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"Alarmsignal" und "Zäsur": Internationale Pressestimmen zur NR-Wahl

Bild von der FPÖ-Wahlparty am Tag der Nationalratswahl.
Bild von der FPÖ-Wahlparty am Tag der Nationalratswahl. ©APA/ROLAND SCHLAGER
Die Nationalratswahl am Sonntag in Österreich ist auch im Ausland nicht unbemerkt geblieben. Hier ein Blick auf Pressestimmen.
LIVE-Ticker zur Wahl
Erste Hochrechnung
Welche Koalitionen möglich?
Erste Reaktionen der Parteien
AfD-Gratulation für FPÖ

Das Abschneiden der FPÖ bei der Nationalratswahl auf Platz eins beherrscht auch international die Schlagzeilen.

"Frankfurter Allgemeine Zeitung":

"So symbolträchtig die Frage ist, ob ÖVP oder FPÖ als stärkste Kraft in den Wiener Nationalrat einzieht - Österreichs grundsätzliches Problem war offenkundig, lange bevor am Sonntagabend die ersten Zahlen veröffentlicht wurden: Die sehr weit rechts stehende FPÖ ist in der Zweiten Republik längst zu einer zentralen Kraft aufgestiegen, die die Politik des Landes prägt und die anderen Parteien vor sich hertreiben kann. Und das, obwohl (oder vielleicht gerade weil) sie sich unter Herbert Kickl immer weiter radikalisierte und nicht mehr nur die altbekannten fremdenfeindlichen Bilder bediente, sondern mit übelsten Beschimpfungen über politische Gegner herzog und keinen Hehl aus ihrer Nähe zu Rechtsextremen machte. In Österreich ist längst bittere Realität, was Deutschland nach den letzten Landtagswahlen von Osten her überkommt. (...)"

"Frankfurter Rundschau":

"Es ist mehr als ein ernüchterndes Zeichen, das Deutschland aus Österreich erhält. Es ist ein Alarmsignal. Denn selbst wenn die Rechtspopulisten der FPÖ es nicht ins Wiener Kanzleramt schaffen sollten, weil eine Regierungsbildung auch ohne sie möglich ist, so hat die Partei doch in kürzester Zeit einen triumphalen Wiederaufstieg und ein beachtliches Ergebnis geschafft. Und das, nachdem vor wenigen Jahren ein Korruptionsskandal der ganzen Welt ihren wahren Charakter vor Augen geführt hatte - und ihr neuer Chef sie seitdem weiter ins Rechtsextreme radikalisiert hat. Das Wahlergebnis sollte vor allem denen in Deutschland eine Warnung sein, die auf eine Einhegung und Verbürgerlichung der hiesigen Rechtspopulisten von der AfD hoffen - etwa durch deren Aussicht auf Regierungsbeteiligung. Vielmehr zeigt sich in Österreich erneut, was zuvor schon hierzulande und nicht zuletzt in den USA aufgefallen war: Skandale, Misserfolge und Fehlverhalten schaden Populisten nicht."

"Neue Zürcher Zeitung" (online):

"Erstmals erreichen die rechtspopulistischen Freiheitlichen bei einer Nationalratswahl den ersten Platz. Ihr Chef Herbert Kickl kann damit Anspruch auf das Kanzleramt erheben. Seine Chancen darauf sind dennoch gering (...)

Für Österreich ist das eine Zäsur, auch weil der FPÖ-Chef Herbert Kickl damit einen legitimen Anspruch auf das Kanzleramt stellen kann. Das Resultat entspricht zwar den Erwartungen: Die Freiheitlichen führten bereits seit Anfang 2023 sämtliche Umfragen an. Dennoch wird es dem Land in den kommenden Wochen intensive Debatten bescheren."

"Politico" (online):

"Die rechtsextreme Freiheitliche Partei Österreichs hat am Sonntag den ersten Hochrechnungen zufolge den Wahlsieg errungen. Dies ist das erste Mal seit dem Zweiten Weltkrieg, dass eine Partei mit faschistischen Tendenzen eine nationale Wahl in dem Alpenstaat gewonnen hat.

