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"Wissen Sie, wie lang das dauert?"

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Weil er es vorzog, zum Heurigen zu gehen statt eine Anzeige aufzunehmen, ist am Donnerstag ein 45-jähriger Polizist zu sieben Monaten bedingter Haft verurteilt worden.

Der Schöffensenat (Vorsitz: Birgit Schneider) ließ sich von den Unschuldsbeteuerungen des Beamten nicht beeindrucken und sprach ihn des Amtsmissbrauchs schuldig. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, der Gesetzeshüter erbat Bedenkzeit.

Der inkriminierte Vorfall spielte sich am 8. Oktober 2005 ab, als eine Kaufhaus-Detektivin auf einem Wachzimmer in Wien-Florisdorf erschien und einen räuberischen Diebstahl zur Anzeige bringen wollte. Sie hatte zwei Mädchen beim Stehlen erwischt, nur einer gelang die Flucht. Die zweite Täterin schnappte die Detektivin in einer Straßenbahn, mit der diese flüchten wollte, wobei sie von dem Mädchen tätlich angegriffen und leicht verletzt wurde.

Mit der renitenten Schülerin marschierte die Detektivin zur Polizei und forderte den Dienst habenden Beamten auf, deren Identität festzustellen und eine Anzeige zu Papier zu bringen. Laut Anklage soll dieser darauf hin erwidert haben: „Wissen Sie, wie lang das dauert?“ Offenbar verspürte er keine Lust mehr, einen Finger zu rühren: Es war knapp vor Dienstschluss, und der Beamte hatte für 19.00 Uhr ein Treffen mit einem Freund in Stammersdorf ausgemacht, um bei ein paar Vierteln den Tag ausklingen zu lassen.

Als sich die Detektivin nicht abwimmeln ließ, redete er ihr ein, eine Anzeige „bringe nix“, da ja die Beute mit der zweiten Täterin verschwunden sei. Der Diebstahl werde sich so schwer nachweisen lassen.

„Für mich war der Verdacht zu wenig. Für ein Verfahren war das einfach zu wenig. Gewisse Verdachtsmomente müssen schon da sein, um tätig zu werden“, meinte der Polizist nun dazu auf der Anklagebank. Damit brachte er das Gericht gegen sich auf: „Sie haben das nicht zu beurteilen! Sie haben einen Sachverhalt aufzunehmen und den Rest der Justiz zu überlassen!“

Die Sache flog auf, weil die Detektivin angesichts des untätigen Gesetzeshüters wütend das Kommissariat verließ und sich mit ihrem Chef besprach. Die beiden kehrten darauf hin neuerlich auf die Wachstube zurück, wo sie einem anderen Beamten – sein „fauler“ Kollege saß bereits beim Wein – das soeben Erlebte schilderten. Die Behauptungen wurden intern überprüft, am Ende war der 45-jährige Polizist selbst Gegenstand einer Anzeige.

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