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Wo Mädchen aggressiv sein sollen: Krav Maga lernen in Wien

In der Krav Maga Academy können die Techniken des Selbstverteidigungstrainings erlernt werden.
In der Krav Maga Academy können die Techniken des Selbstverteidigungstrainings erlernt werden. ©Krav Maga Academy/Hannes Woschner
Gerade als Frau kann man in Situationen geraten, in denen man sich verteidigen muss. Doch wie soll man am besten vorgehen, wenn man auf der Straße plötzlich von einem Mann am Handgelenk gepackt wird? Beim Krav Maga-Training lernen Frauen, in solchen Situationen richtig zu reagieren. VIENNA.at hat das Training in der Krav Maga Academy getestet.

“Schlag zu! Fester! Fester! Gib alles!” Ich liege am Boden und schlage mit bloßen Fäusten so fest wie möglich auf einen Schlagpolster, den Krav Maga-Trainer Hannes Woschner vor mir in die Höhe hält. Das Training hat wie ein normales Fitnessprogramm begonnen: ein paar Hampelmänner, Liegestütze und Kniebeugen. Doch bei Krav Maga handelt es sich nicht um ein gewöhnliches Fitnesstraining. Vielmehr geht es darum, zu lernen, sich in einer gefährlichen Situation gegen einen Angreifer zu verteidigen. Krav Maga ist hebräisch und bedeutet “Kontaktkampf”. Entwickelt wurde die Nahkampftechnik von der israelischen Armee, vor etwa 20 Jahren wurde Krav Maga für den zivilen Bereich adaptiert.

Deeskalation als Ziel bei Krav Maga

“Bei Krav Maga handelt es sich um ein funktionales, zweckoptimiertes Selbstverteidigungssystem, das von jedem erlernt werden kann”, meint Trainer Hannes Woschner. Er betreibt im 18. Bezirk die Krav Maga-Academy und wurde vor 15 Jahren von israelischen Kämpfern in die Technik eingeführt. In seinen Kursen möchte er den Teilnehmern beibringen, wie sie am besten aus einer Angriffssituation herauskommen. Dabei liegt der Schwerpunkt auf Deeskalation und nicht auf Angriff.

Krav Maga als Mix verschiedener Kampfsportarten

Die Ausgangsstellung bei Krav Maga ist deshalb auch keine mit erhobenen Fäusten, sondern mit geöffneten Handflächen. “Dadurch signalisiert man auch den Umstehenden, das man selbst das Opfer ist”, erklärt Woschner. Kommt der Angreifer zu nahe, kann man sich selbst mit der flachen Hand von ihm wegdrücken. Die Stellung der Beine ist ähnlich wie beim Boxen: Ein Fuß ist vorgesetzt, der andere schräg nach hinten versetzt. Die Ferse des hinteren Fußes etwas vom Boden abgesetzt. “Krav Maga ist eigentlich ein Mischmasch aus verschiedenen Kampfsportarten. Die Israelis haben sich die effektivsten Techniken herausgesucht”, so Woschner.

Selbstverteidigungstraining für Frauen und Männer

Falls deeskalierende Maßnahmen wie Schreien oder Weglaufen nicht helfen, können verschiedene Schläge und Tritte angewendet werden. Im Krav Maga-Training werden unterschiedliche Angriffszenarien geübt. Diese sind laut Woschner bei Frauen und Männern oft unterschiedlich: “Männer werden von Angreifern oft gestoßen. Frauen werden jedoch oft am Handgelenk gepackt.” Woschner umklammert mein Handgelenk und zeigt mir, wie ich die Hand aus seinem Griff befreien kann. Nach ein paar Versuchen sind meine Handgelenke stark gerötet, es gelingt mir jedoch wirklich, mich aus dem Griff zu befreien.

