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12-Stunden-Tag: Hartinger-Klein schließt Gesetzesverschärfung aus

Das neue Arbeitszeitgesetz soll nicht nachgeschärft werden.
Das neue Arbeitszeitgesetz soll nicht nachgeschärft werden. ©APA
Trotz der bekannt gewordenen Verstöße gegen die Freiwilligkeit des 12-Stunden-Tages, sieht Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) keine Notwendigkeit, die gesetzlichen Regelungen zu verschärfen.
Verstößen wird nachgegangen
Arbeitszeitregelung im Detail
Regierung will "Nachschärfung"

Vor dem Ministerrat am Mittwoch kündigte sie einen Erlass an die Arbeitsinspektorate für strenge Prüfungen an.

“Schwarze Schafe” streng bestrafen

“Schwarze Schafe sind streng zu bestrafen”, betonte die Ministerin, der Strafrahmen sei höchstmöglich auszunützen. Das Gesetz nachbessern müsse man aber nicht. Viele Verfehlungen auf Unternehmerseite ortete sie nicht: Hartinger-Klein sprach von zuletzt 25.000 Überschreitungen, und dies bei 300.000 Unternehmen und 3,2 Millionen Arbeitnehmern in Österreich.

Zusätzlich zum Erlass an die Arbeitsinspektorate soll die Arbeiterkammer in einem Brief aufgefordert werden, entsprechende Verfehlungen von Unternehmen zu melden. Die Wirtschaftskammer wiederum soll die Unternehmen beraten und auf die gesetzlich festgelegte Freiwilligkeit für die Arbeitnehmer hinweisen.

Die Kritik der Hoteliersvereinigung bezüglich mangelnder Rechtssicherheit bei der freiwilligen Mehrarbeit konnte Hartinger-Klein nicht nachvollziehen: Eine Dienstplanerstellung ist aus ihrer Sicht auch möglich, wenn die Arbeitnehmer jeweils im Einzelfall die Zustimmung zu einer elften und zwölften Arbeitsstunde geben müssen.

ÖHV fordert “Präzisierung” für “Freiwilligkeit”

Die österreichischen Hoteliers verlangen eine präzisere Definition, was genau mit “Freiwilligkeit” beim 12-Stunden-Tag gemeint sei. Für Arbeitgeber wie auch für die Mitarbeiter wäre es wichtig, Klarheit zu schaffen, sagte ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer im “ORF-Morgenjournal” nachdem mehrere Fälle bekanntgeworden waren, dass in Hotels Mitarbeiter zu längeren Arbeitszeiten gedrängt wurden.

“Ist es auch noch freiwillig, wenn man es sich freiwillig ausgemacht hat, dass es im Dienstplan drinnen steht? Weil in der Sekunde, wo es im Dienstplan steht, ist es ja eigentlich nicht mehr freiwillig” argumentierte Reitterer. “So wie es im Moment im Gesetz drinnen steht, glaube ich, sind die Unternehmerinnen und Unternehmer auch ein bisschen übervorsichtig geworden. … Ich glaube auch, dass die Unternehmer es einfach so nicht gewusst haben und einfach diese Freiwilligkeit damit ausschließen wollten”. Die Arbeitgeber hätten Angst, dass am Abend plötzlich die Rezeption oder die Küche nicht mehr besetzt ist.

“Ich glaube, dass einfach dieses Wort der Freiwilligkeit ausgeschlossen werden… also… oder erklärt werden muss, ja? Wie lange ist etwas freiwillig? Ich glaube da muss man jetzt einfach das Gesetz, so wie es geschrieben wurde, auf seine Praxistauglichkeit überprüfen.” Wichtig sei Rechtssicherheit für alle.

Bisher kaum Geseztesbrüche bekannt

Das Kabinett von Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) hat am Mittwoch die Aussagen der Ressortchefin zum seit September erlaubten 12-Stunden-Tag präzisiert. Die genannte Zahl 25.000 habe sich insgesamt auf Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz im Jahr 2017 bezogen.Seit dem Inkrafttreten per 1. September 2018 kenne man in Sachen 12-Stunden-Tag nur jene drei Fälle, die in Medien genannt worden seien, so ein Sprecher. Man habe bisher die Hälfte der Arbeitsinspektoren befragt, von diesen sei kein einziger Fall rückgemeldet geworden.

SPÖ drängt auf Neuverhandlungen

Die SPÖ drängt auf eine Neuverhandlung des seit Anfang September geltenden Arbeitszeitgesetzes. Die dokumentierten Einzelfälle, wo Arbeitgeber von Mitarbeitern mehr Überstunden verlangen, seien die “Spitze des Eisbergs”, sagte SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner am Mittwoch vor Journalisten in Wien. “Die Dunkelziffer ist wesentlich höher.”

“Das Gesetz muss grundsätzlich verändert werden”, forderte die SPÖ-Parteichefin. Im Gegensatz zum Gesetzesbeschluss im Juli müssten diesmal für die Novelle des Arbeitszeitgesetzes die Sozialpartner und die Oppositionsparteien eingebunden werden. Das neue Arbeitszeitgesetz macht einen 12-Stunden-Tag und eine 60-Stunden-Woche leichter möglich. “Die Freiwilligkeit ist eine Farce”, so Rendi-Wagner. Die SPÖ will nun für die kommende Woche eine Sondersitzung des Nationalrats zur Causa Arbeitszeit beantragen.

