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©VOL.AT/Canva/Schwärzler/Berkmann

Zwischen Sturmwarnung und Selfieanfragen: Der Berufsalltag eines Kapitäns

Für viele Vorarlberger ist der Bodensee ein beliebtes Ausflugsziel an freien Tagen – für den Kapitän Moritz Nesensohn ist er der Arbeitsplatz. VOL.AT begleitet den 40-Jährigen auf dem Weg von Bregenz nach Lindau und bekommt exklusive Einblicke in den Berufsalltag auf dem Wasser. Wie ist es, dort zu arbeiten, wo andere Urlaub machen und die Verantwortung über zahlreiche Gäste zu haben?

VOL.AT trifft den Kapitän Moritz Nesensohn um 8.15 Uhr im Hafen Bregenz. Seine Vorbereitung beginnt jedoch nicht erst mit Betreten des Schiffes. "Mein Arbeitstag startet schon daheim”, erklärt der Kapitän. Er checkt den Wetterbericht, prüft den Fahrplan und stellt sich auf die Bedingungen des Tages ein.

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Kapitän Moritz Nesensohn gibt Einblicke in seinen Berufsalltag:

Gefährlichstes Binnengewässer in Europa

Wer denkt, dass der Bodensee nur idyllisches Gewässer ist, täuscht sich. "Der Bodensee ist auf jeden Fall eines der gefährlichsten Binnengewässer in Europa”, bestätigt der Kapitän. Plötzliche Wetterumschwünge können dort das Wasser schnell unberechenbar machen.

VOL.AT auf dem Schiff. ©VOL
Beruf Kapitän
Hinter den Kulissen: VOL.AT zu Besuch auf dem Schiff. Vor der Abfahrt wird alles auf dem Schiff vorab geprüft. ©Laura Schwärzler
Moritz Nesensohn erklärt VOL.AT, auf was es in seinem Beruf ankommt. ©Laura Schwärzler
VOL.AT begleitet Moritz Nesensohn an seinem Arbeitstag als Kapitän. ©Laura Schwärzler

Im Notfall werden Fahrten gestrichen

Die Sicherheit der Passagiere steht für den Kapitän an erster Stelle: "Das Wichtigste ist natürlich kein Risiko, das heißt, wenn es einmal zu schlimm wird, dann lässt man eventuell Landestellen aus oder man fährt gar nicht aus dem Hafen raus.”

An mehreren Stellen ist das Schiff mit Schwimmwesten bestückt. ©Laura Schwärzler
Für die Passagiere gibt es besondere Sicherheitsvorkehrungen. ©Laura Schwärzler

Sicherheitscheck am Morgen

Für die optimale Sicherheit der Passagiere steht jeden Morgen ein Rundgang über das Schiff auf der To-do-Liste. Es werden neben der Sauberkeit, Anker, Kühlwasser, Motor, Technik auch die Rettungsmittel an Bord kontrolliert. Gebraucht hat der Lauteracher die Rettungsmittel zum Glück noch nie. Denn in der Personenschifffahrt habe es bislang keine ernsthaften Vorfälle gegeben, beschwichtigt er.

Die Ruhe vor dem Sturm: Ein Kaffee, bevor die Passagiere kommen. ©Laura Schwärzler
Beruf Kapitän
Vor Abfahrt wird noch schnell etwas unter der Crew besprochen. ©Laura Schwärzler

Früh an Bord

Für den Rundgang ist der Kapitän auch immer schon mindestens eineinhalb Stunden vor Abfahrt an Bord. Falls etwas repariert werden muss, hat er genügend Zeit dafür. Zur Werkstatt sind es nämlich weite Wege. "Falls etwas wäre, ist es sonst zu stressig”, erklärt er. Meist ist jedoch alles in Ordnung. Oft gibt es nur Kleinigkeiten, die anfallen, wie etwa das Wechseln von Glühbirnen oder Filtern.

Im Bregenzer Hafen startet das Kursschiff. ©Laura Schwärzler

"Kannst auf dem See nicht halten und den ÖAMTC rufen”

Die Kapitäne kennen sich selbst jedoch ebenfalls technisch auch aus, falls später auf dem See etwas am Schiff defekt wäre. In der Schifffahrt gibt es den klassischen Werdegang, bei dem man alle Bereiche kennenlernt. Denn das umfassende Wissen ist als Kapitän essenziell: "Wenn man auf dem See draußen ist, dann hat man keine Werkstatt, die man rufen kann. Man ist einfach auf sich allein gestellt.”

Beruf Kapitän
Tickets werden beim Betreten des Schiffes kontrolliert. ©Laura Schwärzler
Die Personen, die das Schiff betreten oder verlassen, werden mitgezählt. ©Laura Schwärzler
Die Passagiere sind auf dem Schiff, die "Vorarlberg” wird startbereit gemacht. ©Laura Schwärzler

Werdegang vom Matrosen bis zum Kapitän

Doch die Kapitäne sind durch ihre breit gefächerten Erfahrungswerte meist nicht auf eine Werkstatt angewiesen. "Wir haben gestartet als Hafenmatrose und Matrose. Und anschließend ist es dann weitergegangen über Kassier, Steuermann bis zum Kapitän”, so der 40-Jährige. Eine Besonderheit in der Branche: Nur wenn ein Kapitänsposten frei wird, kann ein geeigneter Kollege nachrücken.

