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Donnerstag brachte Regierungsprogramm.
Donnerstag brachte Regierungsprogramm. ©APA/HANS KLAUS TECHT

Regierungsprogramm: Sozialpartner und NGOs mit gemischten Reaktionen

Das Regierungsprogramm von ÖVP, SPÖ und NEOS erntet gemischte Reaktionen.
Regierungspakt fehlt noch grünes Licht
Stimmen aus den Bundesländern
Regierungsprogramm im Detail
Was die Zuckerl-Koalition plant
Aufteilung von Ministerien

Das Regierungsprogramm von ÖVP, SPÖ und NEOS stößt bei den Sozialpartnern auf ein gemischtes Echo. Spartenvertreter aus der Wirtschaftskammer (WKÖ) reagierten mehrheitlich positiv auf das am Donnerstag präsentierte Programm. Gewerkschaftsbund-Präsident Wolfgang Katzian (SPÖ) sieht einen wichtigen "Schritt in die richtige Richtung" gemacht. Die Arbeiterkammer (AK) gibt sich zurückhaltend, erkennt aber "Licht und Schatten" in dem am Donnerstag präsentierten Programm.

"Schritt in richtige Richtung", "Licht und Schatten"

"Es gibt Anreize für Leistungsträger, mehr Freiraum für Unternehmertum und Entlastung mit Augenmaß", so zum Beispiel Renate Scheichelbauer-Schuster, Obfrau der Sparte Gewerbe und Handwerk in der WKÖ. Auch die Junge Wirtschaft und Tourismus-Vertreter der WKÖ äußerten sich lobend zum Programm. Kritisch gesehen wurde die Bankenabgabe.

Auf Gewerkschaftsseite sieht der rote ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian einen wichtigen "Schritt in die richtige Richtung" gemacht. "Das geplante Konjunkturpaket wird Arbeitsplätze schaffen, das gibt Beschäftigten und Unternehmen die Sicherheit, die es jetzt braucht", sagt er in einer Aussendung des Gewerkschaftsbundes.

Vorsichtiger ist man bei der Arbeiterkammer. Positiv werden die Ankündigungen zur "Bankenabgabe und die Verlängerung der Übergewinnsteuer für Energieversorger" bewertet. AK-Expertinnen und Experten würden das rund 200 Seiten lange Dokument in den kommenden Tagen analysieren. AK-Präsidentin Renate Anderl sprach sich erneut für eine in dem Regierungsplan nicht vorgesehene Millionärssteuer aus.

Auch die Produktionsgewerkschaft (PRO-GE) begrüßt das erzielte Abkommen und strich dabei die Teuerungsbekämpfung hervor. Die Gewerkschaft GPA freut sich über mehr Geld für das Arbeitsmarktservice AMS. "Der Kampf gegen Arbeitslosigkeit muss ein Schwerpunkt der Politik der nächsten Jahre sein. Das Regierungsprogramm stimmt diesbezüglich zuversichtlich", so die GPA-Vorsitzende Barbara Teiber.

"Dieses Wirtschaftsprogramm ist ein klares Signal für die kleineren und mittleren Betriebe in unserem Land", freut sich auch der Generalsekretär des ÖVP-Wirtschaftsbundes, Kurt Egger, in einer Aussendung. Mit dem Regierungsprogramm würden "Leistungsträger entlastet".

"Positive Tendenzen" und "Wermutstropfen" geortet

Die Industriellen Vereinigung (IV) sieht "erste positive Tendenzen". "Leider bleiben die Maßnahmen im Bereich Energie und Lohnnebenkosten bisher vage. Es wird im Verlauf eine weitere Konkretisierung brauchen, so IV-Präsident Georg Knill.

Für Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will ließt sich das Dokument "vielversprechend". Will wünscht sich eine rasche Umsetzung der Vorhaben. "Wermutstropfen ist mangels Budgetspielraum die lange Durststrecke bis 2027 bei den Lohnnebenkosten." Diese sollen laut dem Programm bis zur Mitte der Regierungsperiode gesenkt werden.

"Viele Posten, wenig Veränderung", fasst Agenda Austria Direktor, Franz Schellhorn, das Programm wenig lobreich zusammen. Der Wirtschaftswissenschafter ist der Bruder des künftigen Staatssekretärs für Deregulierung, Josef Schellhorn (NEOS). "Die SPÖ verzichtet großzügigerweise auf neue Steuern, im Gegenzug verschonen ÖVP und NEOS den aufgeblähten Staatsapparat vor längst überfälligen Einschnitten. Ein Deal, der den Parteien in die Karten spielt, aber dem Land nicht weiterhilft", urteilt der Direktor der wirtschaftsliberalen Denkfabrik.

