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Kellerleichen-Prozess um Estibaliz C.: Das war der vierte Tag

Estibaliz C. am vierten Prozesstag in Wien
Estibaliz C. am vierten Prozesstag in Wien ©APA
Der Donnerstag war der letzte Tag im Kellerleichen-Prozess um Estibaliz C. - mit dichtem Programm. Weitere Zeugen kamen zu Wort, zahlreiche Gutachten wurden erläutert und das Beweisverfahren schließlich abgeschlossen. Die psychiatrische Gutachterin empfahl dezidiert Maßnahmenvollzug für die Angeklagte. Das Urteil wird in den Abendstunden erwartet.
Live-Ticker von heute
Tag 4 im Prozess
Beweisverfahren beendet
Gutachterin für Anstalt
Diese Störung hat C.
Es war kein Affektdelikt
Urteil kommt Donnerstag

Rückschau auf den abschließenden Tag im sogenannten Kellerleichen-Prozess im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichts: Die psychiatrische Sachverständige Adelheid Kastner hat am Donnerstag dem Schwursenat (Vorsitz Susanne Lehr) empfohlen, die Angeklagte Estibaliz C. in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher einzuweisen.

Düstere Zukunftsprognose für Estibaliz C.

Estibaliz C. wird beschuldigt, ihren Ex-Mann Holger H. im April 2008 und ihren Lebensgefährten Manfred H. im November 2010 aus nächster Nähe erschossen, mit einer Kettensäge zerstückelt und in einem Kellerabteil unter ihrem Eissalon “Schleckeria” in Wien-Meidling einbetoniert zu haben. Das Urteil soll am Abend folgen.

Estibaliz C. leide an einer höhergradigen seelisch-geistigen Abartigkeit, so Kastner. Die Gutachterin bescheinigte der 34-Jährigen eine ausgesprochen düstere Zukunft. Eine “weitere Tatbegehung” liege bei ihr “bei realistischer Betrachtung nahe”.

Zur Wahrscheinlichkeit weiterer Morde

Bei Tötungsdelikten liege – bezogen auf männliche Straftäter – die statistische Wahrscheinlichkeit für ein neuerliches Töten von Menschen grundsätzlich bei maximal sechs Prozent. Estibaliz C. habe mit dem Erschießen von Manfred H. aus dieser Wahrscheinlichkeit “hundert Prozent gemacht”, gab Kastner zu bedenken. “Der Lerneffekt der ersten Tötungshandlung (dem inkriminierten Erschießen ihres Ex-Mannes Holger H., Anm.) war eine bessere Effizienz bei der zweiten und nicht ein Verhindern der zweiten.”

Kastner bezifferte die statistische Wahrscheinlichkeit, dass Estibaliz C. in den nächsten zehn Jahren neuerlich eine Straftat mit schweren Folgen begehen wird, mit 31 Prozent. Dabei handle es sich um eine “individuelle Prognose, bezogen auf ihre konkrete Persönlichkeitsstruktur”. Estibaliz C. könne “von sich aus schlecht aus ihren Mustern heraus. Die Mechanismen sind vorhanden. Die werden sie fast zwingend wieder in solche Situationen führe”, sagte Kastner.

Ist Therapie für Estibaliz C. möglich?

Ob bei der an sich therapiebedürftigen Frau therapeutische Maßnahmen überhaupt wirken, ließ die Sachverständige offen. Dafür sei die Bereitschaft erforderlich, sich einer Therapie zu stellen. Ob eine solche bei Estibaliz C. überhaupt gegeben ist, erschien Kastner fraglich. In der U-Haft habe die 34-Jährige zwar psychiatrische Hilfe in Anspruch genommen – dies aber nicht, um gegen ihre Persönlichkeitsstörung anzugehen, sondern um “die Erinnerung an schieres Grauen” zu bekämpfen, so die Sachverständige.

Angeklagte eindeutig zurechnungsfähig

Die Gutachterin schloss einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand bei Estibaliz C. zum Zeitpunkt der ihr vorgeworfenen Taten aus. “Es ist keine Ursache fassbar, warum sie zurechnungsunfähig sein sollte. Es war ihr immer klar, was Recht und Unrecht ist”, sagte die Gutachterin, die der Angeklagten damit keinen Schuldausschließungsgrund bescheinigte. Die erste inkriminierte Tathandlungen wäre ebenso wie die zweite “ganz klar kein Affektdelikt” gewesen, so Kastner. Bis es dazu kam, sei eine “lange Entwicklung” abgelaufen. Auch der Versuch, die Taten zu verbergen, spreche gegen Affektdelikte.

Kastner attestierte Narzissmus pur

Eine herkömmliche Trennung, ein schlichtes Verlassen der Männer, die sie nicht glücklich machten, sei Estibaliz C. nicht möglich gewesen. Sie habe das “nicht gelernt”, betonte die Psychiaterin: “Dieser Weg war für sie nicht unmittelbar gangbar.” Kastner bescheinigte der Angeklagten “eine gravierende, umfassende, vielgestaltige Persönlichkeitsstörung”. Estibaliz C. setze das, was sie will, für absolut: “Das ist Narzissmus pur.”

Kellerleichen-Prozess: Maßnahmenvollzug droht

Zur Erläuterung der Empfehlung Kastners in Sachen Maßnahmenvollzug: Estibaliz C. droht im Fall eines Schuldspruchs zusätzlich zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe den sogenannte Maßnahmenvollzug. In eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher können auch an sich zurechnungsfähige Personen eingewiesen werden, wenn sie für derart gefährlich angesehen werden, dass von ihnen die neuerliche Begehung von Straftaten mit schweren Folgen zu erwarten ist. Genau das hält die psychiatrische Sachverständige Adelheid Kastner bei Estibaliz C. für wahrscheinlich.

Für geistig abnorme Rechtsbrecher hat die Justiz derzeit vier Standorte in Österreich eingerichtet, sagte der Leiter der Vollzugsdirektion, Peter Prechtl. Es sind dies die Haftanstalt in Wien-Mittersteig mit ihrer Außenstelle in Floridsdorf, wo rund 150 Delinquenten untergebracht sind und welche das einzige ausschließlich abnormen Rechtsbrechern vorbehaltene Gefängnis ist, dazu Abteilungen in den Anstalten Stein, Garsten und Graz-Karlau. Nach dem Paragrafen 21/2 sind in Österreich derzeit 444 Häftlinge eingewiesen.

Sehr selten werden Frauen eingewiesen

Einweisungen in Anstalten für geistig abnorme Rechtsbrecher sind unter weiblichen Straftätern sehr selten. Nur sieben der derzeit in Österreich einsitzenden rund 600 Straftäterinnen sind nach dem Paragrafen 21 StGB behandelt worden. Sie sitzen in der Frauenjustizanstalt Schwarzau. Damit beträgt der Anteil geistig abnormer Rechtsbrecherinnen unter den weiblichen Straftätern nicht einmal 1,2 Prozent.

Das Beweisverfahren war am frühen Nachmittag abgeschlossen. Auf dem Programm standen noch die Beratung über den Fragenkatalog an die Geschworenen sowie – nach einer Pause – die Schlussvorträge von Staatsanwältin Petra Freh und Verteidiger Rudolf Mayer. Mit dem Urteil im Prozess um Estibaliz C. ist nicht vor 18.00 Uhr zu rechnen – es soll bis spätestens 22:00 Uhr endgültig gefällt werden.

(apa/red)

Alle Details zum vierten Prozesstag können Sie in unserem Liveticker nachlesen.

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