Die Vorarlberg Lines Bodenseeschifffahrt hat sechs Schiffe, die fast das ganze Jahr unterwegs sind. Jedes Schiff braucht eine neue Einschulung. ©Laura Schwärzler

Generationswechsel in der Schifffahrt

Das war in den vergangenen Jahren durch eine Pensionierungswelle mehrfach der Fall – ein Generationswechsel ist spürbar. Manche entscheiden sich bewusst gegen diesen Schritt, weil sie lieber mit den Gästen an Bord arbeiten.

Moritz Nesensohn ist seit 2019 Kapitän. ©Laura Schwärzler

Zu jeder Jahreszeit auf dem See unterwegs

Nesensohn selbst hat diese komplette Laufbahn ebenfalls durchlaufen. Er ist seit 2019 Kapitän. Jedes Schiff braucht dann nochmals eine eigene Einschulung. So wird er diesen Sommer etwa für die Sonnenkönigin geschult.

Beruf Kapitän
Das Motorschiff Vorarlberg ist
Moritz Nesensohn im VOL.AT-Interview. ©Laura Schwärzler

Nicht nur im Sommer

Die Vorarlberg Lines Bodenseeschifffahrtgesellschaft betreibt insgesamt sechs Schiffe, die zum Teil während der Saison von März bis Oktober im Linienverkehr im Einsatz sind. Doch eigentlich sind die Kapitäne das ganze Jahr über auf dem See unterwegs. In den Wintermonaten folgen Sonder- und Themenfahrten.

Auch die Crew will gut informiert sein. ©Laura Schwärzler
Er arbeitet dort, wo andere Urlaub machen. ©Laura Schwärzler

Über 60 Jahre altes Schiff

An diesem Tag ist Nesensohn der Kapitän auf dem Motorschiff Vorarlberg, Baujahr 1964. Doch ob modern oder älter – einen großen Unterschied beim Fahren gebe es laut Nesensohn nicht. Einfacher seien sogar eher die älteren Gefährte.

Beruf Kapitän
Das Motorschiff Vorarlberg in Zahlen. ©Laura Schwärzler
Die Linienschiffe der Vorarlberg Lines fahren ab Hafen Bregenz mit Halt in Lindau, Wasserburg, Nonnenhorn, Kressbronn, Langenargen, Friedrichshafen, Immenstaad, Hagnau, Meersburg bis zur Insel Mainau. ©Laura Schwärzler

Leinen los!

Es ist inzwischen 9.45 Uhr. Alles ist kontrolliert, der Motor läuft, die Rampe wurde entfernt. Die Gäste befinden sich an Bord. Nesensohn hat sie beim Betreten mitgezählt. Nesensohn legt vom Steuerstand außen ab. Von dort hat er alles im Blick. Später sitzen er und Steuermann Stefan Frei-Springer drinnen und steuern den nächsten Halt in Lindau an.

Der Steuermann hat täglich eine malerische Aussicht.
Das Motorschiff Vorarlberg am Weg nach Lindau. Die Glocke deutet noch auf frühere Zeiten hin. ©Laura Schwärzler
Das Lenken eines Schiffes bedeutet Teamarbeit. ©Laura Schwärzler

Highlight für Kinder

Trotz der Verantwortung bleibt dort auch Raum für Begegnungen. Kinder dürfen ins Steuerhaus, den Kapitänshut anprobieren und sich ans Steuer setzen, wenn es die Wetterlage gerade zulässt. "Da strahlen die Augen – meistens will der Papa auch noch ein Foto machen”, erzählt Frei-Springer. Hochzeitsgesellschaften, Geburtstage und viele Selfies gehören zum Alltag. Da sie zu zweit sind, kann einer dabei die Fahrt im Blick behalten.

Auf dem Weg nach Lindau. ©Laura Schwärzler
Es braucht für jeden Kapitän unterschiedlich lange, bis er ein Schiff beherrscht. Jedes Schiff verlangt anderes Können. ©Laura Schwärzler
Stefan Frei-Springer überprüft durchs Fernglas die Umgebung. ©Laura Schwärzler
Erster Stopp an diesem Tag: Lindau. ©Laura Schwärzler

Land in Sicht!

"Lindau ist unser nächster Halt”, spricht der Steuermann ins Mikrofon. Dort angekommen, verlässt VOL.AT das Schiff am Vormittag. Nach dem Zwischenstopp in Lindau geht es für das Schiff weiter nach Meersburg, Mainau und in Richtung Überlingen. Die Crew wird das Bregenzer Seeufer erst am Abend wieder betreten. Auf der Rückfahrt werden sie wahrscheinlich viele müde, aber glückliche Ausflügler an Bord haben. Der eine oder ander Passagier gönnt sich dann gerne ein Schläfchen. Man nennt das Schiff deshalb gerne auch den "Schlummerkurs".

Erster Stopp des Kursschiffes ist Lindau. Da wird das Schiff bereits erwartet. ©Laura Schwärzler
Von außen haben die Kapitäne bessere Sicht beim An- und Ablegen. ©Laura Schwärzler
Das Schiff wird bereit fürs Anlegen gemacht. ©Laura Schwärzler
Für VOL.AT endet die Fahrt am Vormittag in Lindau, die Crew ist noch bis am Abend auf dem Schiff unterwegs. ©Laura Schwärzler

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(VOL.AT)

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