Appelle und Kritik nach Vorstellung von Regierungsprogramm

Nach der Vorstellung des Regierungsprogramms von ÖVP, SPÖ und NEOS haben sich verschiedene Organisationen mit Kritik und Appellen an die künftige Bundesregierung gewandt. Vor allem im Bereich der Pflege und Betreuung fordern etwa die Volkshilfe und der Samariterbund Klarheit und Zukunftstauglichkeit. Die Caritas ortet Unklarheiten bei der Finanzierung der Koalitionsvorhaben.

Caritas-Generalsekretärin Anna Parr zeigte sich über das Zusammenkommen der Bundesregierung in einer Aussendung "erleichtert". Bei der Pflege und Betreuung zeige sich ein grundlegendes Verständnis für die Herausforderungen; auch in den Bereichen der Armutsbekämpfung, der Migration und Integration und der internationalen Zusammenarbeit gebe es positive Signale. "Aktuell bleibt offen, wie die langfristige Finanzierung all dieser Maßnahmen sichergestellt werden soll", so Parr. Das Aussetzen des Familiennachzugs kritisierte der Wiener Caritasdirektor Klaus Schwertner. "Familienzusammenführungen haben nachweislich integrationsfördernde Wirkung", erklärte Schwertner. Aus seiner Sicht sei dieses Vorhaben gesetzlich kaum umsetzbar.

Auch Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe, zeigte sich in einer Aussendung erfreut über das Zustandekommen der Regierung und über die Einigung auf eine Kindergrundsicherung. Im Bereich der Pflege und Betreuung brauche es mehr Details und die Einbeziehung aller relevanten Stakeholder, forderte Fenninger. Auch bei Änderungen zur Sozialhilfe sei abzuwarten, ob es Verbesserungen gebe, vulnerable Gruppen dürften "nicht unter die Räder kommen", erklärte Fenninger.

Mit einem "eindringlichen Appell" wendete sich der Samariterbund-Bundesgeschäftsführer Reinhard Hundsmüller in einer Aussendung an die künftige Regierung. "Österreich kann sich keinen Stillstand mehr leisten", sagt er. Es brauche eine Regierung, die drängende Fragen in Angriff nehme. Österreich müsse etwa durch Aufbau von Pflege, Stärkung der Katastrophenhilfe und einer Befugniserweiterung im Rettungswesen zukunftsfit gemacht werden.

Der Österreichische Gesundheits- und Krankenpflegeverband (ÖGKV) appellierte in einer Aussendung, die formulierten Maßnahmen rasch umzusetzen. "Die Pflege und das gesamte Gesundheitssystem stehen vor großen Herausforderungen", sagt ÖGKV-Präsidentin Elisabeth Potzmann.

Den temporären Stopp des Familiennachzugs sieht Christoph Pinter, Leiter des UN-Flüchtlingshilfswerks kritisch: "Die ständige Sorge um Kinder, Mutter oder Vater macht es ungleich schwerer, sich darauf zu konzentrieren, Deutsch zu lernen oder einen Job zu finden." Die Stärkung der Integrationsmaßnahmen für Geflüchtete dürfen nicht durch Restriktionen in anderen Bereichen verwässert werden, so Pinter."Menschenrechte ins Zentrum der Politik stellen" forderte Shoura Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich in einer Aussendung. Die Aussetzung des Familiennachzugs sehe man äußerst kritisch, da dies gegen Menschenrechte verstoße.

Seniorenrat übt Kritik

Als "unsozial" bezeichneten die Präsidenten des Seniorenrats Peter Kostelka und Ingrid Korosec die geplanten KV-Beitragserhöhungen für Pensionistinnen und Pensionisten in einer Aussendung. Die Verteuerung von nahezu 20 Prozent bedeute ein "starkes Stück".

Positiv wertete SOS-Kinderdorf-Geschäftsführer, Christian Moser, die "umfangreichen Maßnahmen" der Regierung zur Eindämmung von Kinderarmut. Weniger erfreut zeigte er sich in einer Aussendung zum Bereich Bildung: "Gerade ein progressiver kinderrechtlicher Ansatz fehlt hier weitgehend", so Moser.

Der Rat der Kärntner Slowenen begrüßte in einer Aussendung die Erwähnung der autochthonen Minderheiten in Österreich. Diese sei zwar kurz, wichtig sei jedoch vor allem die Umsetzung der Versprechen, besonders im Bildungsbereich, in dem die Minderheit in der Vergangenheit den größten Schaden genommen habe.

Gemeindebund-Präsident Johannes Pressl begrüßte das Zustandekommen der Koalition. "Seitens der Gemeinden stehen wir für dringend notwendige Reformvorhaben in unserem Land bereit", erklärte Pressl. Sobald die Ministerien besetzt sind, werde der Gemeindebund das Gespräch mit den Mitgliedern der Bundesregierung suchen. Viele Gemeinden stünden finanziell mit dem Rücken zur Wand, erinnerte Pressl.