Die Freiheitliche Partei, die in den 1950er-Jahren von einer Gruppe von Nazi-Veteranen gegründet wurde, lag mit 29,1 Prozent der Stimmen vor der Mitte-Rechts-Partei ÖVP, die derzeit eine Koalitionsregierung führt. (...)

Ein Sieg der Partei würde, wenn die Prognosen zutreffen, den Putin-freundlichen europäischen Block in Mitteleuropa erweitern."

"Kölner Stadt-Anzeiger":

"Das Wahlergebnis sollte vor allem denen in Deutschland eine Warnung sein, die auf eine Einhegung der hiesigen Rechtspopulisten von der AfD hoffen - etwa durch Regierungsbeteiligung. Denn in Österreich zeigt sich, was zuvor hierzulande und nicht zuletzt in den USA auffiel: Skandale und Fehlverhalten schaden Populisten nicht.

Der Erfolg der FPÖ ist dafür ein Beweis wie aus dem Lehrbuch: Nur fünf Jahre ist es her, dass die Rechtspopulisten eine Regierungskrise auslösten, als ein Video zeigte, wie ihr damaliger Chef Heinz-Christian Strache halb Österreich an russische Oligarchen verschachert hätte, wenn die zu seinen Gunsten die Presselandschaft manipulieren würden. Was in einer gesunden Demokratie den Untergang einer Partei ausgelöst hätte, reichte in Österreich nur für das Ende ihrer Regierungsbeteiligung und einen Wechsel an der Spitze."

"Corriere della Sera" (Rom):

"Zum ersten Mal seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat sich in Österreich eine rechtsextreme Partei durchgesetzt. Die populistische und nationalistische Welle, die 2024 bereits Frankreich, die Niederlande und andere europäische Länder erfasst hat, schwappt nun auch nach Wien über. Doch die FPÖ wird keine Verbündete für ihre Regierung finden".

"Augsburger Allgemeine":

"Deutlicher kann eine Klatsche kaum ausfallen. Weit über 15 Prozentpunkte hat die schwarz-grüne Koalition in Österreich verloren - die politischen Folgen aber dürften trotzdem von überschaubarer Brisanz sein. (...) Die FPÖ mit dem Provokateur Herbert Kickl an der Spitze hat unbestreitbar einen großen Sieg eingefahren, indem sie vor allem die Migration zum Thema gemacht hat. (...) Sein Triumph ist auch eine Warnung an die anderen Parteien in Österreich: Vor den Polarisierern von rechts schützt nur gutes Regieren. Und da liegt diesseits wie jenseits der Alpen einiges im Argen."

"Leipziger Volkszeitung":

"Es ist mehr als ein ernüchterndes Zeichen, das Deutschland an diesem Sonntag aus Österreich erhielt. Es ist ein Alarmsignal. Denn selbst wenn die Rechtspopulisten der FPÖ es nicht ins Wiener Kanzleramt schaffen sollten, weil eine Regierungsbildung auch ohne sie möglich ist, so hat die Partei doch in kürzester Zeit einen triumphalen Wiederaufstieg geschafft. Das Wahlergebnis sollte hierzulande vor allem denen eine Warnung sein, die auf eine Einhegung oder Verbürgerlichung der AfD hoffen. Zudem zeigt es erneut: Skandale und Fehlverhalten schaden Populisten derzeit nicht."

"Berliner Morgenpost":

"Das Ergebnis der österreichischen Parlamentswahl ist ein historischer Paukenschlag: Erstmals seit 1945 wurde eine rechtsextreme Partei zur stärksten Kraft im Land. Das ist umso bemerkenswerter, als die FPÖ nach der Ibiza-Affäre 2019 am Boden lag. Doch Parteichef Herbert Kickl gelang es, die Rechtsaußen-Gruppierung mit einem stark polarisierenden Kurs wieder aufzurichten. Kickl, eine Art Alpen-Höcke, argumentiert ähnlich radikal wie der Thüringer AfD-Anführer. Er übernahm dessen Schlachtruf der 'Remigration' und forderte die massenhafte Abschiebung von Ausländern.

