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WKO: Fragwürdige Tipps für "gute Geschäfte mit Russland"

Im ursprünglichen, inzwischen vom Netz genommen Dokument, das VOL.AT vorliegt, gibt die österreichische Wirtschaftskammer fragwürdige Ratschläge für Geschäftstreibende mit Russland.
Im ursprünglichen, inzwischen vom Netz genommen Dokument, das VOL.AT vorliegt, gibt die österreichische Wirtschaftskammer fragwürdige Ratschläge für Geschäftstreibende mit Russland.
"Ukrainekrieg vermeiden und Mozartkugeln mitnehmen": Eine inzwischen überarbeitete Broschüre der Kammer sorgt für Wirbel, VOL.AT hat die Wirtschaftskammer Vorarlberg damit konfrontiert und erhielt Antwort aus Wien.

"Russland, los geht's" lautete der Titel der ursprünglich und VOL.AT im Original vorliegenden Broschüre der Österreichischen Wirtschaftskammer. Inzwischen wurde das Dokument der Kammer, mit wertvollen Tipps, wie man mit Russland trotz Sanktionen Geschäfte machen kann, vom Netz genommen und überarbeitet.

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Der ursprüngliche Titel des WKO-Papiers.

In dem ursprünglichen Ratgeber für Geschäftstreibende befanden sich durchaus kontroverse Passagen, wie etwa Tipps im Umgang mit russischen Unternehmern oder Anweisungen, dass das Thema "Ukraine-Krieg" in Gesprächen tunlichst vermieden werden solle.

"Unorthodoxe Vorgehensweisen und genügend Bargeld mitnehmen"

Oder dass man im Falle einer Einreise genügend Bargeld zur Verfügung haben solle, da ausländische Kreditkarten aufgrund der Sanktionen nicht mehr funktionieren würden. Auch für ein System, das offensichtlich Schmiergeld und Korruption begünstigt, fand die Wirtschaftskammer Österreich eine "kreative" Formulierung:

"Große Ermessensspielräume, informelle Netzwerke und niedrige Gehälter einfacher Beamter begünstigen Problemsituationen, die zu unorthodoxen Vorgehensweisen führen können."

Russische Schattenwirtschaft
und hierarchische Systeme

Stolpersteine für österreichische Unternehmen seien u.a. auch jene Strukturen, die in dem hierarchischen System vorherrschen würden:

"Die wohl wichtigsten Charakteristika sind hierbei das Vertrauen auf persönliche und informelle Beziehungen, das ausgeprägte Hierarchiedenken, die besondere Stellung der Bürokratie und die teilweise immer noch vorhandene Schattenwirtschaft. Russische Unternehmen sind vielfach in Netzwerke eingebunden, die eine Lösung von Problemen und die Durchsetzung von Ansprüchen über die Nutzung informeller Kontakte zu mächtigen Strukturen ermöglichen."

Fragwürdige Tipps für Geschäftstreibende, hier im Orginal-Papier.

WKO-Tipps: "Vermeiden Sie den Ukraine-Krieg, schenken Sie keine Messer, aber Mozartkugeln"

Besonders interessant sind Tipps der WKO, auf die in der überarbeiteten Version wohl aufgrund fragwürdiger Logik völlig verzichtet wurde.

VOL.AT präsentiert einen Auszug der "Ratschläge für Geschäftstreibende" aus dem ursprünglichen Papier:

  • Der Ukrainekrieg und andere geo- oder innenpolitische Themen sollten in Gesprächen mit russischen Geschäftspartnern gemieden werden.
  • Achten Sie darauf, dass in Russland eine patriarchalische Gesellschaft vorherrscht. Das zeigt sich in den Hierarchien der Unternehmen sowie im ausgeprägten Statusdenken.
  • Im Vergleich zu Österreich spielen persönliche Kontakte und Netzwerke beim Abschluss von Geschäften eine größere Rolle. Auch das Überreichen eines Gastgeschenkes – i.d.R. Souvenirs mit Österreich-Bezug, wie bspw. Mozartkugeln – gehört zum guten Ton.
  • Aufgrund der volatilen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der Krisenerfahrungen aus der Vergangenheit denkt die russische Bevölkerung eher kurz- bis mittelfristig. "Langfristig" ist in Russland bereits alles, was drei bis vier Jahre umfasst. Investitionen in Projekte, welche sich innerhalb dieser Zeit nicht amortisieren, verlangen nach viel Überzeugungsarbeit.
  • In der russischen Bevölkerung ist der Aberglaube tief verwurzelt und es gilt, einige Handlungsweisen, die in Österreich nicht unüblich sind, zu unterlassen. So sollte einem Russen nicht die Hand durch die Tür gereicht, nicht am Vortag zum Geburtstag gratuliert und keine Messer verschenkt werden.

Wirtschaftskammer verweist auf "Fokus auf Marktaustritt"

Auf VOL.AT-Anfrage bei Mag. Gabriele Schweigebauer, Leiterin der Abteilung Außenwirtschaft in der Vorarlberger Wirtschaftskammer, folgte folgende Antwort der Wirtschaftskammer Österreich aus Wien, die sich aber weder zu den kontroversen Passagen äußert, noch etwas von Tipps für "Gute Geschäfte" hören will und auf die allgemeine Ausrichtung dieser "standardisierten" Länderreporte verweist:

"Es gibt keinerlei Aktivitäten der Außenwirtschaft Austria zu Markteintritten in Russland. Der Fokus liegt klar auf der Beratung zu den Sanktionen sowie zu etwaigen Marktaustritten. Die Länderreports sind ein einheitliches, standardisiertes Produkt und geben einen allgemeinen Erstüberblick über das jeweilige Land. Insgesamt gibt es für 114 Länder solche Berichte, die laufend aktualisiert und inhaltlich angepasst werden, so wie auch der Länderreport zu Russland. Aktuelle Informationen zu Russland und den Wirtschaftssanktionen sowie zur Situation in der Ukraine stehen unter wko.at/russland und wko.at/ukraine zur Verfügung."

In der inzwischen überarbeiteten Version wurden die kontroversen Passagen, wie auch der ursprüngliche Titel, entfernt.

Wo das Mitführen von Bargeld oder Souvenirs wie Mozartkugeln sowie das tunliche Vermeiden von Themen wie "Korruption" oder des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine in geschäftlichen Konversationen den Fokus der österreichischen Wirtschaftskammer, den russischen Markt schnellstmöglich zu verlassen, unterstreichen soll, bleibt weiter zu hinterfragen. Zumindest im ursprünglichen Dokument, das inzwischen vom Netz genommen wurde und nun in überarbeiteter Form ohne die fragwürdigen Passagen auskommt.

(VOL.AT)

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