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WWF-Bodenreport 2023 schlägt Alarm: "Flächenfraß" in Österreich explodiert

Immer mehr Boden in Österreich wird verbaut.
Immer mehr Boden in Österreich wird verbaut. ©APA/HELMUT FOHRINGER (Symbolbild)
Seit dem Jahr 2000 ist in Österreich mehr als dreimal die Fläche Wiens verbaut worden, so der WWF in seinem Bodenreport 2023. Die Umweltschutzorganisation fordert ein verbindliches Bodenschutzgesetz gegen die Bodenversiegelung.
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Pro Minute verschwanden demnach 120 Quadratmeter Boden in Österreich für Einkaufsmärkte, Parkplätze, Straßen, Gewerbegebiete und Logistikzentren unter Beton. Schuld daran seien unverbindliche Bodenschutz-Vorgaben und finanzielle Anreize, die Verbauung fördern.

"Flächenfraß" steigt selbst in Gemeinden mit weniger Menschen

Laut "Bodenreport 2023" des WWF (World Wide Fund For Nature) Österreich betrug zwischen 2019 und 2021 der durchschnittliche Bodenverbrauch pro Tag 11,3 Hektar (113.000 Quadratmeter). "Spitzenreiter" beim "Flächenfraß" ist die Steiermark mit 3,1 Hektar (ha) pro Tag, gefolgt von Oberösterreich (2,3 ha) und Niederösterreich (2,1 ha). Im Burgenland werden täglich 1,2 Hektar, in Kärnten 0,9, in Tirol 0,7, in Salzburg sowie Vorarlberg je 0,5 verbraucht. In Wien sind es pro Tag 1.000 Quadratmeter (0,1 ha).

Sogar in Gemeinden mit sinkender Bevölkerungszahl kommt es zu Ausweitungen der Siedlungsfläche, weil Wohn- und Gewerbegebiete an den Ortsrändern entstehen, so Pories: "Besonders alarmierend ist für uns, dass beim Neubau der Versiegelungsgrad gestiegen ist: Während wir vor wenigen Jahren hier noch bei 40 Prozent lagen, werden mittlerweile fast 60 Prozent der Neubauflächen auch wirklich versiegelt".

Gesetzte Maßnahmen gegen Bodenverbrauch laut WWF-Bericht wirkungslos

Aktuell sind in Österreich rund als 5.800 Quadratkilometer verbaut, das entspricht fast der Hälfte der Landesfläche von Oberösterreich, erklärte der Experte. Davon sind 2.660 Quadratkilometer Bauflächen für Gebäude und ihre Nebenflächen, 2.100 Quadratkilometer Verkehrsflächen für Autobahnen, Straßen, Parkplätze und die Bahn, 670 Quadratkilometer für Industrie- und Gewerbebetriebe und 390 Quadratkilometer für Erholungsflächen (zum Beispiel Schwimmbäder) und Abbauflächen etwa zur Rohstoffgewinnung und Deponien.

Es wurden zwar einzelne Maßnahmen gegen den Bodenverbrauch gesetzt, wie etwa kleine Änderungen in den Raumordnungsgesetzen, diese hätten sich jedoch als wirkungslos herausgestellt, sagte Pories: "Sie kratzen gerade mal an der Oberfläche des Betons und werden der Dimension des Problems nicht gerecht". In den vergangenen 20 Jahren kam es in den meisten Bundesländern zwar zu einer Verlangsamung des Tempos, dies allerdings auf einem sehr hohen Niveau und großteils nicht dem Nachhaltigkeitsziel des Bundes entsprechend, so der WWF.

WWF fordert verbindliche Bodenverbrauch-Reduktionsziele

Laut Berechnungen des Umweltbundesamtes werden manche Städte und Ortschaften ihren Flächenverbrauch bis 2050 fast verdoppeln und dann jeden Quadratmeter ihres Gemeindegebietes verbaut haben, wenn sie sich mit dem derzeitigen Tempo ausbreiten, berichtete Franz Essl vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Universität Wien. Besonders hohen Bodenverbrauch pflege man derzeit etwa in Wiener Neustadt (NÖ). "Wenn man weitermacht wie bisher, ist dort bis Ende der 2040er-Jahre alles bis an die Gemeindegrenzen komplett verbaut", sagte er.

Schuld an diesem Desaster wäre ein Fehlen von verbindlichen Bodenverbrauch-Reduktionszielen, sagte Pories: "Es gibt eine Nachhaltigkeitsstrategie des Bundes, es gibt ein österreichisches Raumentwicklungskonzept und eine Reihe von Strategiepapieren und Empfehlungen auf Landesebene, aber all diesen fehlt der gesetzlich verbindliche Rahmen". Demnach bräuchte es ein verbindliches Bodenschutzgesetz, das bundesweit gilt und nicht durch Sonderbewilligungen und Ausnahmen aufgeweicht werden kann, sagte Hanna Simons (WWF Österreich). Zudem sollte man Subventionen abbauen, die Verbauung begünstigen (etwa durch Ökologisierung der Wohnbauförderung), und Flächeninanspruchnahme verteuern, zum Beispiel mit einer "Versiegelungsabgabe".

Auch NEOS kritisieren "Flächenfraß" in Österreich

Kritik kam von den NEOS. "Bei der galoppierenden Bodenversiegelung tut sich nach wie vor viel zu wenig", sagte Klima- und Umweltsprecher Michael Bernhard. "Im Durchschnitt versiegeln wir 11,3 Hektar pro Tag. Das entspricht einer Fläche von mehr als 15 Fußballfeldern. Schuld daran sind jahrzehntelange politische Versäumnisse," so Bernhard. "ÖVP und Grüne müssen ihre ideologischen Scheuklappen abnehmen und endlich ernsthaft über Flächenwidmung sprechen. Denn die Bodenversiegelung ist das mit Abstand größte Umweltproblem, das wir in Österreich selbst lösen können." Die NEOS fordern daher ein Bundesrahmengesetz für Raumordnung und einen bundesweiten Infrastruktur-Gesamtplan. Die Länder sollen dann die konkrete Entscheidungsebene für Flächenwidmung und Raumordnung werden.

(APA/Red)

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