Im Folgenden internationale Pressestimmen vom Montag:

SCHWEIZ

"NZZ": "Regierungsbündnis gegen FPÖ wäre nicht undemokratisch. Nun ist es ausgerechnet der spröde Herbert Kickl, der die FPÖ zum Triumph führt und den Anspruch auf das Kanzleramt erheben kann, wovon seine charismatischeren Vorgänger Jörg Haider und Heinz-Christian Strache vergeblich träumten. Damit stellt sich die bisher stets theoretisch gebliebene Frage ganz akut: Kann ein radikaler Ideologe wie Kickl tatsächlich Regierungschef werden? Oder muss er es aus demokratiepolitischen Gründen sogar? (...) Ein freiheitlicher Bundeskanzler wäre der logische nächste Schritt. Besonders wahrscheinlich ist er dennoch nicht.

Zum einen hat sich die FPÖ unter Kickl inhaltlich radikalisiert. Das Wahlprogramm enthält Punkte, die für Österreich einen Systembruch darstellten. Kickl strebt ganz offen eine "Orbanisierung" an. Außenpolitisch will er das Land auf eine antieuropäische und kremlfreundliche Linie bringen. Zum anderen kann man ganz nüchtern feststellen, dass der Leistungsausweis der Partei in Regierungsverantwortung miserabel ist. (...)

Ein Dreierbündnis gegen die FPÖ ist nicht undemokratisch, 70 Prozent der Wähler haben die Rechtspopulisten nicht gewählt. Aber wenn ihr Ausschluss der einzige gemeinsame Nenner ist, müssen die Freiheitlichen nur auf den Bruch dieser heterogenen Koalition warten und können dann womöglich einen noch größeren Wahlsieg einfahren. Dann führte an einem freiheitlichen Kanzler kein Weg mehr vorbei."

Schweizer Regionalzeitungen mit gemeinsamen Außenpolitikseiten wie unter anderen "St. Galler Tagblatt", "Thurgauer Zeitung", "Wiler Zeitung":

"Protestwahl mit Folgen. 'Österreich ist ein Land, das seine vielen Skandale stets brav aufarbeitet - und dann passiert nichts.' Dieses geflügelte Wort erfuhr am gestrigen Wahlabend seine eindrückliche Bestätigung: Fünf Jahre nach der markerschütternden Ibiza-Affäre schaffte die FPÖ einen historischen Wahlsieg und verwies alle anderen Parteien auf die Plätze. Fünf Jahre nach der Schlagzeile der "Kronen-Zeitung" "FPÖ am Ende" und dem Rücktritt des damaligen Vizekanzlers Heinz-Christian Strache greift dessen Komplize Herbert Kickl nach der Macht; kein schlechter Karrieresprung für den damaligen Innenminister, der im Zuge von "Ibiza" mit Schimpf und Schande aus dem Amt gejagt wurde ... als erster Minister der Zweiten Republik überhaupt.

Nach Verkündung der ersten Hochrechnungen blieb zunächst unklar, ob der Bundespräsident tatsächlich Kickl und der FPÖ den Auftrag zur Regierungsbildung geben würde. Mathematisch möglich und politisch denkbar waren gestern vier verschiedene Koalitionsvarianten; drei davon ohne FPÖ. Doch nach Einschätzung aller Kommentatoren bedeutete der gestrige Volksentscheid die klare Abwahl der regierenden ÖVP und des Grünen-Koalitionspartners. Bundespräsident Alexander Van der Bellen sollte daher konsequent sein und Kickl zumindest einmal mit dem Regierungsauftrag mandatieren. Und dem Wahlvolk dadurch klarmachen, welche ernsthaften Folgen eine Protestwahl haben kann."

DEUTSCHLAND

"Die Zeit" (online "zeit.de"):

"Nach Italien und den Niederlanden rückt auch Österreich nach rechts. Das stellt die EU vor die Herausforderung, wie sie die nationalistischen Kräfte zähmen soll. Schon wieder ist es passiert. Wieder hat eine rechtsextreme Partei die Wahlen in einem Mitgliedsland der europäischen Union gewonnen. 2022 war das in Italien der Fall, 2023 in den Niederlanden, jetzt wurde in Österreich die FPÖ des Herbert Kickl zur stärksten Partei. Und der richtig große Brocken kommt erst noch. 2027 wird in Frankreich gewählt. Stand heute hat dann die rechtextreme Marine Le Pen gute Aussichten, Präsidentin des zweitgrößten Mitgliedslandes der EU zu werden. Wie also soll die EU reagieren, wenn in ihrem Inneren nationalistische Kräfte scheinbar unaufhaltsam auf dem Vormarsch sind?

