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Wittgensteinpreis: Karriere-Sprungbrett oder Brain-Drainage?

©© wittgenstein-club
Wenn am kommenden Montag der diesjährige Wittgensteinpreis vergeben wird, ist die Chance relativ groß, dass der Preisträger in wenigen Jahren nicht mehr hierzulande forscht.

Von den 18 Wissenschaftern, die bisher mit dem mit bis zu 1,5 Mio. Euro dotierten “Austro-Nobelpreis” ausgezeichnet wurden, arbeitet ein Drittel nicht mehr bzw. nur mehr teilweise in Österreich. Stellt sich die Frage, ob die Auszeichnung als willkommenes Sprungbrett für eine internationale Karriere wirkt oder quasi als “Brain-Drainage” der Abwanderung österreichischer Top-Forscher Vorschub leistet.

Unzufriedenheit hat bei der Mehrzahl der abgewanderten Wittgensteinpreisträger jedenfalls nicht den Ausschlag gegeben, ins Ausland zu gehen. Im Gespräch mit der APA nannten sie vielmehr den Reiz des Neuen bzw. an Elite-Einrichtungen arbeiten zu können als Grund dafür. Und die meisten haben nach wie vor ein Standbein in Wien und nicht alle Brücken hinter sich abgebrochen.456

“Ich wollte schon immer an einer Elite-Universität arbeiten”, sagte etwa der Informatiker Georg Gottlob (Wittgensteinpreis 1998), der 2006 an die Universität Oxford wechselte, aber noch immer ein “sehr solides Standbein als Teilzeitprofessor” an der Technischen Universität (TU) Wien hat. Oxford lockte auch Kim Nasmyth (Wittgensteinpreisträger 1999) aus dem Chefsessel des Instituts für Molekulare Pathologie (IMP) wieder in seine Heimat.456

Für den Zellforscher Heribert Hirt (Wittgensteinpreis 2001) war es der “Reiz, die Leitung eines Genomforschungsinstituts zu übernehmen und damit auch die Möglichkeit, neue Forschungsrichtungen auszuprobieren”. Das hat ihn bewogen, im Februar dieses Jahres an das URGV Plant Genomics Institute in Paris zu wechseln, dessen Leitung er mit Anfang 2008 übernimmt. Auch er hat derzeit noch eine Teilzeitprofessur in Wien.456

Der Mathematiker Peter Markowich (Wittgensteinpreis 2000), seit heuer Professor an der Universität Cambridge, aber ebenfalls noch teilzeitbeschäftigt in Wien, nennt es eine “tolle Herausforderung”, an einer Elite-Institution tätig zu sein. Die Attraktivität eines Max-Planck-Instituts (MPI) war für den Physiker Ferenc Krausz ausschlaggebend, schon ein Jahr nach Zuerkennung des Wittgensteinpreises 2002 als Direktor an das MPI für Quantenoptik in Garching bei München zu wechseln.456

Anders lief es bei der Sprachwissenschafterin Ruth Wodak, die 1996 mit dem ersten Wittgensteinpreis ausgezeichnet wurde und enttäuscht Wien den Rücken zuwandte. Sie habe vor vier Jahren die Einladung der Universität Lancaster (Großbritannien) angenommen, “als die Akademie der Wissenschaften mein Forschungszentrum nicht unterstützt, mich als Leiterin nicht akzeptiert hat, mein Team und das aufgebaute und international sehr anerkannte Zentrum für Diskursforschung dadurch zerstört hat”. Aufgrund von Budgetkürzungen habe auch die Uni Wien kein Gegenangebot machen können, sondern nur eine Affilierung angeboten, die Wodak angenommen hat.456

Durchwegs begeistert zeigen sich die “Auswanderer” von ihren neuen Arbeitsbedingungen: “Man wird hier maximal unterstützt und nicht behindert”, bringt es Wodak auf den Punkt. Gottlob findet die Colleges in Oxford und Cambridge “reizvoll”, wo Wissenschafter aller Disziplinen zusammenkommen, woraus interdisziplinäre Projekte entstehen, und auch Markowich ist begeistert von den Arbeitsmöglichkeiten in Cambridge.

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