Alles, was man zum ESC in Basel wissen muss

Am Bildschirm sind es noch viel mehr: Im vergangenen Jahr sahen gut 160 Millionen Menschen am Fernseher zu und weitere rund sieben Millionen auf Social-Media-Kanälen. Was man wissen muss, um bis zum Finale am 17. Mai um 21.00 Uhr in der St. Jakobshalle in Basel mitreden zu können.
Wer ist der umstrittenste Act?
Das ist wie im vergangenen Jahr in Malmö der Auftritt Israels. Wegen des Gazakriegs mit mehr als 50.000 Toten protestieren viele Menschen dagegen, dass Israel teilnimmt. Zuletzt schrieben 70 frühere ESC-Teilnehmer in einem offenen Brief, Russland sei 2022 auch wegen des Überfalls auf die Ukraine ausgeschlossen worden. "Wir akzeptieren diese Doppelmoral gegenüber Israel nicht", schrieben sie. Spaniens Sender RTVE hatte eine Debatte über die Teilnahme Israels gefordert. In Island und Slowenien regte sich auch Kritik. Israel warnte seine Bürger, die nach Basel fahren, vorsichtig zu sein.
Israels Sängerin Yuval Raphael (24) hat die Terroranschläge auf ihr Land am 7. Oktober 2023 überlebt. Sie war mit einer Freundin auf dem Nova-Musikfestival, auf dem Terroristen aus dem Gazastreifen ein Massaker anrichteten. Ihr Song heißt "New Day Will Rise", im Text geht es um Verlust und Hoffnung. Israel hat beim ESC bisher viermal gewonnen. Zuletzt war 2018 Netta und dem Song "Toy" erfolgreich. Israel gehört als Mitglied der Eurovision, dem internationalen Programmaustausch der EBU, zu den Teilnehmerländern. Die EBU richtet den Song Contest aus.
Wer tritt für Österreich an?
Die Opernwelt spricht in den höchsten Tönen von Österreichs heurigem Song-Contest-Kandidaten - und er singt in solchen: Der Countertenor Johannes Pietsch vertritt Österreich unter seinem Künstlernamen JJ beim 69. Eurovision Song Contest von Basel.
Österreich setzt heuer also auf einen echten Pietsch-Boy als Kandidaten, der ungeachtet seiner erst 23 Jahre bereits auf eine große Bühnenerfahrung zurückgreifen und über den Alpenrand hinaus blicken kann. So wurde der österreichisch-philippinische Counter zwar in Wien geboren, wuchs aber bei seiner Familie in Dubai auf, wo er die Deutsche Internationale Schule besuchte und entsprechend fließend Deutsch, Englisch, Tagalog und Französisch spricht.
Als Johannes Pietsch 15 Jahre alt war, zog die Familie zurück nach Wien. Nach dem dortigen Schulabschluss startete der Musiker seine Karriere. Dazu gehörte 2021 die Teilnahme an der ORF-Unterhaltungsshow "Starmania", wo er sich bis in die Finalshow katapultierte. Zugleich lebte Pietsch auch sein zweites Standbein, das des klassischen Counters, weiter aus und besuchte die Opernschule der Wiener Staatsoper.
Mittlerweile reüssiert er hier regelmäßig auf der Bühne des Traditionshauses am Ring. So war er hier in Nebenrollen im "Macbeth", "Billy Budd" oder "Tschick" zu sehen. Er performte bei der Eröffnungsgala zum neuen Standort Nest und stand zuletzt als 1. Knabe in der Premiere der neuen "Zauberflöte" auf den Brettern, die die Welt bedeuten.
Wen schickt Deutschland ins Rennen?
Die deutsche Hoffnung kommt aus Österreich. Bei der Vorentscheidung setzten sich die Geschwister Abor (26) und Tynna (24) aus Wien durch. Die beiden mit Wurzeln in Ungarn und Rumänien heißen mit bürgerlichem Namen Attila (26) und Tünde (24) Bornemisza. Er spielt Cello, sie singt. Eine zündende Fröhlichkeit wie einst Lena beim deutschen Sieg 2010 mit "Satellite" legen die beiden nicht an den Tag, sie sind eher ernst und zurückhaltend.
In ihrem Popsong "Baller" geht um die Wut einer Verlassenen. Textprobe: "Ich baller’ Löcher in die Nacht" und "Ich krieg wieder diesen Drang, ich will den Weltuntergang". Nach Angaben von Google Trends war das Lied in den 30 Tagen bis 6. Mai in allen teilnehmenden Ländern der am zweithäufigsten gesuchte ESC-Beitrag nach "Esa diva" von Melody aus Spanien.
Was macht Schweden zum heißesten Favoriten?
Ganz weit vorn steht Schweden, das mit der finnischen Comedy-Gruppe KAJ antritt. Die feschen Jungs Kevin Holmström, Axel Åhman und Jakob Norrgård frönen mit ihrem Spaßsong "Bara bada bastu" (Einfach in die Sauna gehen) genau dem: dem Saunagang. Sie haben tief in die Trickkiste der Ohrwürmer gegriffen: mit Mitgröl-Parollen wie "Ohhh-ee-oh-ee-oh-ee-ohhh" und "Saunaaaaa", garniert mit lustigen Tanzmoves im Saunahandtuch.