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat kürzlich eine Antwort darauf gegeben: Einbinden! Wenn diese Kräfte schon nicht auf dem offenen Feld geschlagen werden können, dann holen wir sie ins Zentrum der Institutionen, wo sie gezähmt werden sollen. Am Beispiel des Italieners Raffaele Fitto lässt sich diese Strategie und die mit ihr einhergehenden Probleme gut darstellen. Von der Leyen machte Fitto von der rechtsextremen Partei Fratelli d'Italia kürzlich zu einem der mächtigsten Männer ihrer neuen Mannschaft."

"Süddeutsche Zeitung":

Genial ist daran nichts. (...) Die ÖVP hat im Wahlkampf mehr als deutlich gemacht, dass sie für eine Koalition mit der SPÖ keine Basis sieht, solange die auf Erbschaft- und Vermögensteuern besteht - und dass SPÖ-Chef Andreas Babler auf diese Forderungen verzichten müsse, weil sie untragbar seien. Die FPÖ aber richtet sich gegen alles, wofür eine wertebasierte, liberalkonservative, proeuropäische, auf sozialen Ausgleich schauende Christdemokratie steht. Eine solche Koalition wäre allerdings nicht nur untragbar, sondern auch unerträglich. Kanzler Nehammer glaubt, eine Formel für den Umgang mit der FPÖ zu haben. Er irrt.

"Frankfurter Allgemeine Zeitung":

"In Österreich ist längst bittere Realität, was Deutschland nach den letzten Landtagswahlen von Osten her überkommt. Der Ton war in Österreich schon immer ein anderer. Aus der eigenen Geschichte leitete man nie die gleichen strengen Tabus ab wie in der Bundesrepublik. Entsprechend sah man in Wien und den Landeshauptstädten auch keine Notwendigkeit, Brandmauern hochzuziehen. Die FPÖ wurde immer wieder eingebunden - und ihre Höhenflüge damit ein ums andere Mal beendet. Denn in den Mühlen der Regierungsverantwortung prallten auch die "Freiheitlichen" auf den Boden der Tatsachen und wurden anschließend vom Wähler zurechtgestutzt.

Unter Herbert Kickl wird das in Zukunft nicht so leicht sein. Er hat schon in seiner Zeit als Innenminister deutlich gemacht, wie weit er zu gehen bereit ist. ÖVP-Chef Karl Nehammer tat gut daran, von Anfang an klarzumachen, dass er eine Zusammenarbeit mit der FPÖ zwar nicht grundsätzlich ausschließt, mit Kickl aber schon. Es wäre ein politisches Experiment, das man auch in Deutschland aufmerksam verfolgen sollte: ob sich eine Partei deradikalisieren kann, wenn man ihr eine Option zur Mitwirkung in Aussicht stellt - unter der klaren Bedingung, dass sie sich von den Extremisten in ihrer Führung löst. Der Ausgang dieses Experiments ist offen."

"Berliner Morgenpost":

"Kickl, eine Art Alpen-Höcke, argumentiert ähnlich radikal wie der Thüringer AfD-Anführer. Er übernahm dessen Schlachtruf der "Remigration" und forderte die massenhafte Abschiebung von Ausländern. (...) Doch nicht nur das Thema Migration trug zum Erstarken der FPÖ bei. Auch Kickls Sturmlauf gegen die Teuerung, die Hilfe für die Ukraine sowie seine Attacken gegen "das System" verschafften seiner Partei Zustimmung. Der Wahlsieg der FPÖ reiht sich ein in den Aufschwung der rechtspopulistischen Parteien in Europa. Das Schüren von Ressentiments gegen die "politischen Eliten" treibt ihnen viele Frust- und Protestwähler zu. (...) Dennoch ist es fraglich, ob die FPÖ trotz des Siegs in der Regierung landet.

