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AstraZeneca: Zypern und Luxemburg stoppten ebenfalls vorläufig Verimpfung

Der AstraZeneca-Impfstoff leidet zunehmend unter einem schlechten Ruf - ein britischer Forscher kritisiert die Aussetzungen der Impfungen damit jedoch als "Desaster"
Der AstraZeneca-Impfstoff leidet zunehmend unter einem schlechten Ruf - ein britischer Forscher kritisiert die Aussetzungen der Impfungen damit jedoch als "Desaster" ©APA (Sujet)
Nächstes Kapitel rund um den Impfstoff mit dem schlechten Image: Während weitere Länder AstraZeneca nicht mehr verimpfen, zieht Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery den vorläufigen Stopp für Impfungen damit in Zweifel.
Österreich hält an AstraZeneca fest
AstraZeneca verteidigt Impfstoff

"Dass Menschen Thrombosen und Lungenembolien bekommen, muss nicht unbedingt etwas mit der Impfung zu tun haben", sagte Montgomery dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Der britische Experimentalmediziner Peter Openshaw verurteilte die Aussetzung scharf. Indes haben weitere Länder wie Schweden, Zypern oder Luxemburg entschieden, die Vakzine vorläufig nicht einzusetzen.

Österreich will an AstraZeneca-Verimpfung festhalten

In Österreich war am Vorabend beschlossen worden, den Impfstoff vorerst weiter zu verwenden. Das Nationale Impfgremium gab eine vorläufige Empfehlung ab, stellte aber auch klar, dass Daten fehlten. Man werde daher am Dienstag wieder debattieren. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hatte zuvor eine "raschestmögliche, klare Stellungnahme von den europäischen Behörden für ein gemeinsames gesamteuropäisches Vorgehen" verlangt.

"Guter und wirksamer" Impfstoff hat Imageschaden erlitten

Montgomery warnte vor einem Imageschaden für den Impfstoff. "Unter dem Strich ist es leider so, dass dieser eigentlich gute und wirksame Impfstoff durch den Wirbel und die Impf-Aussetzung in vielen Ländern nicht gerade eine höhere Akzeptanz in der Bevölkerung gewinnt", sagte der Weltärztepräsident. Eine grundsätzliche Überprüfung der Vorfälle begrüßte Montgomery allerdings. Die Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) habe noch einmal bestätigt, dass AstraZeneca ein sicherer und effektiver Impfstoff gegen das Corona-Virus sei.

"Trotzdem ist es richtig, dass die nationalen Behörden die Verdachtsfälle auf schwere Nebenwirkungen prüfen." Laut internationalen Studien sei die Thrombose-Häufigkeit in der Placebo-Gruppe und in jener mit Impfstoff aber in etwa gleich gewesen.

"Ein Desaster für die Akzeptanz von Impfungen in Europa"

"Ich denke, das ist ein Desaster für die Akzeptanz von Impfungen in Europa, die in einigen Ländern ohnehin schon auf wackeligem Boden steht", sagte der britische Forscher des Imperial College London am Dienstag der BBC. "Es ist sehr eindeutig, dass die Vorteile einer Impfung die mögliche Sorge vor dieser seltenen Art der Blutgerinnsel weit überwiegen", so Openshaw.

Nach anderen Ländern hatten am Montag unter anderem Deutschland, Frankreich und Italien die Impfungen mit AstraZeneca ausgesetzt, nachdem es Berichte über Fälle von sehr seltenen Thrombosen der Hirnvenen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung gegeben hatte. Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA prüft die Fälle, betonte aber, die Impfungen könnten fortgesetzt werden. In Großbritannien, das unabhängig von der EU sein Impfprogramm organisiert, gehen die Impfungen weiter. Weitere Länder mit Impfstopp sind etwa Spanien, Portugal, Irland, Bulgarien, Dänemark, Norwegen und die Niederlande. Der britisch-schwedische Hersteller weist die Bedenken zurück.

Zypern und weitere Länder setzen AZ-Impfungen aus

Am Dienstag folgten indes weitere Länder: Auch der EU-Inselstaat Zypern setzt vorübergehend die AZ-Impfungen aus und will 50.000 Dosen des russischen Präparats Sputnik V kaufen. "Dies (den Kauf) werden wir machen, sobald die Impfstoffe aus Russland von den europäischen Gesundheitsbehörde genehmigt sind", sagte Regierungssprecher Kyriakos Koushios im Staatsrundfunk (RIK). Auch Luxemburg stoppt vorübergehend Impfungen mit dem Präparat des britisch-schwedischen Herstellers, ebenso wie Schweden und Lettland.

