Beinamputierte Frau stach Adoptivvater in die Brust: Zwei Jahre teilbedingt

Die Angeklagte wurde um Wiener Straflandesgericht zu zwei Jahren teilbedingter Haft verurteilt. Acht Monate wurden unbedingt ausgesprochen, den Rest sah das Schwurgericht (Vorsitz: Susanne Lehr) der beinamputierten Frau unter Setzung einer dreijährigen Probezeit auf Bewährung nach.
Für Geschworene kein Mordversuch
Zudem wurde Bewährungshilfe angeordnet und der Frau die Weisung erteilt, sich einer Psychotherapie zu unterziehen. Der Schuldspruch wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung – die auf versuchten Mord lautende Anklage wurde von den Geschworenen einstimmig verworfen – ist nicht rechtskräftig. Während Verteidiger Nikolaus Rast auf Rechtsmittel verzichtete, gab Staatsanwalt Stephan Wehrberger vorerst keine Erklärung ab.
Dessen ungeachtet wurde die 33-Jährige noch Dienstagabend enthaftet. Sie war seit mehr als 13 Monaten in U-Haft gesessen und hat damit weit mehr als den unbedingten Strafteil bereits verbüßt.
Schwierige Kindheit der Angeklagten
Der Staatsanwalt hatte der Frau zugestanden, sich “grundsätzlich in einer schwierigen Situation” befunden zu haben. Sie habe “alles andere als eine gute Kindheit gehabt”, negative Gefühle gegen ihren Adoptivvater “liegen auf der Hand”, konzedierte der Ankläger.
Die Frau war bei Adoptiveltern aufgewachsen, weil ihre Mutter nach Ansicht des Jugendamts als Prostituierte und Alkoholikerin der Kindererziehung nicht gewachsen gewesen wäre. Die “Ersatzmutter” soll das Mädchen aber regelmäßig verprügelt und misshandelt haben. “Ich hab’ die ersten elf Jahre meines Lebens in Angst vor ihr verbracht”, schilderte die Angeklagte. Der Adoptivvater – ein Polizist – habe untätig zugeschaut. Zudem soll der Mann das Mädchen missbraucht haben, wozu die 33-Jährige aber dem Gericht nichts Näheres erzählen wollte.
Frau war psychisch krank
Nach dem erfolgreichen Abschluss eines Hochschulstudiums in London und der Rückkehr nach Wien hatten sich bei der Frau psychische Probleme eingestellt. Angeblich soll sie an einem Borderline-Syndrom leiden. Es kam zu mehreren Selbstmordversuchen und damit verbundenen stationären Aufenthalten im Otto-Wagner-Spital (OWS). Beim Versuch, auf einen fahrenden Güterzug aufzuspringen – für die Angeklagte “ein Unfall”, für die behandelnden Ärzte ein weiterer Suizidversuch -, geriet sie unter die Garnitur. Ihr wurden Anfang März 2012 beide Beine in Kniehöhe abgetrennt.
“Er war immer meine Bezugsperson”
Als sie einige Wochen später zu einem Kontrolltermin vom OWS in ein anderes Spital gebracht wurde, wo sie Prothesen erhalten sollte, kehrte die 33-Jährige nicht ins OWS zurück. Sie suchte stattdessen am folgenden Tag ihren Adoptivvater auf, nachdem sie die Nacht mit ihrem Freund und einer alten Schulfreundin verbracht hatte. Wie die Angeklagte nun dem Gericht erklärte, habe sie erhofft, eine Weile bei dem 69-Jährigen leben zu können: “Er war immer meine Bezugsperson. Er war immer der, der da war.”
Sie habe mittelfristig eine Wohnung für sich finden wollen: “Ich hatte das Gefühl, ich kann es vielleicht doch schaffen und ein eigenes Lebens führen ohne Füße. Es war so eine Aufbruchstimmung.”
“Wollte, dass er aufhört mich auszuliefern”
Doch ihr Adoptivvater sei auf ihre Vorstellungen nicht eingegangen, habe ständig mit der Polizei, die die vom OWS als abgängig gemeldete Patientin bereits suchte, und der Rettung telefoniert und sie zu überzeugen versucht, in die Psychiatrie zurückzukehren wäre die einzige vernünftige Lösung. Da habe sie mit dem Rollstuhl ein Obstmesser aus der Küche geholt und zugestochen, “weil ich mir gedacht habe, er kann dann nicht weitertelefonieren”.
Sie habe die Situation nicht mehr ausgehalten: “Ich wollte, dass er aufhört mich auszuliefern.” Sie sei “nur mehr verzweifelt gewesen”, schilderte die 33-Jährige, die während ihrer Einvernahme eine Schaukelpferd-Miniatur aus Holz umklammerte.
Adoptivvater überlebte Stich in Brust
Ein Stich traf den 69-Jährigen in die Brust und eröffnete den Herzbeutel. Ein zweiter ging in die linke Achselfalte. Sie habe “nur in den Oberarm stechen wollen”, beteuerte die Angeklagte. Sie habe “nicht einmal Blut gesehen”. Der Adoptivvater sei vielmehr “aufgestanden und durch die Wohnung gegangen und hat sich auf die Terrasse gesetzt”.
Der pensionierte Polizist, der nur dank einer raschen Notoperation überlebte, entschlug sich im Zeugenstand der Aussage. Dem Vernehmen nach soll er der Tochter die Attacke verziehen haben.
(apa/red)