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Yukos-Affäre: Verunsicherung in Moskau

In Russland haben ein Machtwechsel in der Kremlverwaltung und die Beschlagnahme von Aktien des Ölkonzerns Yukos Zweifel am politischen Kurs des Landes ausgelöst.

Der Vorsitzende der liberalen SPS-Partei, Boris Nemzow, bezeichnete am Freitag die Entlassung des Kreml-Stabschefs Alexander Woloschin durch Präsident Wladimir Putin als Schritt gegen die Interessen von Wirtschaft und Gesellschaft. Regierungschef Michail Kasjanow zeigte sich „zutiefst besorgt“ über das Vorgehen der Justiz gegen Yukos und dessen Konzernchef Michail Chodorkowski. Kritiker sprachen von einer „Machtübernahme der Geheimdienstler“.

Nach der Beschlagnahme eines Großteils der Aktien des zweitgrößten russischen Erdöl-Konzerns Yukos hat die Generalstaatsanwaltschaft in Moskau am Freitag einen kleinen Teil der beschlagnahmten Wertpapiere wieder freigegeben. Die Ermittler waren nach Angaben der Pressestelle zu der Erkenntnis gekommen, dass 4,5 Prozent der beschlagnahmten Papiere im Besitz von Personen seien, die „nicht in die Straftaten“ verwickelt seien, wegen denen zurzeit ermittelt werde.

Die Moskauer Wertpapierbörse reagierte umgehend auf die Entwicklung. Der Wert der Yukos-Papiere, der am Morgen noch stark gefallen und danach im Laufe des Tages wieder leicht angestiegen war, zog innerhalb weniger Minuten um über vier Prozent an. Nach einem Verlust von fast 14 Prozent am Vortag verbuchten Yukos-Papiere am Abend bei Börsenschluss ein Plus von 7,49 Prozent auf 11,20 Dollar.

In der Nacht zum Freitag hatte der Kreml verkündet, dass der 1999 vom damaligen Präsidenten Boris Jelzin ernannte Stabschef Woloschin durch einen seiner Stellvertreter, den 38-jährigen Putin-Vertrauten Dmitri Medwedjew, ersetzt werde. Woloschin gilt als Förderer der Interessen des vor einer Woche inhaftierten Chodorkowski und hatte bereits vor Tagen seinen Rücktritt angeboten.

Beobachter werten die Entlassung als entscheidenden Sieg der Gefolgsleute Putins aus gemeinsamen KGB-Zeiten über die Mitglieder der einstigen „Jelzin-Familie“, zu der unter anderem Woloschin, Regierungschef Kasjanow und auch Chodorkowski gezählt werden.

Am Tag nach den politischen Erschütterungen waren Politiker aus dem Umfeld Putins spürbar um Beruhigung bemüht. „Der Präsident bestimmt den Kurs, seine Verwaltung kümmert sich nur um die Ausführung“, sagte der Vorsitzende des Föderationsrates, Sergej Mironow. Als unbegründet bezeichnete der frühere sowjetische Präsident Michail Gorbatschow die Aufregung um die jüngsten Entscheidungen. „Ein Personalwechsel in Regierung und Verwaltung ist notwendig und wird sich fortsetzen. Ich würde dem Abgang Woloschins keine besondere Bedeutung beimessen“, betonte Gorbatschow.

Anleger und Investoren zeigten sich zufrieden mit der Ernennung von Dimitri Medwedjew zum neuen Kreml-Stabschef. Aus den Kreisen der „Jelzin-Familie“ wurde dagegen Kritik an der Personalentscheidung Putins laut. „Das ist schlecht und eine sehr ernste Angelegenheit“, sagte der frühere Kreml-Stabschef und heutige Vorstandsvorsitzende des Strommonopolisten RAO EES, Anatoli Tschubais.

Zur Beruhigung der Lage trugen auch Äußerungen Putins gegenüber ausländischen Investoren bei: Putin habe bekräftigt, dass er nach wie vor das Ziel einer Marktwirtschaft verfolge, sagten Gesprächsteilnehmer. Zudem habe er eine baldige Liberalisierung des Handels mit Gazprom-Aktien angekündigt, die von Ausländern derzeit nur im Ausland gekauft werden können.

Die US-Regierung zeigte sich besorgt zur Rolle des russischen Justizwesens. Die USA wollen nach den Worten von Außenamtssprecher Richard Boucher sehr genau prüfen, ob die „Freiheit der Russen geschützt“ werde.

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