Rendi-Wagner verwies auch auf die Österreichische Hoteliervereinigung (ÖHV) die sich eine präzisere Definition wünscht, was genau mit “Freiwilligkeit” beim 12-Stunden-Tag gemeint sei.  Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) und Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) schlossen am Mittwoch eine Arbeitszeit-Gesetzesverschärfung aber aus.

Jüngster Fall Ende Oktober

Ende Oktober haben die Arbeiterkammer und die Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft vida auch den Fall einer 56-jährigen Hilfsköchin in Wien publik gemacht, die nicht 12-Stunden arbeiten wollte und daraufhin von ihrem Chef gekündigt wurde. Die Frau arbeitete seit 1999 Teilzeit als Hilfsköchin in einem Lokal in der Wiener Leopoldstadt. In Folge wurden weitere Einzelfälle von der Arbeiterkammer öffentlich gemacht.

“Täglich grüßt der Einzelfall, täglich steigt die Dunkelziffer”, kommentierte SPÖ-Sozialsprecher und Gewerkschafter Josef Muchitsch. Die SPÖ werde jeden arbeitsrechtlichen Fall im Zusammenhang mit dem neuen Arbeitszeitgesetz publik machen, sagte Muchitsch in Richtung der ÖVP/FPÖ-Regierung. Ein neues Arbeitszeitgesetz dürfe keine Einkommensverluste bringen und müsse die unterschiedlichen Belastungen in den Branchen berücksichtigen. Eine Novelle des Gesetzes ist laut Muchitsch in zwei bis drei Monaten möglich. Im Frühjahr 2017 ist ein Kompromiss zwischen Gewerkschaft und Arbeitgebern zu flexibleren Arbeitszeiten knapp gescheitert. An der 6. Urlaubswoche werde es diesmal nicht scheitern, wie damals im Jahr 2017, sagte der SPÖ-Sozialsprecher.

Nochmalige Informationsoffensive für Mitgliedsbetriebe geplant

WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf kündigte am Mittwoch in der Causa Arbeitszeit eine nochmalige Informationsoffensive für Mitgliedsbetriebe an. Merkblätter seien für Tourismusbetriebe bereits verschickt worden. “Die Wirtschaftskammer Österreich bekennt sich zu 100 Prozent zur Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes und zum Arbeitnehmerschutz”, so Kopf in einer Aussendung. Dies schließe die Kontrolle der Arbeitszeitgrenzen und insbesondere auch die Freiwilligkeit und das Wahlrecht bezüglich Überstunden ein.

Die Arbeiterkammer (AK) erwartet dennoch weitere Verstöße beim Arbeitszeitgesetz. “Die bisher bekannt gewordenen Fälle, u. a. mit Vertragsschablonen in der Hotellerie zeigen: Es geht hier nicht nur um einzelne schwarze Schafe unter den Arbeitgebern. Das wird sich ausbreiten”, kommentierte AK-Präsidentin Renate Anderl die Fälle in einer Aussendung.

Für den Rechtsanwalt und Arbeitsrechtler Georg Schima sind die Versuche, die Freiwilligkeit bei Überstunden auszuhebeln “nicht völlig überraschend”. Eine generelle Einwilligung für einen 12-Stunden-Tag und 60-Stunden-Woche seien aber ein “juristisch untaugliches Mittel”, sagt Schima im Ö1-“Mittagsjournal” des ORF-Radios. Man könne aber auch bei Unterschrift unter eine derartige Klausel seine Einwilligung für einen 12-Stunden-Tag verweigern. Es gebe im Gesetz ein Ablehnungsrecht. Das neue Arbeitszeitgesetz habe “einige Punkte, wo es Unklarheiten gibt”, dies sei aber nicht ungewöhnlich. Dies könne man von Gerichten klären lassen, so der Anwalt.

Hoteliers wehren sich gegen Pauschalkritik der AK

Das neue Arbeitszeitgesetz bleibt ein Zankapfel. Die Österreichische Hoteliervereinigung (ÖHV) weist die “pauschale Kritik” der Arbeiterkammer (AK) an der Branche zurück, wonach es sich nicht nur um einzelne schwarze Schafe unter den Arbeitgebern handle, sondern sich das ausbreiten werde. 12-Stunden-Dienste seien die Ausnahme, so ÖHV-Generalsekretär Markus Gratzer.

“Arbeiterkammer-Präsidentin Anderl soll sich mit dem Lohnbüro auseinandersetzen, das solche Verträge unter die Leute bringt, statt eine ganze Branche pauschal anzupatzen”, so Gratzer Mittwochnachmittag in einer Aussendung. Die ÖHV prüft nun rechtliche Schritte gegen das Lohnbüro. “Was hier geleistet wurde, wirft einen Schatten auf alle Betriebe, die sich sehr um ihre Mitarbeiter bemühen.”

Die Hoteliers verlangen eine präzisere Definition, was genau mit “Freiwilligkeit” beim 12-Stunden-Tag gemeint sei. Für Arbeitgeber wie auch für die Mitarbeiter wäre es wichtig, Klarheit zu schaffen, sagte ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer am Mittwoch, nachdem mehrere Fälle bekanntgeworden waren, dass in Hotels Mitarbeiter zu längeren Arbeitszeiten gedrängt wurden.

(APA/Red)

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