Erstes zeitgemäßes Selbstverteidigungssystem

“Krav Maga war das erste, wirklich zeitgemäße Selbstverteidigungssystem”, erklärt Woschner. Während Kampfkünste, wie beispielsweise Aikido, für die Verteidigung in Angriffsituationen auf der Straße wenig geeignet seien, sei Krav Maga auf konkrete Angriffe abgestimmt. Einer davon ist der Würgeangriff. Woschner legt die Hände um meinen Hals und erklärt mir, wie ich meinen Ellbogen auf seinen Arm herabsausen lassen kann und mich wegdrehen muss, um aus dieser Situation zu entkommen. Der Trainer macht jedenfalls einiges mit: Er fordert mich dazu auf, mit den Fingerspitzen fest gegen seine Luftröhre zu drücken, um seinen Griff zu lösen.

So lange schlagen, bis der Angreifer loslässt

Woschner zeigt, dass man selbst in einer Angriffssituation wie einer Umklammerung noch Möglichkeiten hat um zu entkommen. “Die Hüfte kann man selbst bei einer Umklammerung noch bewegen. Also, Hüfte zur Seite schieben und auf die Genitalien des Angreifers schlagen”, weist mich der Trainer an. Diese Technik übe ich allerdings mit Schlägen auf die Oberschenkel. Ist eine Situation einmal eskaliert, solle man so lange zuschlagen, kratzen und beißen, bis der Angreifer von einem ablässt. Bei allen Verteidigungsszenarien ist es laut Woschner besonders wichtig zu schreien und dem Angreifer zu signalisieren, loszulassen. Dadurch könne man auch die Aufmerksamkeit anderer Leute auf sich ziehen.

In Stresssituationen richtig reagieren

Um die simulierten Angriffssituationen realistischer zu gestalten, inszeniert Woschner in seinen Kursen Stresssituationen. Er weist mich an, die Augen zu schließen. Dann attackiert mich der Trainer und ich muss mit den geübten Techniken richtig reagieren. Ich muss mein Handgelenk befreien, mich aus seiner Umklammerung und seinem Würgegriff herauswinden. So richtig gut klappt das noch nicht. Laut Woschner braucht man drei bis sechs Monate, bis man Grundprinzipien von Krav Maga versteht. “Das Umsetzen und Einsetzen ist allerdings wieder was anderes”, so der Trainer.

Selbstbeswusstsein durch Krav Maga stärken

Durch Krav Maga soll aber auch das Selbstbewusstsein der Teilnehmer gestärkt werden. “Durch regelmäßiges Selbstverteidigungstraining verbessert sich das Selbstbewusstsein und verändert die Ausstrahlung. Dadurch verbessern sich die Chancen, nicht mehr so oft in die Opfersituation zu kommen. Denn Täter suchen sich immer Opfer”, erklärt Woschner. Gerade bei Frauen und Mädchen geht es in den Kursen jedoch auch darum, einmal richtig fest zuschlagen und aggressiv sein zu können. “In unserer Gesellschaft haben Mädchen nie die Möglichkeit, körperlich zu werden. Sie können also nie üben sich zu wehren”, meint Woschner.

Mädchen sollen so fest wie möglich zuschlagen

Im Training dürfen und sollen Frauen und Mädchen also so fest wie möglich zuschlagen. Deshalb geht es am Ende des Trainings noch einmal so richtig zur Sache. Woschner umklammert mich von hinten, während ich in 60 Sekunden möglichst oft und möglichst hart gegen den Boxsack schlagen soll. Danach muss ich mich auf den Boden legen und üben, auch in dieser Stellung gegen einen Angreifer zu schlagen und zu treten. Danach bleibe ich erschöpft am Boden liegen. Krav Maga ist sicherlich ein hilfreiches Selbstverteidigungssystem. Ich kann mir vorstellen, nach einigen Trainingseinheiten die Techniken in einer Angriffssituation umsetzen zu können – abgesehen davon ist es sicherlich auch ein effektives Fitnesstraining.

Krav Maga in Wien erlernen

Wer Krav Maga lernen möchte, kann sich für einen Kurs in der Krav Maga Academy in der Theresiengasse 25, 1180 Wien anmelden.

(Red.)

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