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Zwischen Sucht und großem Geld

Bludenz -  Mit der Polizei auf Glücksspielrazzia in Bludenz. Mehrere hundert illegale Automaten vermuten die Beamten hierzulande.

Drei Beamte in Zivil haben die Lage bereits sondiert: „Unten ist niemand am Spielen, aber im Eck ist einer dran“, statten sie dem uniformierten Kollege Bericht. Es kann also losgehen. Vieler Worte bedarf es nicht, wenn Polizei und Bezirkshauptmannschaft ein Lokal betreten. Die Herren des Hauses wissen, was los ist. Es ist schließlich nicht ihre erste Glücksspielkontrolle. Die Kontrolleure achten darauf, dass sie stets einen Spieler „in flagranti“ erwischen: „Im Strafverfahren ist es von Vorteil, wenn wir einen Zeugen vorweisen können“, erläutert Arnold Brunner, Leiter der Abteilung Polizei und Verkehr bei der BH Bludenz. „Denn hinter den Eigentümern der Spielautomaten sitzen meist große Rechtsanwaltskanzleien, die alle Möglichkeiten ausreizen.“

Aus dem Boden geschossen

In Vorarlberg ist das „kleine Glücksspiel“ verboten. Erlaubt sind Spielautomaten, mit denen kein Geld gewonnen werden kann, sowie Sportwettenautomaten. „Unserer Ansicht nach sind aber auch Hundewetten illegal, da die nicht live übertragen, sondern stets aufgezeichnet werden“, fügt Brunner hinzu. Offiziell firmieren die Etablissements als Wettlokale, doch „wir gehen davon aus, dass es in allen illegale Spielautomaten gibt“, sagt der BH-Abteilungsleiter. In den letzten Jahren seien die Automaten nur so aus dem Boden geschossen. Alleine in der Bludenzer Bahnhofstraße befinden sich fünf solcher Lokale in unmittelbarer Nähe.

Amtlich beschlagnahmt

Mit zittrigen Händen gibt der Spieler den Beamten seine Personalien zu Protokoll: „Ich bin spielsüchtig“, gesteht er. Schnellen Schrittes verlässt er das Lokal und verschwindet hinter der verspiegelten Tür nebenan. Auch die anderen Gäste, die auf Plastikstühlen lungern und ein Fußballspiel verfolgen, ziehen sich nach und nach zurück. Die Frau hinter dem Tresen lässt die Bürokratie routiniert über sich ergehen. „Amtlich beschlagnahmt.“ Sechs solcher Siegel klebt eine junge Beamtin auf das verbotene Gerät, das in einigen Tagen per Lkw in das Bezirksdepot oder in das Zentrallager nach Bregenz transportiert werden soll. Nach einem positiven Strafverfahren werden die Glücksspielautomaten eingezogen und zerstört. Den Geräteeigentümern und den Lokalbetreibern winken Strafen bis zu 22.000 Euro. „Der Automat muss solange hier bleiben“, sagt der Beamte nochmals eindringlich zur Angestellten. Denn auch Siegelbruch ist strafbar und kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen geahndet werden.

 

Hunderte Illegale

 

Mehrere hundert illegale Automaten vermuten die Beamten hierzulande. „Wenn Geräte beschlagnahmt werden, dann werden sie meist innert kürzerer Zeit nachbestückt“, spricht Brunner aus Erfahrung. Im nächsten Lokal haben die Kontrolleure weniger Glück. Die Tür, hinter jener zuvor der Spielsüchtige verschwunden war, ist verriegelt. „Die Kontrollen sprechen sich schnell rum. Wenn wir im ersten Lokal anfangen, dann schließen die anderen meist“, erzählt der Beamte in Uniform. Doch noch eine Spielbude haben die Gesetzeshüter im Visier. Das Lokal ist geöffnet, in einer Ecke stehen auch vier Geldspielgeräte – allesamt sind jedoch abgeschaltet, auf zweien klebt ein Zettel: „Außer Betrieb“. Brunner greift seitlich an die Geräte: „Die sind wahrscheinlich noch warm“, mutmaßt er. Doch in diesem Fall sind dem Kontrolltrupp quasi die Hände gebunden. Auffallend viele junge Männer – großteils mit Migrationshintergrund – sind hier anzutreffen. „Für junge Leute gibt es in Bludenz keine Unterhaltungsmöglichkeiten, in gewissen Lokalen sind Ausländer nicht willkommen“, ist für einen 28-jährigen Anwesenden der Grund klar. „Darum gehen sie eben an Automaten zocken, nehmen Drogen, trinken Alkohol oder randalieren auf der Straße.“ Gäbe es öffentliche Häuser mit Tischfußball oder Playstation, ist er überzeugt, dann wäre das anders. Der 28-Jährige kennt das Milieu, hat früher selbst viel gespielt. „Wenn ich hierher gekommen bin, dann war das Geld weg. Heute gehe ich lieber arbeiten und bringe etwas Geld auf die Seite.“

Jugendlicher Chef

Dann gibt sich auch der Chef die Ehre, hat wohl Wind von der Kontrolle bekommen. Tomo Markovic ist 23 Jahre alt und hat das Wettlokal im Oktober übernommen. „Ich wollte viel Geld machen“, erzählt der 23-Jährige, der zudem als Schlosser und Fußballer sein Brot verdient. So viel wie erhofft würde jedoch nicht übrig bleiben: „600 bis 700 Euro“, sagt er. Auf das Thema Sucht angesprochen, meint er nur: „Ein Arbeiter mit Familie, der 1200 Euro im Monat verdient, der hat kein einfaches Leben. Dann soll er bei uns wenigsten Spaß haben.“ Für heute ist die Kontrolle beendet. Ausbeute: ein Automat. In spätestens einem Monat werden die Beamten aber erneut auf Kontrollmission gehen.

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