Freude bei Haus der Geschichte

Das "Kunst und Kultur"-Kapitel des Regierungsprogramms ist am Donnerstagnachmittag im Haus der Geschichte Österreich (hdgö), das künftig als eigenständiges Bundesmuseum geführt werden soll, mit Genugtuung aufgenommen worden. "Ich freue mich, dass für die neue Bundesregierung die Zukunft des Hauses der Geschichte Österreich und die künftige Gestaltung des Heldenplatzes wichtige Themen sind", ließ hdgö-Direktorin Monika Sommer auf APA-Nachfrage wissen.

Sommer hat auch schon eine konkrete Idee: "Die Zweite Republik sollte sich zu ihrem heurigen 80. Geburtstag ein weithin sichtbares und dauerhaftes Symbol der liberalen Demokratie am 'Hitler-Balkon' schenken. Denn der bisherige Umgang mit diesem symbolisch hochsensiblen Ort der österreichischen Zeitgeschichte ist mehr als unzeitgemäß. Wir haben hier die Initiative ergriffen und sind schon einen Schritt vorausgegangen: Ab 22. April präsentieren wir im Haus der Geschichte Österreich künstlerische Vorschläge dazu."

Geradezu euphorische Reaktionen kamen von der IG Autorinnen Autoren. Auch wenn Budget und Personal noch offen seien, "ist es doch das ambitionierteste Kunst- und Kulturprogramm einer Regierung seit vielen Jahren", so Geschäftsführer Gerhard Ruiss via Aussendung. "Ganz besonders Anlass zur Freude und Zuversicht gibt, dass sich das Programm dieser Regierung auf und an die Seite der Kunst und Kultur stellt."

Unterschiedlich fielen die Reaktionen aus dem Medienbereich aus. "Äußerst herausfordernd" werden die kommenden Jahre aus Sicht von ORF-Generaldirektor Roland Weißmann. Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Senders sei zwar weiterhin abgesichert, allerdings werde der ORF-Beitrag nicht valorisiert. Somit komme auf den ORF "ein weiteres sehr hartes Sparpaket zu", hieß es in einem Statement. Gleichzeitig müsse es das Ziel bleiben, die Allianz mit dem Publikum weiter auszubauen, "damit der ORF auch in Zukunft das Medienangebot bleibt, dem Österreich am meisten vertraut". Welche Maßnahmen aufgrund des Einfrierens des ORF-Beitrags notwendig werden, sei noch auszuarbeiten, hielt Weißmann in einer Mitarbeiterinformation fest. Erste Eckpunkte hofft man rund um den Stiftungsrat Mitte März skizzieren zu können.

Geplante Medienvorhaben "sehr positiv"

Als "sehr positiv" bezeichnete wiederum der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) die geplanten Medienvorhaben in einer Aussendung. Man begrüße "insbesondere das klare Bekenntnis zum Ausbau der Medienförderung", wurde VÖZ-Präsident Maximilian Dasch zitiert. "Dies unterstützt österreichische Medien bei der nachhaltigen Entwicklung ihrer digitalen Engagements und sichert zudem die flächendeckende Zustellung von Zeitungen und Magazinen ab." Außerdem wurde das Bemühen um mehr Medienkompetenz junger Menschen hervorgehoben. Nachvollziehbar, aber schmerzhaft sei hingegen die angekündigte Reduktion der Werbeausgaben.

Abwartend zeigte sich die IG Freie Theaterarbeit, die von der künftigen Regierung fordert, die Budgets für die freie Szene - vergleichbar mit den Budgets für Bundeskultureinrichtungen - legistisch abzusichern. "Sollte es zu Kürzungen bei Kunst und Kultur kommen, wird dies vor allem die freie Szene treffen", da diese nicht durch Indexanpassungen abgesichert sei, wie es in einer Aussendung heißt. "Budgetkürzungen in diesem oft prekär arbeitenden Bereich können nicht akzeptiert werden, die neuen Verantwortlichen müssen sich für die finanzielle Absicherung des freien Kunst- und Kulturschaffens und aller dort arbeitenden Menschen einsetzen!"

"Das Programm zeigt, dass sich die Koalitionspartner der Herausforderungen, mit denen im Kulturbereich Tätige tagtäglich konfrontiert sind, durchwegs bewusst sind," zeigte sich Yvonne Gimpel, Geschäftsführerin der IG Kultur Österreich, erfreut. Weniger begeistert ist die IG Kultur jedoch über das "fehlende Bekenntnis zur finanziellen Absicherung freier Kunst und Kultur, während etwa die mehrjährige Wertsicherung der Bundeseinrichtungen verankert ist". Viele der gelisteten Vorhaben stünden unter einem impliziten Budgetvorbehalt.

(APA/Red)

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