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Alexander Van der Bellen erneut zum Bundespräsidenten gewählt

Alexander Van der Bellen entscheidet auch die Bundespräsidenten-Stichwahlwiederholung für sich.
Alexander Van der Bellen entscheidet auch die Bundespräsidenten-Stichwahlwiederholung für sich. ©APA
Beim ersten Wahlgang erfolgreich und auch bei der Wiederholung der Stichwahl der Bundespräsidentenwahl geht Alexander Van der Bellen als Gewinner hervor.
Die erste Hochrechnung
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Alexander Van der Bellen wird der erste grüne Bundespräsident. Stoppen ließ sich der von einer breiten Phalanx links der FPÖ unterstützte 72-Jährige nicht einmal vom VfGH, der seinen Sieg bei Versuch eins wegen Formalmängeln nicht gelten ließ. Auch bei der Wiederholung der Bundespräsidentenwahl hielt der besonnene Wirtschaftsprofessor seinen freiheitlichen Kontrahenten auf Distanz.

Dass es Van der Bellen noch einmal schaffen würde, lag nicht unbedingt auf der Hand. Denn bei der ersten Stichwahl war der Abstand ausnehmend knapp, zudem hatte das freiheitliche Lager durch den Wahlsieg des populistischen Republikaners Donald Trump in den USA zuletzt ein psychologisches Hoch.

Doch Van der Bellen konnte den internationalen Trend, dass sich der Wähler zunehmend gegen das so genannte Establishment wendet, stoppen. Dafür nahm der für seine Authentizität bekannt gewordene Tiroler durchaus auch eine Image-Korrektur in Kauf.

Langer Wahlkampf für Van der Bellen

Galt Van der Bellen bis vor wenigen Monaten noch als eher wähler-scheu, tourte er nun seit dem Sommer von Volksfest zu Volksfest, legte Tracht an und bemühte sogar Rainhard Fendrichs patriotischen Herzerwärmer “I am from Austria”, um die Österreicher davon zu überzeugen, dass er nicht der finstere Kommunist und Freimaurer ist, vor dem die FPÖ vor allem in der Landbevölkerung gar nicht so uneffektiv warnte. Selbst seine zweite Ehefrau, die leitend im Grünen Parlamentsklub arbeitet, wurde im letzten Moment eingespannt – ungewöhnlich für den zweifachen Vater Van der Bellen, dem ansonsten sein Privatleben heilig ist.

Auch in inhaltlichen Dingen musste Van der Bellen Konzessionen machen. Der Professor, der sonst gerne dem Freihandel das Wort redet, musste sich plötzlich scharf von TTIP distanzieren und fand auch beim EU-Kanada-Abkommen CETA schwer einen glaubwürdigen Kurs.

Man kann davon ausgehen, dass Van der Bellen rasch wieder dem Populismus abschwören wird. Denn der ist seine Sache nicht. Van der Bellen konnte stets auch eigenständige Positionen im grünen Kosmos vertreten, ohne sich allzu sehr um die Konsequenzen zu scheren. Der Basis war er immer zu wirtschaftsliberal, über viele Jahre als Grünen-Chef fuhr er ein alles andere als umweltfreundliches Auto und als seine Partei noch gegen Österreichs EU-Mitgliedschaft agitierte, war er schon glühender Befürworter eines Beitritts.

Daher ist anzunehmen, dass Van der Bellen außenpolitisch der Linie seines Vorgängers Heinz Fischer treu bleiben wird. Der neue Präsident wird sich demnach wohl eher nach Brüssel denn nach den zunehmend nationalistisch geprägten Staaten Osteuropas ausrichten. Gleichzeitig ist Van der Bellen erfahrungsgemäß pragmatisch genug, dass er auch in Ländern, in denen die Demokratie nicht gemäß westlichen Standards oder gleich gar nicht funktioniert, für Österreichs Wirtschaft gegebenenfalls den Türöffner spielen würde.

Der neue Bundespräsident im Proträt

Von seiner Herkunft her ist Van der Bellen international geprägt. Er entstammt einer estnisch-russischen Bildungsbürger-Familie, die vor der Roten Armee über Deutschland nach Österreich flüchtete. Van der Bellen wurde in Wien geboren, wuchs dann im Tiroler Kaunertal auf und absolvierte schließlich die Schullaufbahn in Innsbruck, wo er gemäß einer Familientradition auch ein Wirtschaftsstudium abschloss.

Politisch wurde Van der Bellen, der anfangs ÖVP, lokal aber auch einmal KPÖ wählte, zum Spätzünder. Schon als Professor für Volkswirtschaftslehre lernte ihn der spätere Promi-Grüne Peter Pilz kennen und lockte das frühere SPÖ-Mitglied in seine Partei. Als Kandidat für den Rechnungshof-Präsidenten noch gescheitert, zog Van der Bellen wenig später, konkret 1994 als Abgeordneter in den Nationalrat ein.

Es dauerte nicht lange, bis der fachkundige Professor mit guter Rhetorik, stets verstehen mit einem Schuss Humor, zum Star der Grünen aufstieg. Wiewohl er der Partei in vielem zu liberal und wohl auch zu wenig aufgeregt war, hinderte es die Grünen nicht, ihn 1997 zum Bundessprecher und 1999 zum Klubobmann zu machen.

Über ein Jahrzehnt prägte Van der Bellen die Politik der Grünen. Wahlerfolge folgten, manche größer, manche kleiner. Eine Niederlage gab es für Van der Bellen am Verhandlungstisch, als sich der von ihm durchaus geschätzte Wendekanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) für eine Neuauflage von Schwarz-Blau entschied, statt die Grünen in die Regierung zu holen.

Danach wirkte Van der Bellen deutlich weniger motiviert. Als die Nationalratswahl 2008 nicht so gut lief wie erhofft, übergab er an seine langjährige Kronprinzessin Eva Glawischnig. Er selbst bliebt zunächst im Nationalrat, wurde von den Wienern offenbar gegen seinen Willen mit Vorzugsstimmen in den Landtag gewählt und brauchte ein Jahr, bis er das direkt vergebene Mandat dann doch noch annahm. Keinen allzu schlanken Fuß machte zudem, dass er sich dann auch noch den Posten des Wiener Universitätsbeauftragten umschnallen ließ, der eher für die sprichwörtlichen “weiße Elefanten” gemacht schien.

Heute kann ihm die Kritik daran ebenso egal sein wie der Spott darüber, dass er sich als langjähriger Grünen-Chef als unabhängiger Hofburg-Kandidat zu inszenieren versuchte. Mit seiner Wahl zum Staatsoberhaupt schreibt Van der Bellen nicht nur Grüne Parteigeschichte sondern setzt ein Signal, indem mit ihm der scheinbar unaufhaltsame Vormarsch der FPÖ zumindest am Tor der Hofburg gestoppt wurde.

Seine Nagelprobe könnte freilich bald kommen, sollte nämlich schon nächstes Jahr der Nationalrat neu gewählt worden und Van der Bellen mit einer Mehrheit unter FPÖ-Beteiligung konfrontiert sein. Ob die markigen Ansagen, wonach er einen Kanzler Strache nicht angeloben würde, dann der Realität standhalten, wird interessant zu beobachten sein.

(APA/Red)

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