Münchner "TZ" und "Merkur":

"Na, servus! Das Dilemma der ÖVP. Herzliches Beileid zum Regierungsauftrag: In Österreich darf die dauerregierende ÖVP trotz Platz 2 an der Macht bleiben, wird aber nur mit Hängen und vor allem Würgen eine Koalition zusammenbringen. Keine der beiden Optionen ist verlockend. Rechts die FPÖ, die von Hetzer, Europafeind und Russenkriecher Kickl so weit an den Rand geführt wurde, dass sie nun radikaler ist als Meloni, Le Pen und sogar Teile der AfD. Links eine SPÖ, die ihr Chef Andreas Babler ("Ich bin Marxist") in Ideologie und Traumtänzerei steuert, ähnlich EU-feindlich wie Kickl. Na, servus.

Die ÖVP durchlebt damit ein Dilemma wie die CDU-und SPD-Landesverbände in Ostdeutschland zwischen BSW und AfD. ZumTeil hat sie sich selbst in die Lage gebracht mit den Verwerfungen rund um ihren jungen Ex-Kanzler Kurz. Er hat mit seinem Scheitern größte Hoffnungen enttäuscht, eben meh rCharisma als Integrität. Nachfolger Nehammer, bei dem sich das andersrum verhält, kehrt seither die Scherben zusammen. Er hat viel richtig gemacht, hat trotz schwarz-grüner Koalition einen bürgerlichen Kurs in der Sicherheits- und Migrationspolitik durchgesetzt. Aber er wird nicht wirklich belohnt an diesem Wahlabend, die ÖVP stürzt ab. Die Mitte ist ausgedörrt.

(...) Viel Macht liegt nun beim Bundespräsidenten, der nach Wahlen eine sehr wichtige Stellungi nnehat: Wenn's gut läuft, kan ne r radikale, EU-feindliche Exzesse verhindern. Alexander Van der Bellen, ein hochseriöser Proeuropäer, hat jetzt die Last der Verantwortung, wen er als Minister ernennt und wen besser nicht.

"Passauer Neue Presse":

"Erdrutsch-Sieg. Als die rechtsnationale FPÖ im Jahr 2000 unter ihrem damaligen Chef Jörg Haider erstmals österreichische Regierungspartei wurde (als Juniorpartner von ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel), galt das europaweit noch als ein unerhörter Vorgang - der sogar dazu führte, dass die EU-Staaten demonstrativ beschlossen, die politischen und diplomatischen Beziehungen zur österreichischen Bundesregierung auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Österreich wurde von den europäischen Partnern geschnitten und ausgegrenzt. Nach ihrem gestrigen Erdrutsch-Sieg schickt sich die FPÖ nun an, zum ersten Mal auch den österreichischen Bundeskanzler zu stellen - sofern die ÖVP mitspielt und den Juniorpartner gibt.

Der Preis der ÖVP könnte freilich sein, dass wenigstens nicht FPÖ-Mann Herbert Kickl, ein rhetorischer Scharfmacher, den "Volkskanzler" gibt. Aber wie auch immer die Koalitionsverhandlungen in Österreich ausgehen, eines wird mit Sicherheit nicht geschehen: Dass das Land erneut zum europäischen Paria wird - weil rechtsnationale- oder rechtsextreme Kräfte allerorten längst zum politischen Alltag gehören. Sie spielen eine bedeutende Rolle bei wichtigen politischen Entscheidungen - wie etwa UKIP beim Brexit. Sie jagen Regierungen und Regierende vor sich her - wie etwa Rassemblement National in Frankreich. Oder aber sie sitzen längst selbst an den Schalthebeln der Macht - wie etwa Fidesz in Ungarn, wo sie dann bisweilen alles dafür tun, den Staat so umzubauen, dass es möglichst schwer wird, sie von dort wieder zu vertreiben."

Die Welt ("welt.de"):

"FPÖ-Sieg: Rechte wollen neue Ära - bleiben dabei aber allein. Die Rechtspopulisten in Österreich feiern den besten Tag ihrer Parteigeschichte. Die Partei profitiert von der Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Jetzt ist der Bundespräsident am Zug."

