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"Zauberpilze" und "Volksverrat": Streit geht weiter

Statt nach einer Lösung ihres Grenzkonflikts zu suchen, verstricken sich Slowenien und Kroatien immer tiefer in einen Krieg der Worte. Ein Nachgeben in der Causa wird inzwischen als "Volksverrat" bezeichnet.

Ein Nachgeben im Konflikt wäre “Volksverrat”, wetterte der slowenische Nationalistenführer Zmago Jelincic am Donnerstagabend im Laibacher Privatsender POP TV. Der kroatische Spitzenpolitiker Andrija Hebrang zog fast zeitgleich im Zagreber TV eine Parallele zum Unabhängigkeitskrieg Kroatiens Anfang der 1990er Jahre. “Damals unterstützten uns viel weniger Staaten als jetzt, und trotzdem haben wir uns am Ende die Unabhängigkeit und Souveränität erkämpft”, zeigte sich der Parteifreund von Premier Ivo Sanader zuversichtlich, die Blockade der kroatischen EU-Beitrittsgespräche durch Ljubljana brechen zu können.

Losgetreten wurde die jüngste Eskalation vom kroatischen Präsidenten Stjepan Mesic, der dem Nachbarland eine fragwürdige Geschichtslektion erteilt hatte. Ohne den Einsatz kroatischer Partisanen im Zweiten Weltkrieg, die Istrien und Triest befreit hätten, “würde Slowenien heute aus 20 Kilometer Entfernung aufs Meer blicken”, sagte Mesic am Wochenende in einem Zeitungsinterview. Er spielte damit auf den Hauptstreitpunkt im Konflikt an, die Grenzziehung in der Adriabucht von Piran.

Mesic’ slowenischer Amtskollege Danilo Türk bezeichnete die Aussage am Donnerstag als “inakzeptabel”. “Das hilft nicht bei der Lösung der offenen Fragen zwischen Slowenien und Kroatien”, zeigte sich der slowenische Präsident indigniert. Die oppositionelle Slowenische Volkspartei (SLS) sprach von einer “bewussten Provokation” und forderte auch eine Blockade des kroatischen NATO-Beitritts durch Ljubljana. Der liberaldemokratische Europaparlamentarier Jelko Kacin verglich die Mesic-Aussage gar mit den Fehlleistungen des scheidenden US-Präsidenten George W. Bush. “Wir werden es wohl noch mit einigen Mesicismen dieser Art zu tun haben.”

Slowenische Partisanenvertreter warfen dem kroatischen Präsidenten “hasserfüllte Sprache” vor. “Der Volksbefreiungskampf war ein gemeinsamer Kampf aller Völker des damaligen Jugoslawien”, betonte Partisanensprecher Bozo Novak. Jelincic erinnerte daran, dass die “kroatischen Partisanen” in Wirklichkeit in Istrien und dem dalmatinischen Hinterland lebende Serben und Slowenen gewesen seien. “Es hat vielleicht einen Vorzeigekroaten bei den Partisanen gegeben, der Rest waren (mit dem Hitler-Regime verbündete) Ustascha oder Domobranzen”, sagte der Chef der Slowenischen Nationalpartei (SNS).

Eine Geschichtsauffassung, die wiederum bei kroatischen Partisanen für Empörung sorgte. “Seid ihr Slowenen völlig durchgedreht? Habt ihr Zauberpilze gegessen oder was, dass ihr sagt, nicht wir hätten Istrien und das slowenische Küstenland befreit”, sagte der Veteran Lovro Reic der Tageszeitung “Slobodna dalmacija”. Tatsächlich seien die slowenischen Partisanen erst “als Touristen” nach Triest gekommen, als die Kämpfe um die Küstenstadt schon längst vorbei gewesen seien.

Als Nachbarschaftskonflikt kann man das, was sich zwischen Ljubljana und Zagreb abspielt, nicht mehr bezeichnen, meint selbst der slowenische Botschafter in Zagreb, Milan Orozen Adamic. Beim Neujahrsempfang des kroatischen Präsidenten für die ausländischen Diplomaten in Zagreb sagte er am Donnerstag: “Man kann es mit einer Ehekrise vergleichen. Aber dann rettet man die Beziehung auch nicht auf der Straße, sondern innerhalb der eigenen vier Wände”, appellierte er an beide Seiten.

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