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"Zielgerichtete Krebstherapie"

Neues Medikament gegen Nierenkarzinome von deutschem Biochemiker erfunden. Die Substanz kann für modernste Therapie eingesetzt werden.

Die medizinische Fachwelt „schwärmt” derzeit von der „zielgerichtete Krebstherapie” (targeted therapy) auf der Basis der modernen molekularbiologischen Erkenntnisse. Vor kurzem wurde auch in Europa mit Sutinib („Sutent”) eine solche Substanz zugelassen, von der die Onkologen wesentliche Vorteile erwarten. „Zunächst haben wir geglaubt, das wirkt nur an einer Stelle der Tumorzelle. Doch mittlerweile wissen wir, dass sie mehrere Ansatzpunkte hat”, erklärte einer der Erfinder des Medikaments, Univ.-Prof. Dr. Axel Ullrich, Direktor der Abteilung für Molekularbiologie am Max-Planck-Institut für Biochemie (Martinsried), in einem Gespräch mit der APA.

Unter der „zielgerichteten Krebstherapie” verstehen die Experten die Ausnutzung der biochemischen Abläufe in Krebszellen auf rationaler Basis. Zunächst identifizieren die Wissenschafter potenzielle Angriffsziele für Medikamente, dann entwickeln sie Substanzen, die genau dort ansetzen sollen.

Ullrich: „Wir haben Anfang der neunziger Jahre die Entdeckung gemacht, dass der Rezeptor für den ’Vascular Endothelial Growth Factor-2 (VEGF-2, Anm.) für die Bildung von Blutgefäßen in Tumoren wichtig ist. Dann haben wir in Kalifornien mit ’Sugen’ ein Start-Up-Unternehmen gegründet, das sich auf die Suche nach einem kleinen Molekül machte, mit dem wir diesen Rezeptor blockieren wollten.”

Die Blockade der Neubildung von Blutgefäßen in Tumoren galt damals praktisch als „Wunderrezept” gegen bösartige Zellen. Man wollte die Karzinome „aushungern”. Doch der Weg bis zu einem in Kapselform einnehmbaren Medikament auf der Basis der Forschungen Ullrichs war steinig: „Die erste von ’Sugen’ entwickelte Substanz war nicht wasserlöslich. Sie konnte also nicht geschluckt werden. Eine Weiterentwicklung war sehr wirksam, hatte aber Nebenwirkungen. Und schließlich wurde daraus ’Sutinib’, das nunmehr vorliegt. Es ist viel wirksamer, weil es nicht mehr so spezifisch ansetzt.”

Das Start-Up-Unternehmen wurde von dem damaligen Pharmakonzern Farmacia aufgekauft, Farmacia dann von dem US-Riesen Pfizer – und erst jetzt, 13 Jahre nach den ersten Forschungen, wurde das Medikament zur Behandlung von Patienten Nierenzellkarzinomen nach Fehlschlagen einer Interferontherapie und von Kranken mit Weichteilsarkomen des Verdauungstraktes nach Resistenz der Erkrankung gegen das Arzneimittel „Glivec” zugelassen.

Der Wissenschafter: „Mit der Blockade der Gefäßversorgung von Tumoren allein kann man keinen Tumor umbringen. Aber mit Substanzen, die an mehreren Zielen angreifen, ist schon eher möglich.” So wirkt „Sutinib” zumindest gegen fünf Signalewege für Wachstums- und Überlebensfaktoren von Tumorzellen: VEGFR, PDGRF, c-kit, RET und FLT-3. Bei vier von zehn Patienten mit einem Nierenzellkarzinom kann damit der Tumor zum Schrumpfen gebracht werden. Bei den Patienten mit Sarkomen des Magen-Darmtraktes stellt sich noch eine Wirkung bei 70 Prozent der Behandelten ein. Kranke mit sonst unheilbaren Nierenkarzinomen zeigen sechs Monate länger als unter der herkömmlichen Therapie eine Stabilisierung des Leidens. Wahrscheinlich bedeutet das auch im Endeffekt eine etwas längere durchschnittliche Überlebenszeit. In nächster Zukunft werden gar um die 40 solcher oder ähnlicher Medikamente gegen Krebs auf den Markt kommen.

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