Israilov-Prozess: Friede in Tschetschenien nur fragil

Doch die Strategie Moskaus, das Land durch wirtschaftlichen Aufschwung zu stabilisieren, ist nur bedingt erfolgreich. Ruhe und Frieden sind fragil, wie jüngste Anschläge zeigen. Ende August wurde das Heimatdorf von Republikschef Ramsan Kadyrow gestürmt, Ende Oktober war das Parlamentsgebäude in Grosny Ziel eines Angriffs mit mehreren Toten.
Tote hat es viele gegeben in Tschetschenien. Rund 160.000 Menschen starben seit 1994 durch Krieg und an dessen Folgen, schätzt ein vom Kreml ernannter hochrangiger tschetschenischer Beamter, der Staatsratsvorsitzende Taus Dschabrailow.
Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 kämpfen islamistische Rebellen für die Unabhängigkeit. 1994 marschierten russische Truppen ein. Der Krieg dauerte bis 1996. 1997 unterzeichnete der damalige Präsident Boris Jelzin mit dem tschetschenischen Militärführer Aslan Maschadow einen Friedensvertrag. 1999, nach tschetschenischen Rebellen-Überfällen auf die benachbarte Republik Dagestan und schweren Anschlägen auf Häuser in Moskau, ließ Ministerpräsident Wladimir Putin erneut die Armee nach Tschetschenien vorrücken. Der Zweite Tschetschenien-Krieg endete 2001 – zumindest offiziell.
Kadyrow ist seit 2007 Präsident der russischen Kaukasus-Republik. Er regiert mit eisernen Hand und konnte so relative Ruhe herbeiführen. Menschenrechtsaktivisten werfen ihm und seinen Gefolgsleuten allerdings vor, ein System des Staatsterrors geschaffen zu haben. Entführungen, Folter und Morde im In- und Ausland werden ihnen nachgesagt – so auch eine Verwicklung in den Fall des tschetschenischen Flüchtlings und ehemaligen Kadyrow-Mitarbeiters Umar Israilov, der im Jänner 2009 in Wien auf offener Straße erschossen wurde. 26.000 Tschetschenen leben laut Innenministerin Maria Fekter (V) in Österreich.
Kadyrow versucht außerdem durch Islamisierung den Rebellen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die größte Moschee Russlands und Kopftuch tragende Frauen können von den Problemen des Landes mit einer Arbeitslosigkeit von 50 Prozent aber nicht ablenken. “Tschetschenien ist der einzige Ort Europas, an dem es keine Gesetze gibt”, sagt der im Exil lebende Separatistenführer Achmed Sakajew.
Der tschetschenische Widerstand ist zersplittert. Nationalisten schwebte eine säkuläre unabhängige Republik Itschkeria vor, während Islamisten für einen Scharia-Staat kämpfen, der sich vom Schwarzen bis zum Kaspischen Meer ziehen soll. Der tschetschenische Rebellenführer Doku Umarow ernannte sich 2007 zum “Emir vom Kaukasus”. Die Instabilität breitete sich in der Region aus. Vor allem in den benachbarten nordkaukasischen Republiken Dagestan und Inguschetien kommt es regelmäßig zu Anschlägen und Gefechten.