Über eine neue Variante seines Windows-Betriebssystems mit dem Namen “Windows Azure” steigt der weltgrößte Softwarekonzern ins wachsende Geschäft mit Service-Angeboten über externe Rechenzentren und Software aus dem Netz ein. Unternehmen sollen so massiv Kosten sparen und flexibler werden. “Das ist ein Wendepunkt für Microsoft”, kündigte Software- Chefarchitekt Ray Ozzie am Montag in Los Angeles auf einer Entwicklerkonferenz an.
Unternehmenskunden sollen für Speicherung, Verwaltung und Verteilung ihrer Geschäftsdaten künftig keine eigenen Datenzentren mehr unterhalten und ständig ausbauen müssen. Stattdessen sollen sie über das Internet je nach Bedarf auf einen riesigen Datenspeicher aus miteinander verbundenen Servern zugreifen können. Fachleute sprechen bei diesen Diensten über das Web auch von einer “Wolke” aus Computern (“Cloud Computing”), auf die die Kunden von überall zugreifen können.
Der Software-Konzern reagiert mit diesem Ausbau auf bereits existierende Angebote von Google, Salesforce.com, Amazon und anderen, ihren Kunden bereits erfolgreich Entwicklungswerkzeuge, Online- Speicherplatz oder komplette Anwendungen offerieren. Auch große Anbieter von Unternehmens-Software und -Infrastruktur wie IBM und SAP sind dem weltgrößten Softwarekonzern bereits mit entsprechenden Angeboten des “Cloud Computing” zuvorgekommen.
Neben einem Datenzentrum in Quincy (US-Bundesstaat Washington) will Microsoft für den neuen Service noch dieses Jahr in San Antonio (Texas), Chicago (Illinois) und im irischen Dublin drei weitere große Rechenzentren aufbauen. Der Konzern will diese Kapazitäten vor allem seinen Kunden anbieten, die bisher mit eigenen Mitteln ihre Rechenzentren betreiben. Viele Firmen, die bisher ihre IT- Infrastruktur selbst ausbauen und warten, können dabei oft nicht so flexibel auf veränderte Marktverhältnisse reagieren, wie es nötig wäre. Neue Services wie Microsofts “Windows Azure” sollen durch die Verlagerung der Speicher, Dienste und Rechenleistung in das Internet Abhilfe schaffen.
Die Marktforscher von IDC erwarten bis 2012 mindestens eine Verdreifachung der IT-Ausgaben für “Cloud Computing” auf 42 Mrd. Dollar (33,7 Mrd. Euro). Das Wachstumstempo werde ständig zunehmen. “Das ist nicht optional, das ist der Weg, den die Welt gehen wird”, sagte Ozzie, der erst im Sommer eines der wichtigen Aufgabengebiete des Microsoft-Mitgründers Bill Gates übernommen hatte. Jeder große Anbieter werde künftig seine Produkte als Software und Service anbieten müssen.
Mit den neuen Angeboten begibt sich der Softwarekonzern allerdings auch auf dünnes Eis: Die wichtigsten Ertragsbringer sind für Microsoft nach wie vor seine Programme Windows und Office für PC. Mit entsprechenden Angeboten über das Web könnte sich das Unternehmen schnell selbst Konkurrenz machen. Derzeit fürchte Microsoft nach Meinung von Roger Kay, Analyst bei Endpoint Technologies, aber vor allem den Rivalen Google, der den Konzern mit kostenlosen Office- Anwendungen und einem eigenen Web-Betriebssystem in dessen angestammtem Geschäft herausfordert. Ohne Google hätte Microsoft diesen Strategiewandel vermutlich nicht eingeschlagen, sagte Kay dem “Wall Street Journal”.
Die neue Plattform “Azure” soll künftig ausschließlich in den Datenzentren von Microsoft laufen und Programmierern für ihre Entwicklung zur Verfügung stehen. Es sei die Basis für den Wandel hin zu Angeboten von Software plus Service über das Internet, sagte Ozzie. Microsoft stehe dabei erst am Anfang. Zu Preisen und Verfügbarkeit äußerte sich das Unternehmen zunächst nicht. Microsoft will künftig etwa alle seine Unternehmens-Software den Kunden alternativ auch als Online-Service anbieten. Der Konzern öffnet sich zudem mehr als bisher für Drittanbieter, die Anwendungen im Zusammenhang mit Windows-Programmen schreiben und entwickeln wollen.
Bei Microsofts Entwicklerkonferenz PDC (Professional Developers Conference) informieren sich rund 6.500 Programmierer und Kunden noch bis Donnerstag in Los Angeles über die neuesten Entwicklungen des US-Konzerns.