AstraZeneca-Genehmigung soll in Venezuela ausbleiben

Angesichts "gesundheitlicher Komplikationen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung" will Venezuela den AZ-Impfstoff vorerst gar nicht erst genehmigen. "Die Vizepräsidentin Delcy Rodríguez hat mitgeteilt, dass Venezuela aufgrund der nachteiligen Auswirkungen in der Welt keine Erlaubnis für die Verwendung des Impfstoffs von AstraZeneca erteilen wird", schrieb das Außenministerium in Caracas auf Twitter in der Nacht auf Dienstag. Der südamerikanische Krisenstaat hätte laut der Zeitung "El Nacional" von der internationalen Covax-Initiative zwischen 1,4 und 2,4 Millionen Dosen des AstraZeneca-Präparats bekommen sollen.

Sorge wegen Berichten über Blutgerinnsel nach Impfung

Mehr als ein Dutzend Länder haben bereits nach Berichten über schwere Blutgerinnsel nach einer Astrazeneca-Impfung den Einsatz des Corona-Vakzins ausgesetzt. Das britisch-schwedische Pharma-Unternehmen versichert, dass es "keinerlei Beweis für ein erhöhtes Risiko einer Lungenembolie oder Thrombose" gebe. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rät bisher zur weiteren Nutzung. Am Dienstag befasst sich das WHO-Beratergremium zur Impfstoffsicherheit mit dem Thema.

Chronik: Die ersten Entscheidungen zur Aussetzung der Astrazeneca-Impfungen

Dänemark setzte am Donnerstag vergangener Woche als erstes Land den Einsatz des Astrazeneca-Impfstoffs aus. Das kleine EU-Land begründete den Schritt mit "Berichten über schwere Fälle der Bildung von Blutgerinnseln". Noch am selben Tag trafen Norwegen sowie Island die gleiche Entscheidung.

Am Montag informierte Norwegen über den Tod einer unter 50 Jahre alten Pflegerin infolge einer Hirnblutung. Sie sei knapp eine Woche nach ihrer Impfung mit dem Astrazeneca-Vakzin am Donnerstag ins Krankenhaus eingeliefert worden. Am Freitag war in Norwegen bereits eine um die 30 Jahre alte Pflegerin zehn Tage nach ihrer Astrazeneca-Impfung gestorben. Ein kausaler Zusammenhang zwischen der Impfung und tödlichen Blutgerinnseln wurde bisher nicht nachgewiesen.

Weitere Entscheidungen und Verdachtsfälle

Nach den drei nordischen Ländern teilte am Freitag vergangener Woche auch Bulgarien mit, dass es vorsichtshalber den Einsatz des Astrazeneca-Impfstoffs aussetze. Das EU-Land reagierte damit auf den Tod einer kurz zuvor geimpften Frau. Die Frau hatte laut Gesundheitsministerium an Übergewicht gelitten und wegen verstopfter Koronargefäße mehrere Bypässe gelegt bekommen. Eine erste Untersuchung ergab Herzversagen als Todesursache und keinen Zusammenhang mit der Impfung.

Am Sonntag verkündeten Irland und die Niederlande ihre Entscheidung, wegen der Berichte aus Dänemark und Norwegen vorsichtshalber vorerst keinen Astrazeneca-Impfstoff mehr einzusetzen. In den Niederlanden wurden zehn Fälle gezählt, in denen es nach der Impfung zu "Thrombosen oder Embolien" gekommen war. Am Montag tat Deutschland es ihnen gleich und wie in einem Domino-Effekt folgten Frankreich, Italien, Spanien, Slowenien, Portugal und Lettland, am Dienstag weiters Schweden, Zypern und Luxemburg.

Deutschland spricht von "reiner Vorsichtsmaßnahme"

Der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sprach von einer reinen Vorsichtsmaßnahme und begründete die Entscheidung mit neuen Meldungen von Thrombosen der Hirnvenen im zeitlichen Zusammenhang mit der Astrazeneca-Impfung in Deutschland und in Europa. Er verwies auf sieben berichtete Fälle bei bisher 1,6 Millionen Erstimpfungen mit Astrazeneca in Deutschland. Frankreichs Impfbeauftragter Alain Fischer geht davon aus, dass die Aussetzung nur vorübergehend ist. Die Zahl der Fälle von Menschen, die unerwünschte Nebenwirkungen zeigten, sei gering, sagte er dem Radiosender France Inter. Das entscheidende Element bei der Analyse sei das Abwägen von Nutzen und Risiko. Der Impfstoff der schwedisch-britischen Firma AstraZeneca sei nicht zweitklassig.

