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Ziehen, dealen, Jugendknast

Dominik war jahrelang drogenabhängig, hat beinahe sein Leben weggeworfen. Jetzt will er andere davor bewahren.
Dominik war jahrelang drogenabhängig, hat beinahe sein Leben weggeworfen. Jetzt will er andere davor bewahren. ©W&W/ Bianca Taube
Dominik Forster kam mit 13 in Kontakt mit Drogen, mit 21 ist er schwer abhängig. W&W hat er die Geschichte über seinen Weg in und aus dem Drogensumpf erzählt.

Von Anja Förtsch / Wann & Wo

Dominik Forster zieht noch einmal die Nase hoch, dann steckt er sich das kleine Plastikröhrchen ins Nasenloch, senkt seinen Kopf in Richtung Tischplatte und zieht das weiße Pulver in seine Nase. So wie er es vor zehn Minuten bereits getan hat. Und wie er es in zehn Minuten wieder tun wird. Dominik ist abhängig. Speed und Crystal Meth bestimmen sein Leben. Im Minutentakt zieht er, braucht die Drogen, um funktionieren zu können. Dabei funktioniert er natürlich längst nicht mehr. Mit gerade einmal 21 Jahren steht Dominik an der Hochzeit seiner Sucht – und damit unmittelbar vor dem Tiefpunkt seines bisherigen Lebens: Jugendknast.

Der Weg nach unten …

Heute, neun Jahre später, ist Dominik clean. Ex-Junkie, Ex-Dealer, Ex-Knacki. Als Warnung erzählt der 30-Jährige seine Geschichte. Und die beginnt im Alter von 13 Jahren an einer Nürnberger Brennpunktschule. Der Junge wird von seinen Klassenkameraden ausgegrenzt und gemobbt, zuhause verfällt sein Vater immer mehr dem Alkohol während seine Mutter sich in einer Angststörung verliert. Die vermeintlich perfekte Lösung: Drogen. Sie lassen ihn seine Probleme vergessen, verleihen ihm Ansehen unter seinen Mitschülern. „Angefangen habe ich mit Alkohol und Cannabis“, erzählt Dominik WANN & WO. „Innerhalb von drei Monaten habe ich aber Speed, Koks, Crystal, LSD und Pilze ausprobiert.“ Die Spirale dreht sich immer weiter und immer schneller nach unten.

500 Euro zieht sich der Jugendliche schließlich jeden Tag in die Nase. „In so einem Stadium der Sucht bleibt einem nichts anderes, als kriminell zu werden. Ich habe mich entschieden, Drogen zu verkaufen“, schildert der Nürnberger. „Mit 17 Jahren habe ich das erste Mal Drogen genommen und mit Ende 21 saß ich dann schon im Gefängnis.“ Zwei Jahre und sechs Monate
Haftstrafe muss Dominik im Hochsicherheitstrakt des Jugendgefängnisses absitzen. Heute findet er nur drastische Worte für diese Zeit: „Oft kam es mir so vor, als hätte man mir einen überdimensionalen
Trichter ins Maul gestopft und Jahre lang Scheiße reingefüllt.“

… und wieder zurück

Dominik sitzt seine Zeit ab, wird clean, kämpft sich zurück in ein normales Leben. Leicht ist das nicht. „Mit Vorstrafe kriegst du keinen Job“, sagt er WANN & WO. „Wenn du gesessen hast, gibt dir niemand eine Wohnung. Ohne Wohnung kannst du keine Mindestsicherung beantragen. Wenn du keine Mindestsicherung hast und niemanden, bei dem du wohnen kannst, sitzt du auf der Straße und das Einzige, was dir dann noch übrig bleibt, ist wieder kriminell zu werden.“

Mit Glück schafft er es aber raus aus dem Milieu. Trotzdem, die ehemalige Sucht wird Dominik immer im Nacken hängen: „Ich bin neun Jahre clean und sechs Jahre trocken. Geheilt bin ich aber nicht. Ich bin drogensüchtig und werde mein ganzes Leben drogensüchtig bleiben“, erklärt der Nürnberger.

„Drogensucht ist kein gebrochener Arm, den man sechs Wochen eingipst und der dann wieder gut ist.“ Auch wenn Dominiks Geschichte eine außergewöhnliche ist und längst nicht jeder mit harten Drogen wie Crystal in Kontakt kommt – eine große Gefahr gibt es in seinen Augen für jeden: „Alkohol ist für mich die absolut schlimmste Droge der Welt, weil sie gesellschaftlich anerkannt und überall verfügbar ist. In Deutschland saufen sich 80.000 Menschen im Jahr daran kaputt. Acht Millionen Menschen trinken bedenklich viel Alkohol“, warnt er vor seiner Einstiegsdroge.

Ein Verbot ist aber nicht die Lösung, findet er. „Was fehlt, ist Aufklärung. Egal, ob bei Alkohol oder Drogen. Wir müssen Aufklärung ins Schulsystem integrieren.“ Deshalb hat er zwei Bücher, „crystal.klar“ und „klar.kommen“, geschrieben, hält Vorträge an Schulen, in Jugend- und Pfarrzentren. „Ich gehe in Schulklassen und versuche, dort einzugreifen, wo ganz viel passiert, nämlich während des Erwachsenwerdens. In diesem Zuge freut es mich wahnsinnig, dass ich nach über 500 Vorträgen in Deutschland jetzt die ersten in Österreich halte.“ Aber auch denen, die bereits in der Spirale aus Drogen und Alkohol gefangen sind, will er helfen: „Die Geschichte geht weiter“, hält Dominik im Gespräch mit WANN & WO fest. „Ich plane ein Motivationsbuch. Wenn ich es geschafft habe, daraus zu kommen, dann schafft das jeder.“

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