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Blümel zum EU-Vertrag: Österreich im Prinzip zu Kommissarverzicht bereit

Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) sprach über den Verzicht auf einen eigenen EU-Kommissar
Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) sprach über den Verzicht auf einen eigenen EU-Kommissar ©APA/HANS PUNZ
Nachdem Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) eine EU-Vertragsänderung forderte, ist Österreich im Prinzip zu einem Verzicht auf einen eigenen EU-Kommissar bereit. EU-Minister Gernot Blümel (ÖVP) sagte am Montag im Ö1-Morgenjournal: "Ganz prinzipiell" werde "es wohl jedes Land irgendwann mal treffen", wenn der Vorschlag von Kurz nach einer Verkleinerung der EU-Kommission umgesetzt werde.
Kurz will Vertrag "updaten"
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Österreich sei dann auch zu einem Verzicht bereit. “Das liegt in der Natur der Sache, wenn man eine Verkleinerung der Kommission vorschlägt.”

Blümel: “Wahlkampfgetöse von Regierungslinie unterscheiden”

Zur Warnungen der FPÖ vor einem neuen EU-Vertrag sagte Blümel: “Man muss Wahlkampfgetöse von der gemeinsamen Linie der Bundesregierung unterscheiden.” FPÖ-Spitzenkandidat Harald Vilimsky hatte in Replik auf Kurz gewarnt, ein neuer EU-Vertrag könnte “die Aufhebung des Einstimmigkeitsprinzips und noch mehr EU-Zentralismus bedeuten”. Die bei der EU-Wahl an zweiter Stelle der ÖVP-Liste kandidierende Staatssekretärin Karoline Edtstadler hatte Vilimsky daraufhin “Retro-Politik” vorgeworfen.

Reaktion auf Vorwurf der Grünen

Angesprochen auf den Vorwurf der Grünen, dass sich Österreich während seiner EU-Ratspräsidentschaft nicht um eine Reform der EU gekümmert habe, antwortete Blümel, dass es bei einer Ratspräsidentschaft darum gegangen sei, ein “ehrlicher Makler” zu sein. Beim informellen EU-Gipfel am Donnerstag in Sibiu (Hermannstadt) wiederum gehe es darum, in welche Richtung sich die EU weiterentwickeln solle. Dort werde Kurz seine Vorschläge vorbringen, hieß es aus dem Bundeskanzleramt.

Schieder: Kurz-Vorschläge “alte Kalauer”

Der SPÖ-Spitzenkandidat für die Europawahl, Andreas Schieder, hat die Forderung von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nach einem neuen EU-Vertrag als “Aufkochen von alten Kalauern” bezeichnet. Wäre es Kurz damit ernst, hätte er die Vorschläge im Rahmen der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft im Vorjahr einbringen können, meinte Schieder am Montag vor Journalisten in Wien.

Der SPÖ-Politiker unterstützt zwar selbst einige dieser “altbekannten” Forderungen, etwa die Verkleinerung der EU-Kommission, schnellere Entscheidungen oder einen einzigen Sitz für das EU-Parlament. “Das Problem ist aber das, was nicht drinnen steht.” So werde eine Stärkung des Europäischen Parlaments genauso wenig erwähnt, wie eine Sozialunion, der Klimawandel, die Steuerprivilegien der Konzerne oder Mehrheitsentscheidungen in der Europäischen Union. “Das ist net einmal ein guter Gag für den Wahlkampfauftakt.”

Kurz hatte am Samstag eine Neuverhandlung des EU-Vertrags verlangt. “Der Aktuelle ist nicht mehr zeitgemäß”, so der Bundeskanzler beim ÖVP-EU-Wahlkampfauftakt in Wien. Konkret forderte er verschärfte Sanktionsmechanismen und Strafen für Schuldenstaaten, für Länder, die illegale Migranten nicht registrieren und durchwinken, sowie bei Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit. Die EU solle sich künftig verstärkt auf große Fragen wie die Außen- und Sicherheitspolitik fokussieren, so Kurz. Er sprach sich außerdem für einen Sitz des EU-Parlaments sowie eine kleinere EU-Kommission aus.

Experten uneinig zu Vorstoß von Kurz zu EU-Vertrag

Experten zeigen sich uneinig über den jüngste Vorstoß von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zur Neuverhandlung des EU-Vertrags. Für den Europarechtler Hubert Isak sind die Gefahren bei einem Aufschnüren des Lissabonners Regelwerks derzeit größer, als der Gewinn daraus. Sein Kollege Klaus Obwexer sieht hingegen eine Neuverhandlung angesichts aktueller Herausforderungen der EU für “angebracht”.

Kurz hatte am Wochenende einen Vorstoß zur Neuverhandlung des EU-Vertrags gestartet. Konkret forderte er etwa verschärfte Sanktionen für Länder, die Schulden machen, und Strafen für Staaten, “die illegale Migranten nicht registrieren und weiterwinken”. Zudem forderte er eine Schließung von Straßburg als Standort des Europaparlaments und eine Verkleinerung der EU-Kommission.

Isak vom Institut für Europarecht der Universität Graz erklärte am Montag im Ö1-Mittagsjournal, “natürlich kann man einiges verbessern”, allerdings könnte viel durch die richtige Anwendung von geltendem Recht gewonnen werden. Die Verkleinerung der EU-Kommission etwa ist dem Bericht zufolge bereits im Vertrag verankert und müsste nur noch durch die EU-Staaten beschlossen werden.

Die von Kurz vorgeschlagenen Sanktionen seien “sicherlich sinnvoll”, sagte Isak, gab aber gleichzeitig zu bedenken, “wozu die Union tatsächlich ermächtigt ist”. Das sei im Migrationsbereich “durchaus fraglich”. Bemühungen wie das derzeitige Rechtstaatlichkeitsverfahren müssten intensiviert werden, fordert Isak, allerdings sehe man am Beispiel Ungarn und Polen, dass dies an “der politischen Realität scheitern”.

Neuverhandlungen können schwierig werden

Im Gegensatz zu Isak sieht Europarechtsexperte Walter Obwexer ein Aufschnüren des Lissabonner Regelwerks für “angebracht”: Die geltenden EU-Verträge seien 2009 unter anderen Voraussetzungen erarbeitet worden, mit einer Änderung einzelner Punkte wären aktuelle Herausforderungen “besser zu meistern”. Auch er fordert ein verschärftes Sanktionsverfahren bei “Verletzung der grundlegenden Werte der Union”. Zudem sind dem Experten von der Universität Innsbruck zufolge derzeit die Strafmaßnahmen bei einem Verstoß eines EU-Staats gegen die Budgetrichtlinien “zu schwach ausgestaltet”.

Dass die Neuverhandlung schwierig werden könnte, ist sich Obwexer bewusst, gibt sich aber zuversichtlich: “Es ist sicher alles andere als einfach im Hinblick auf die Herausforderungen”, ein Konsens unter den EU-Staaten sollte aber möglich sein, “insbesondere dann, wenn Kompromisse eingegangen werden”.

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(apa/red)

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