Wettbüros sehen die drei Schweden seit Wochen als Topfavoriten. Auf den Plätzen dahinter liegen Österreich mit dem Countertenor JJ und der Ballade "Wasted Love", eine Mischung aus Pop, Techno und Oper, sowie Louane aus Frankreich, die in "Maman" über ihre gestorbene Mutter singt, und Israel.
Warum Basel?
Weil jeweils das Land den Wettbewerb ausrichten darf, das im Jahr davor gewonnen hat. In Malmö 2024 siegte Nemo aus der Schweiz mit dem Lied "The Code" - und zertrümmerte die Trophäe versehentlich gleich beim Siegeslauf.
Was ist neu beim ESC in diesem Jahr?
Selten war die Stimmung so angespannt wie beim ESC 2024 in Malmö. Draußen gab es wegen des Gazakriegs Demonstrationen gegen die israelische Teilnahme, und auch hinter der Bühne war die Stimmung aufgeheizt, es kam zur Ausgrenzung der israelischen Teilnehmerin. Deshalb gibt es jetzt unter anderem Rückzugsräume für Teilnehmende und Zonen, in denen nicht gefilmt werden darf. Neu ist auch das Reglement für Flaggen und Symbole: auf der Bühne und in offiziellen Bereichen strikter, für das Publikum mit mehr Freiraum.
Auf der Bühne darf jeder nur die Flagge seines Landes zeigen, keine Fahnen etwa, die die LGBTQ+-Community repräsentieren. Im Publikum ist dagegen alles erlaubt, was nach Schweizer Gesetz nicht verboten ist, also auch die palästinensische Flagge. Verboten ist alles, was rassistisch oder diskriminierend ist, Hass oder Gewalt beflügelt oder verbotene terroristische Gruppen betrifft. Pro Person ist eine Fahne im Höchstmaß ein Meter mal 70 Zentimeter erlaubt.
Welche Länder machen mit?
Der Wettbewerb findet zum 69. Mal statt. 37 Acts sind am Start. Sechs sind für das Finale gesetzt: neben dem Titelverteidiger auch Deutschland, Großbritannien, Spanien, Frankreich und Italien. Das sind die fünf größten Beitragszahler der EBU. Die anderen Länder müssen in zwei Halbfinalen um je zehn Plätze kämpfen.
Dass Deutschland mit Österreichern gewinnen will, ist gar nicht so ungewöhnlich. Beim ESC treten auch andere Länder mit Interpreten aus dem Ausland an: Für Schweden sind Finnen am Start, für Irland eine Norwegerin und für San Marino ein Italiener.
Gastgeber Schweiz holte mit einer Ausländerin sogar einen Sieg: die Kanadierin Céline Dion (57) gewann die Trophäe 1988 für die Schweiz. Die Eidgenossen haben 1956, 1988 und 2024 gewonnen. Mit großer Spannung wird erwartet, ob Dion in Basel auftritt: Sie ist sehr krank, und alles hängt bis zur letzten Minute von ihrer Tagesform ab.
Wer zählt zu den ewigen Besten?
Schweden würde mit einem Sieg das achte Mal gewinnen und auf der ewigen ESC-Bestenliste an der Spitze stehen. Noch teilt es sich den Platz mit Irland, das auch siebenmal gewann.
Am entgegengesetzten Ende liegt Norwegen. Das Land steht mit zwölf letzten ESC-Plätzen sogar im Guinnessbuch der Rekorde. Finnland war auch nicht viel besser.
Seit 1957 hat Österreich 52 Mal beim ESC mitgemacht, davon zweimal gewonnen. Fünf Acts landeten dabei auf dem letzten Platz. Udo Jürgens und Conchita Wurst brachten Österreich jeweils den Sieg.
Welche Regeln gelten bei den Auftritten?
Neben dem Flaggen-Reglement gilt unter anderem: Auf der Bühne darf es keine Tiere geben, und pro Act sind höchstens sechs Personen zugelassen. Jeder Beitrag darf höchstens drei Minuten lang sein. Politische Statements und Gesten sowie Werbung oder etwas, das den Wettbewerb in Misskredit bringen kann, sind verboten. Das Mindestalter der Teilnehmenden ist 16.
Und was hat es mit den "Douze Points" auf sich?
Jeder Act kann aus jedem Land maximal 24 Punkte bekommen: Zwölf von einer Fachjury, zwölf durch das Televoting. Daran kann jeder Bewohner eines Landes teilnehmen. Aus Österreich kann man nicht für den österreichischen Beitrag stimmen. Punkte gibt es für die besten zehn Songs. Beim Televoting bekommt der Song, der die meisten Anrufe erhält, zwölf Punkte, der zweite zehn, der dritte acht und ab da geht es in Einer-Schritten weiter.
Wie kann man vom Sofa aus dabei sein?
Alle drei Shows werden in Österreich live im Fernsehen sowie im kostenlosen Livestream übertragen:
- 1. ESC-Halbfinale: 13. Mai 2025, 21 Uhr (live im TV auf ORF1 sowie auf ORF ON und im ORF1-Livestream auf Joyn)
- 2. ESC-Halbfinale: 15. Mai 2025, 21 Uhr (live im TV auf ORF1 sowie auf ORF ON und im ORF1-Livestream auf Joyn)
- ESC-Finale: 17. Mai 2025, 21 Uhr (Fernsehen: ORF1, Das Erste, SRF, ONE / kostenlose Livestreams von ORF, Das Erste und SRF auf Joyn)
(dpa/APA/VOL.AT)