Die EU-Arzneimittelbehörde (EMA) hielt am Montag an ihrer Bewertung des Astrazeneca-Impfstoffs fest, setzte aber für Donnerstag eine Sondersitzung zu dem Vakzin an.

Verzögerte Impfstarts in einigen Ländern

Wegen der beunruhigenden Berichte über den Astrazeneca-Impfstoff verschob Thailand den Start seiner Impfkampagne, die eigentlich am Freitag hätte beginnen sollen. Auch Indonesien und die Demokratische Republik Kongo vertagten den Beginn ihrer Impfkampagnen mit Astrazeneca. Venezuelas Regierung erklärte, wegen "Komplikationen" bekomme das Astrazeneca-Vakzin keine Zulassung.

Nichtverwendung einzelner Chargen in Österreich und anderen Ländern

Österreich hatte bereits am Montag vergangener Woche die Verwendung einer einzelnen Charge des Astrazeneca-Impfstoffs mit der Nummer ABV5300 gestoppt, als Reaktion auf den Tod einer 49-jährigen Krankenschwester aus Niederösterreich, bei der ein paar Tage nach ihrer Impfung schwere Gerinnungsstörungen aufgetreten waren. Das Nationale Impfgremium sprach Montagabend eine vorläufig Empfehlung für die weitere Verwendung aus, die Experten debattierten aber auch am Dienstag noch das weitere Vorgehen. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) pocht auf eine klare Stellungnahme der europäischen Behörden für ein gemeinsames gesamteuropäisches Vorgehen.

Auch Estland, Lettland, Litauen sowie Luxemburg setzten die Verwendung des Impfstoffs aus dieser Charge aus, die in Österreich nicht mehr verwendet wird und deren eine Million Dosen in insgesamt 17 europäische Länder geliefert worden waren. Italien untersagte am Donnerstag vorsichtshalber die Verwendung einer anderen Charge mit der Nummer ABV2856. Auch Rumänien blockte Impfstoff dieser Charge. Die nordwestitalienische Region Piemont hatte am Sonntag die Impfungen mit dem Astrazeneca-Präparat nach dem Tod eines Lehrers ausgesetzt. Später nahm sie die Impfungen mit dem Astrazeneca-Vakzin wieder auf, schloss aber Dosen der Charge ABV5811 aus.

Astrazeneca: Sorge vor seltenen Thrombosen der Hirnvenen

Der in etlichen Ländern vorläufig gestoppte Einsatz des Astrazeneca-Impfstoffs wurde mit Einzelfällen von Thrombosen der Hirnvenen begründet. Es handelt sich bei den sehr seltenen Hirnvenenthrombosen oder Sinusvenenthrombosen um Blutgerinnsel im Gehirn. Von dort transportieren große venöse Blutgefäße, die Sinusvenen, sauerstoffarmes Blut in Richtung Herz. Bei einer Verstopfung durch ein Blutgerinnsel ist dieser Blutabfluss gestört. Es kommt zu einem Druckanstieg im Hirn.

Patienten mit einer Hirnvenenthrombose klagen unter anderem über Kopfschmerzen, Sehstörungen oder epileptische Anfälle. Weitere Symptome können Übelkeit, Erbrechen oder Bewusstseinsstörungen sein. Das deutsche Paul-Ehrlich-Institut (PEI) wies im Zusammenhang mit der Aussetzung der Astrazeneca-Impfungen auf zunehmendes Unwohlsein nach der Impfung, starke und anhaltende Kopfschmerzen oder punktförmige Hautblutungen hin.

Auslösende Faktoren für Venenthrombose

Eine Ursache für eine Venenthrombose im Gehirn kann eine genetische Veranlagung zur Blutgerinnungsstörung sein. Mögliche weitere auslösende Faktoren sind hormonelle Veränderungen etwa durch die Pille oder durch eine Schwangerschaft, Infektionen im Kopfbereich, etwa im Ohr, aber auch anderer Art, Blut- und Krebserkrankungen sowie medikamentöse Behandlungen. Die Erkrankung ist sehr selten, kann aber tödlich enden.

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(APA/Red)

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