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"Zum Abschuss freigegeben"

Ist der Weinort in Gefahr? Bereits der ehemalige Bundeskanzler Bruno Kreisky wusste: "Erst wenn es Grinzing nicht mehr gibt, wissen wir, was wir verloren haben!"

Winzersterben. Der kleine Vorort, in dem im Jahr 276 n. Chr. von
römischen Legionären zum ersten Mal Wein angebaut wurde, hat sich im Laufe der Geschichte gegen sämtliche Schicksalsschläge zur Wehr gesetzt: Weder die Türken noch Feuersbrünste oder die Pest haben das Dörfchen zerstören können. Dann kam allerdings das Jahr 2005 und mit ihm der “Grinzinger Verbauungsplan” aus dem Wiener Rathaus, der das Aufstocken alter, ebenerdiger Häuser sowie zweigeschossige Dachbodenausbauten möglich macht. Sind die Aufstockungen aus statischen Gründen nicht möglich, dürfen die alten Wände niedergerissen und neu aufgebaut werden. Damit war der Startschuß für eine rege Bautätigkeit in Österreichs ältestem Weinhauerdorf gefallen und alte Heurigenbetriebe müssen laufend Luxuswohnhausanlagen weichen.

“In 10 Jahren ausradiert”
“Grinzing ist von unserer Stadtregierung zum Abschuss freigegeben worden”, klagt Michael Lenzenhofer von der Vereinigung
“Weltkulturerbe Grinzing” über die Bauvorhaben in dem geschichtsträchtigen Weinort. “In zehn Jahren ist der Ort ausradiert!” Auch der Obmann des Weinbauvereins Grinzing, Ferdinand Hengel, schliesst sich den düsteren Prophezeiungen an: “Es liegt in den Händen der Stadt Wien, diesen Weinbauort zu sichern – ansonsten sehe ich schwarz.”

Stadt will Charakter wahren
Im Rathaus hat man auf die Vorwürfe reagiert und Arbeitsgruppen mit Experten und Interessenten aus Grinzing installiert, um gemeinsam neue Schritte zu erarbeiten. Stadtrat Rudolf Schicker ist bemüht, den alten und ursprünglichen Heurigencharakter Grinzings zu bewahren und räumt ein, dass “manches nicht schön ist, aber ins Ortsbild passt”. Außerdem sei die Wahrnehmung des Dorfes sehr subjektiv geprägt, da viele als “alt” angesehenen Gebäude tatsächlich aus den 60er Jahren stammen.

Gesetz bereits geändert
Auch Wohnbaustadtrat Michael Ludwig ist sich seiner Verantwortung gegenüber der Tradition bewusst und hat bereits den umstrittenen Paragraphen 69 (“unwesentliche Abweichungen von der Bauordnung”) zu modernisieren begonnen, um der unkontrollierten Bautätigkeit im historischen Ortskern einen Riegel vorzuschieben.

Kritik an Denkmalamt Michael Lenzenhofer wirft dem Bundesdenkmalamt zu spätes Handeln, wie etwa im brisanten Fall des “Hauermandls”(die bz berichtete), und Ahnungslosigkeit gegenüber der Dorfstruktur vor. Ein Vorwurf, den die Präsidentin des Bundesdenkmalamts entschieden zurückweist. “Es gab einen Nachholbedarf in Grinzing, aber seit zwei Jahren stellen wir laufend Objekte unter Denkmalschutz”, stellt Barbara Neubauer klar.

Aussehen allein reicht nicht
“Allerdings ist der Denkmalschutz ein Substanzschutz. Somit fallen Häuser, die aussehen als ob sie 500 Jahre alt wären, tatsächlich aber aus den 50er Jahren stammen, nicht in unseren Kompetenzbereich. Auch ist der Denkmalschutz auf Einzelobjekte beschränkt – auf die Schutzzone Grinzing haben wir keinen Einfluß”. Ebenso verhält es sich mit den historischen Kellern aus dem 16. und 17. Jahrhundert. “Diese Keller stellen wir natürlich unter Schutz, doch sie befinden sich unter dem Niveau. Was darüber gebaut wird, entzieht sich unserer Zuständigkeit.”

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