In Begleitung der ORF-Redakteurin besucht die Holocaust-Überlebende aber auch zum ersten Mal das Lager Bergen-Belsen. Hierher wäre sie wohl gekommen, mutmaßt sie, wäre ihr 1945 nicht gemeinsam mit ihrer Mutter die Flucht gelungen.
Der 83-minütige Dokumentarfilm wird am 30. Oktober, dem 80. Geburtstag Ruth Klügers, im Gartenbaukino uraufgeführt. Viennale-Ehrengast Ruth Klüger stellt sich danach einem Gespräch mit Schmidtkunz und Peter Huemer. ORF 2 sendet eine um eine halbe Stunde kürzere Fernsehfassung (“Landschaften der Erinnerung”) um Mitternacht. Auf der Viennale gibt es am 2. November, 18.30 Uhr, im Künstlerhaus Kino eine zweite Möglichkeit, die Langfassung zu sehen. Schmidtkunz (47), die bereits 2005 einen Porträtfilm über Klüger gestaltet (“Ich komm’ nicht von Auschwitz her, ich stamm’ aus Wien”) und 2008 einen Gesprächsband mit Klüger im Mandelbaum Verlag herausgegeben hat, zeigt die Literaturwissenschafterin in ihrer gewohnten Lebensumgebung, bei Vorlesungen am Uni-Campus von Irvine, beim Schwimmen im Pool, im Kreise von Freunden, ihrer Familie, aber auch bei offiziellen Auftritten im österreichischen Parlament oder im Wiener Rathaus.
Ruth Klüger: Stationen eines bewegten Lebens als Thema der Viennale
Der Stolz über die ehrende Aufmerksamkeit, die ihr in Wien zuteilwird, der Stadt der tiefen Demütigung ihrer Jugend, ist ihr anzusehen. Und offen gibt sie auch zu, wie sehr sie es genießt, ihren Sohn Dan und ihre Schwiegertochter damit zu beeindrucken.
Dan Angress und sein älterer Bruder Percy kommen immer wieder zu Wort, blättern das Familienalbum durch, und finden durchaus auch kritische Worte über ihre Mutter. Gewiss habe sie sich immer um sie gekümmert, sei immer für sie dagewesen, doch Zärtlichkeit habe es kaum gegeben. Als Dan im Wiener Rathaus für die Fotografen seine Mutter umarmt, kommentiert er dies halblaut: So etwas täten sie sonst nie…
Schmidtkunz hat mit vielen Menschen gesprochen und Interviewpassagen eingebaut. Aber es sind solche Momente, die einem Ruth Klüger nahe bringen. Und es ist die ungewöhnliche Offenheit, mit der Ruth Klüger selbst immer wieder zu Wort kommt, die den Film prägt, eine Offenheit, die auf einem im Verlauf der dreijährigen Arbeit an dem Film aufgebauten Vertrauen basiert, und auf jener unsentimentalen Nüchternheit, die Klügers Erinnerungsbücher “weiter leben” und “unterwegs verloren” prägen.