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Worüber freuen sich die Gegner der FPÖ?

©AP
Gastkommentar von Johannes Huber. Die Partei könnte bei der Nationalratswahl die SPÖ überholen. Und nebenbei ist auch damit zu rechnen, dass Sebastian Kurz Kanzler bleibt.

Schon am 18. Mai hat man sich über die Party auf dem Wiener Ballhausplatz wundern müssen: Tausende feierten an diesem Samstag, wenige Stunden nachdem das Ibiza-Video bekannt geworden war. Zunächst war die Freude groß, als Heinz-Christian Strache seinen Rücktritt als Vizekanzler und FPÖ-Chef bekanntgab; dann noch einmal, als Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) das Ende der schwarz-blauen Koalition sowie Neuwahlen verkündete.

Fast noch seltsamer ist, dass die gute Stimmung unter den – wohl eher linken – Kundgebungsteilnehmern bis heute nicht ganz verschwunden ist. Bemerkbar wird das, wenn der eine oder die andere auf Facebook oder Twitter feststellt, dass das Jahr 2019 politisch ganz gut laufe: Die FPÖ sei aus der Regierung geflogen und jetzt habe es auch noch den Rechtsextremen Matteo Salvini in Italien erwischt (die Fünf-Sterne-Bewegung und die Sozialdemoraten haben ihn ausgebootet und zur allgemeinen Überraschung eine Regierung gegen ihn gebildet).

Doch bleiben wir in Österreich: Der linke Jubel suggeriert, dass Schwarz-Blau erledigt ist und die FPÖ sowieso. Im Übrigen vermittelt er den Eindruck, dass es – wenn schon keine rot-grüne, dann zumindest – eine rot-grün-pinke Mehrheit geben wird bei der Nationalratswahl am 29. September. Nichts davon ist jedoch absehbar. Im Gegenteil:

  1. Sebastian Kurz, der in diesen Kreisen fast so unbeliebt ist wie Strache, wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wieder Bundeskanzler werden.
  2. Die schwarz-blaue Mehrheit bleibt. Zusammen haben ÖVP und FPÖ vor zwei Jahren 57,5 Prozent geholt. Damit verfügen sie über ein ziemlich großes Polster. Umfragen zufolge halten sie derzeit rund 55 Prozent.
  3. Ja, es kommt noch heftiger: FPÖ und SPÖ sind einander so nahe, dass die FPÖ am Ende trotz "Ibiza" auf Platz zwei kommen und die SPÖ erstmals auf Patz drei zurückfallen könnte. Im Klartext: Einem historischen Debakel ist die Sozialdemokratie viel näher als dem Kanzleramt; von diesem ist sie schier unerreichbar weit entfernt.
  4. Von einer Mehrheit gegen Schwarz-Blau müssen wir gar nicht reden.
  5. Sozialdemokraten, Neos und Grüne sind dabei, sich gegenseitig insofern zu neutralisieren, als sie zu einem größeren Teil um dieselben Wähler buhlen. Beispiel: Sozialdemokraten und Neos wollen plötzlich auch den Klimawandel ernst nehmen und daher ebenfalls "grün" sein. Jede Stimme, die sie damit holen, geht auf Kosten der Grünen. Umgekehrt bemühen sich die Grünen, Wähler von der SPÖ zurückzuholen.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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