Die erste Einstellung des Films kommt wohl jedem Stadtbewohner einer größeren Stadt bekannt vor: Ein leerer, anonymer Schlafsack in einer Mauernische, schmutzige Kleiderknäuel, Pappendeckel. So beginnt der Dokumentarfilm “Zu ebener Erde” des Regietrios Birgit Bergmann, Steffi Franz und Oliver Werani. Ab Freitag im Kino.
Zu ebener Erde – Kurzinhalt zum Film
Das besondere an der klassisch gemachten Langfilmdokuarbeit ist der völlige Verzicht auf das Spiel mit der Betroffenheit des Publikums. Vorsichtig, mit Geduld und Respekt begegnen die Macher des Films ihren Protagonisten und Protagonistinnen in Wien. Der Großteil sind Männer verschiedene Alters.
Da ist der – mittlerweile verstorbene – HIV-Kranke Michael, der an der U-Bahn-Haltestelle Pilgramgasse tagein tagaus bettelte und den vorübereilenden Passanten – zumeist unerwidert – einen erfolgreichen Tag wünschte. Da ist der zerknautschte ehemalige Fremdenlegionär, der davon träumt, seine bei einem seiner Einsätze “angebaute” elfjährige Tochter aus Djibouti nach Wien zu holen, bevor sie als Prostituierte verkauft wird; das ungleiche, aus der Slowakei stammende Ehepaar Katka und Laco, auch letzterer seit Ende der Dreharbeiten verstorben, das unter einer Brücke schläft, oder die intellektuelle Wutbürgerin Hedy, die sich in einem verwilderten Grüngebiet irgendwo am Stadtrand von Wien in einem an einen Biberdamm erinnernden Ästehaufen als Wohnstätte eine Art Nest gebaut hat.
Werani und seine beiden Mitstreiterinnen geben mit ihren verwobenen, episodenhaften Porträts den Zuschauern die Möglichkeit, diese Menschen mit gebührendem Abstand und unter Wahrung ihrer persönlichen Würde dennoch näher kennenzulernen. Wenn etwa eine Sozialhelferin einem Klienten neue Kleider gibt und ihn unter die Dusche stellt, um ihn vorher zu waschen, so geschieht das ebenfalls durch respektvolles und dennoch ungeschminktes Herangehen der Filmemacher.
Zu ebener Erde – Die Kritik
Das Filmteam begleitete seine Protagonisten teilweise bis zu ein Jahr lang, bevor die Kamera überhaupt eingeschaltet wurde, um die Menschen kennenzulernen und das nötige Vertrauen zu gewinnen. Konflikte ergaben sich dabei automatisch, gestand Werani bei der Weltpremiere auf der Grazer Diagonale ein: “Wir sind immer wieder an Grenzen gestoßen.” Es seien “viel Tränen geflossen”.
(APA)