Internationale Tageszeitungen kommentieren den Sieg der FPÖ bei der Nationalratswahl am Dienstag wie folgt:

"Nepszava" (Budapest):

"Als Herbert Kickl, der derzeitige FPÖ-Chef, Innenminister war, wollte er einen Schatten-Geheimdienst schaffen. Später stellte sich heraus, dass als Kopf eines solchen Dienstes jemand vorgesehen war, der ein Spion für Russland war. Es wäre ein Sicherheitsrisiko für ganz Europa, wenn Kickl der nächste österreichische Kanzler wäre. Der FPÖ-Präsident hat regelmäßig Kritik an Putins autoritärer Politik zurückgewiesen und die Sanktionen gegen Russland kritisiert. Als Vorbild sieht der FPÖ-Präsident die Politik von Viktor Orban. Das überrascht eigentlich nicht: Einer seiner Vorgänger, Heinz-Christian Strache, hatte in dem weltberühmten Video im Ibiza-Skandal, das seinen Untergang einläutete, zugegeben, dass er in seinem Land Ungarns - genauer: Orbans - Medienpolitik umsetzen wolle."

"Gazeta Wyborcza" (Warschau):

"Bei einer weiteren Wahl in Europa hat die extreme Rechte triumphiert. Die rechte FPÖ hat bei der Parlamentswahl in Österreich mit 29 Prozent der Stimmen einen historischen Sieg errungen. Zum ersten Mal wird ein Politiker der Partei das Parlament leiten. Aber wird die Partei auch regieren? Herbert Kickl reichte bereits am Wahlabend den Politikern der derzeit regierenden ÖVP die Hand. Sollte ein solches Bündnis zustande kommen und der Extremist Kickl Bundeskanzler werden, wäre Österreich schnell auf einem ähnlichen Weg wie Ungarn.

Der autoritäre Staat von Ungarns Regierungschef Viktor Orban fasziniert die österreichische extreme Rechte seit Jahren. Auch FPÖ-Politiker wollen die öffentlich-rechtlichen Medien an die Leine nehmen, der Zivilgesellschaft den Mund verbieten, die volle Kontrolle über die staatlichen Ressourcen übernehmen und ein Milliarden-Vermögen anhäufen. Das neutrale Österreich ist für die Russen seit langem ein sicherer Hafen in der EU. Unter der Herrschaft der FPÖ würde es zu Putins Brückenkopf. Österreich-Ungarn hat seine Rolle in der europäischen Geschichte gespielt. Das neue Bündnis würde eher von Budapest dominiert. FPÖ-Funktionäre würden dort hin pilgern, um die Zerstörung der Demokratie zu lernen. Dann hätten wir Ungarn-Österreich."

"Jyllands-Posten" (Aarhus):

"Am Sonntag schrieb die FPÖ Geschichte, als sie mit 29,2 Prozent der Stimmen die stärkste Partei in Österreich wurde. Die Frage ist dieselbe, wie sie es auch in den Niederlanden und in Italien war, wie sie es fast in Dänemark wurde und wie sie es in Deutschland, Frankreich und anderen europäischen Ländern werden kann: Was macht man mit dem Urteil der Wähler, wenn deren bevorzugte Partei mit einer Politik siegt, die in vielerlei Hinsicht dem Kern dessen widerspricht, wofür die etablierten Parteien stehen?

In einer Zeit, in der Russland und China den Willen und die Fähigkeit bewiesen haben, europäische Politiker zu manipulieren und zu beeinflussen, steht viel auf dem Spiel. Die FPÖ, die fast jeder dritte Wähler in Österreich wählte, hat eine lange Geschichte mit Putin, der mit Außenministerin Karin Kneissl 2018 bei deren Hochzeit tanzte.

Die Perspektiven einer erstarkenden nationalen Rechten in Europa sind weit größer als die Migrationspolitik, auf die das Phänomen oft reduziert wird. Es geht um die internationale Ordnung, die sowohl Russland als auch China mit großer Macht versuchen zu verändern."

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(APA/Red)

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