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Zypern: Parlament lehnt Rettungspaket ab

Die Forderung der Demontranten vor dem Parlament wurde erfüllt.
Die Forderung der Demontranten vor dem Parlament wurde erfüllt. ©AP
Das Rettungspaket für Zypern samt der umstrittenen Zwangsabgabe auf Bankguthaben ist im Parlament des kleinen Inselstaates auf ganzer Linie durchgefallen. 36 von 56 Abgeordneten stimmten am Dienstagabend nach einer hitzigen Debatte dagegen. 19 enthielten sich der Stimme.
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Eine Abgeordnete war nicht anwesend. Dies teilte der Parlamentspräsident Giannakis Olirou mit. Damit sprachen sich die Parlamentarier, trotz überarbeitetem Paket – gegen dieses aus. Die EU-Finanzspritze hing daran. Zypern steht nun am Scheideweg.

Zwangsabgabe als Bedingung für Finanzhilfe

Die Ablehnung hatte sich bereits nach dem Beschluss des Rettungspaketes am Wochenende in Brüssel abgezeichnet. Angesichts des wachsenden Widerstandes in Bevölkerung und Parlament war die Abstimmung mehrfach verschoben worden.

Die Zwangsabgabe soll 5,8 Milliarden Euro einbringen – und ist Bedingung der Euro-Partner für Kreditzusagen im Umfang von 10 Milliarden Euro.

Präsident Nikos Anastasiades hatte unter dem Druck massiver Proteste die einmalige Zwangsabgabe für Bankkunden bereits abgeschwächt. Das veränderte Gesetz sollte nunmehr Guthaben bis zu 20.000 Euro verschonen.

“Werden nicht die Sklaven des 21. Jahrhunderts werden”

Das reichte allerdings nicht, um die Abgeordneten zu besänftigen. Während der Debatte sagten mehrere Abgeordnete, es sei “eine Frage der Ehre, Nein zu sagen”. Draußen vor dem Parlament skandierten derweil Demonstranten: “Wir werden nicht die Sklaven des 21. Jahrhunderts werden.” Sie jubelten, nachdem sie erfuhren, wie die Abstimmung ausging, hieß es in der “ZiB 1” des ORF.

Die Inselrepublik Zypern steuert damit auf den finanziellen Untergang zu. Auf der verzweifelten Suche nach anderen Geldquellen flog der zypriotische Finanzminister Michalis Sarris am Abend nach Moskau ab, wie das staatliche zyprische Radio berichtete.

Aktienmärkte reagierten im Vorfeld nervös

Die hochnervösen Finanzmärkte blieben angesichts der unklaren Lage den ganzen Tag über in Lauerstellung. Der Eurokurs rutschte wieder unter 1,29 Dollar. Die europäischen Börsen rangierten ebenfalls leicht im Minus.

Berlin warnte vor einer Ablehnung

Die Zwangsabgabe sollte 5,8 Milliarden Euro einbringen – und ist Bedingung der Euro-Partner für Kreditzusagen im Umfang von 10 Milliarden Euro. Die deutsche Bundesregierung warnte Zypern vor der Abstimmung vor weiteren Verzögerungen und einem Scheitern des Rettungspakets im Parlament.

Dies gefährde die Hilfen aus dem Euro-Rettungsfonds und die weitere Finanzierung der zypriotischen Banken, wurde in Berlin betont. “Solange das Parlament nicht entscheidet, gibt es kein Programm. Solange es kein Programm gibt, ist die Liquiditätshilfe für die zypriotischen Banken gefährdet. Solange können auch die zypriotischen Banken nicht geöffnet werden”, verlautete aus Regierungskreisen: “Das ist schwierig, aber so ist die Lage.”

Demonstranten und Polizei vor dem Parlament

Das umstrittene Gesetz der Zwangsabgabe für Kontoinhaber in Zypern und die Abstimmung darüber wurde zur Zerreißprobe für die eben erst gewählte Regierung von Präsident Anastasiades. Unter dem Druck massiver Proteste hatte die Regierung die einmalige Zwangsabgabe für Bankkunden bereits abgeschwächt, Guthaben bis zu 20.000 Euro sollten verschont bleiben.

Hunderte Demonstranten versammelten sich vor dem Parlamentsgebäude und forderten die Ablehnung der Zwangsabgabe auf Bankeinlagen. Die Polizei sperrte das Parlamentsgebäude weiträumig ab. Ein Hubschrauber der Polizei kreiste über dem Stadtgebiet.

Erstentwurf wurde immer mehr entschärft

Anastasiades hatte die ganze Nacht über versucht, seine Konservativen und die oppositionellen Abgeordneten auf seinen Kurs einzuschwören. Allerdings: “Egal wie man zählt, es kommt keine Mehrheit für das Gesetz raus”, sagte ein hochrangiger Diplomat in Nikosia.

Nach der abgelehnten Gesetzesvorlage sollten nun die Kontoinhaber für Beträge zwischen 20.000 Euro und 100.000 Euro 6,75 Prozent an den Staat abgeben. Beträge über 100.000 Euro werden wie gehabt mit 9,9 Prozent belastet. Den Kontoinhabern sollte die bittere Pille schmackhaft machen: Es werde Kompensationen in Form von Bankaktien geben, hieß es.

Zudem sollen diejenigen, die ihr Geld für die nächsten zwei Jahre im Lande lassen, 50 Prozent der verlorenen Summe in Form von Optionen auf die Gewinne aus den vermuteten Gasvorkommen vor der Küste Zyperns bekommen, berichtete das Staatsfernsehen.

Die Eurogruppe hatte Zypern am Vorabend zugestanden, den Freibetrag sogar bis auf 100.000 Euro zu erhöhen. Experten gingen aber davon aus, dass die Regierung bei einer solch großzügigen Regelung nicht die erforderliche Summe von 5,8 Milliarden Euro zusammenbekommt, auf der die Euro-Partner bestehen.

IWF unterstützt Schonung von kleineren Guthaben

Dass Bankkunden mit kleineren Guthaben doch nicht per Zwangsabgabe beteiligt werden sollen, stieß auch bei IWF-Chefin Christine Lagarde auf Zustimmung: “Wir unterstützen voll und ganz das Vorhaben der Behörden in Zypern, stärker gestaffelte Raten nach Höhe der Bankeinklagen einzuführen”, sagte Lagarde bei einer Tagung in Frankfurt. Am vereinbarten Beitrag von 5,8 Milliarden Euro dürfe aber nicht gerüttelt werden.

Deutsche Bank warnt vor “Präzedenzfall Zypern”

Dass erstmals in der Euro-Schuldenkrise Sparer direkt an den Milliardenkosten beteiligt werden sollen, birgt nach Ansicht von Deutsche-Bank-Co-Chef Anshu Jain aber auch Risiken. Zwar sei das Zypern-Modell wahrscheinlich keine Blaupause für andere EU-Staaten. Doch es schaffe einen “Präzedenzfall”: Der Rahmen für die Beteiligung von Gläubigern an Rettungsmaßnahmen werde in einer Weise erweitert, “der die Stimmung von Investoren negativ beeinflussen könnte, sollten andere Peripheriestaaten in Schwierigkeiten geraten”, sagte Jain. (APA/Reuters)

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