Martin Rutter, der früher bei mehreren Parteien (Grüne, FPÖ und BZÖ) aktiv war. Zahlreiche Anzeigen betrafen Verstöße gegen die Covid-19-Maßnahmen. Mehrere Personen wurden aber auch wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt festgenommen.

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(APA/Red.)

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