Zwischen Sturmwarnung und Selfieanfragen: Der Berufsalltag eines Kapitäns
VOL.AT trifft den Kapitän Moritz Nesensohn um 8.15 Uhr im Hafen Bregenz. Seine Vorbereitung beginnt jedoch nicht erst mit Betreten des Schiffes. "Mein Arbeitstag startet schon daheim”, erklärt der Kapitän. Er checkt den Wetterbericht, prüft den Fahrplan und stellt sich auf die Bedingungen des Tages ein.
Kapitän Moritz Nesensohn gibt Einblicke in seinen Berufsalltag:
Gefährlichstes Binnengewässer in Europa
Wer denkt, dass der Bodensee nur idyllisches Gewässer ist, täuscht sich. "Der Bodensee ist auf jeden Fall eines der gefährlichsten Binnengewässer in Europa”, bestätigt der Kapitän. Plötzliche Wetterumschwünge können dort das Wasser schnell unberechenbar machen.




Im Notfall werden Fahrten gestrichen
Die Sicherheit der Passagiere steht für den Kapitän an erster Stelle: "Das Wichtigste ist natürlich kein Risiko, das heißt, wenn es einmal zu schlimm wird, dann lässt man eventuell Landestellen aus oder man fährt gar nicht aus dem Hafen raus.”


Sicherheitscheck am Morgen
Für die optimale Sicherheit der Passagiere steht jeden Morgen ein Rundgang über das Schiff auf der To-do-Liste. Es werden neben der Sauberkeit, Anker, Kühlwasser, Motor, Technik auch die Rettungsmittel an Bord kontrolliert. Gebraucht hat der Lauteracher die Rettungsmittel zum Glück noch nie. Denn in der Personenschifffahrt habe es bislang keine ernsthaften Vorfälle gegeben, beschwichtigt er.


Früh an Bord
Für den Rundgang ist der Kapitän auch immer schon mindestens eineinhalb Stunden vor Abfahrt an Bord. Falls etwas repariert werden muss, hat er genügend Zeit dafür. Zur Werkstatt sind es nämlich weite Wege. "Falls etwas wäre, ist es sonst zu stressig”, erklärt er. Meist ist jedoch alles in Ordnung. Oft gibt es nur Kleinigkeiten, die anfallen, wie etwa das Wechseln von Glühbirnen oder Filtern.

"Kannst auf dem See nicht halten und den ÖAMTC rufen”
Die Kapitäne kennen sich selbst jedoch ebenfalls technisch auch aus, falls später auf dem See etwas am Schiff defekt wäre. In der Schifffahrt gibt es den klassischen Werdegang, bei dem man alle Bereiche kennenlernt. Denn das umfassende Wissen ist als Kapitän essenziell: "Wenn man auf dem See draußen ist, dann hat man keine Werkstatt, die man rufen kann. Man ist einfach auf sich allein gestellt.”



Werdegang vom Matrosen bis zum Kapitän
Doch die Kapitäne sind durch ihre breit gefächerten Erfahrungswerte meist nicht auf eine Werkstatt angewiesen. "Wir haben gestartet als Hafenmatrose und Matrose. Und anschließend ist es dann weitergegangen über Kassier, Steuermann bis zum Kapitän”, so der 40-Jährige. Eine Besonderheit in der Branche: Nur wenn ein Kapitänsposten frei wird, kann ein geeigneter Kollege nachrücken.

Generationswechsel in der Schifffahrt
Das war in den vergangenen Jahren durch eine Pensionierungswelle mehrfach der Fall – ein Generationswechsel ist spürbar. Manche entscheiden sich bewusst gegen diesen Schritt, weil sie lieber mit den Gästen an Bord arbeiten.

Zu jeder Jahreszeit auf dem See unterwegs
Nesensohn selbst hat diese komplette Laufbahn ebenfalls durchlaufen. Er ist seit 2019 Kapitän. Jedes Schiff braucht dann nochmals eine eigene Einschulung. So wird er diesen Sommer etwa für die Sonnenkönigin geschult.


Nicht nur im Sommer
Die Vorarlberg Lines Bodenseeschifffahrtgesellschaft betreibt insgesamt sechs Schiffe, die zum Teil während der Saison von März bis Oktober im Linienverkehr im Einsatz sind. Doch eigentlich sind die Kapitäne das ganze Jahr über auf dem See unterwegs. In den Wintermonaten folgen Sonder- und Themenfahrten.


Über 60 Jahre altes Schiff
An diesem Tag ist Nesensohn der Kapitän auf dem Motorschiff Vorarlberg, Baujahr 1964. Doch ob modern oder älter – einen großen Unterschied beim Fahren gebe es laut Nesensohn nicht. Einfacher seien sogar eher die älteren Gefährte.


Leinen los!
Es ist inzwischen 9.45 Uhr. Alles ist kontrolliert, der Motor läuft, die Rampe wurde entfernt. Die Gäste befinden sich an Bord. Nesensohn hat sie beim Betreten mitgezählt. Nesensohn legt vom Steuerstand außen ab. Von dort hat er alles im Blick. Später sitzen er und Steuermann Stefan Frei-Springer drinnen und steuern den nächsten Halt in Lindau an.



Highlight für Kinder
Trotz der Verantwortung bleibt dort auch Raum für Begegnungen. Kinder dürfen ins Steuerhaus, den Kapitänshut anprobieren und sich ans Steuer setzen, wenn es die Wetterlage gerade zulässt. "Da strahlen die Augen – meistens will der Papa auch noch ein Foto machen”, erzählt Frei-Springer. Hochzeitsgesellschaften, Geburtstage und viele Selfies gehören zum Alltag. Da sie zu zweit sind, kann einer dabei die Fahrt im Blick behalten.




Land in Sicht!
"Lindau ist unser nächster Halt”, spricht der Steuermann ins Mikrofon. Dort angekommen, verlässt VOL.AT das Schiff am Vormittag. Nach dem Zwischenstopp in Lindau geht es für das Schiff weiter nach Meersburg, Mainau und in Richtung Überlingen. Die Crew wird das Bregenzer Seeufer erst am Abend wieder betreten. Auf der Rückfahrt werden sie wahrscheinlich viele müde, aber glückliche Ausflügler an Bord haben. Der eine oder ander Passagier gönnt sich dann gerne ein Schläfchen. Man nennt das Schiff deshalb gerne auch den "Schlummerkurs".




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(VOL.AT)