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Wikileaks nach US-Blockade im Schweizer "Exil"

Wikileaks ist seit Freitag im "Exil": Nach angeblichen zahlreichen Hackerangriffen hat eine amerikanische Internetfirma die US-Adresse der umstrittenen Enthüllungsseite abgeklemmt.
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Nutzer erreichen das Portal seit Freitag unter der Schweizer Adresse wikileaks.ch statt wie bisher wikileaks.org. Besonders seit der Veröffentlichung vieler US-Geheimdokumente hat die Seite mit technischen Problemen zu kämpfen. Der Anwalt von Wikileaks-Gründer Julian Assange zweifelte unterdessen erneut die Rechtmäßigkeit eines schwedischen Haftbefehls gegen seinen Mandaten an.

Die bisher für den Domainnamen wikileaks.org zuständige Firma EveryDNS.net kündigte nach eigener Mitteilung in der Nacht auf Freitag ihre Dienstleistungen für die Webseite. Grund seien die vielen Angriffe auf die Domain, die die gesamte Infrastruktur von EveryDNS gefährden könnten, erklärte das Unternehmen. Wikileaks sei einen Tag vorher informiert worden. Die Firma hatte sichergestellt, dass Anfragen von Internetnutzern an die Adresse wikileaks.org an entsprechende IP-Adressen im Internet weitergeleitet wurden.

Zuvor hatte bereits der Onlinehändler Amazon.com seine Dienstleistungen unter Verweis auf eine Verletzung der Geschäftsbedingungen eingestellt. Amazon unterhält etliche Server, um in Spitzenzeiten einen Ansturm von Kunden zu verkraften und vermietet Rechner auch an Firmen. Ermittlungen gegen Wikileaks oder Angriffe aus dem Internet seien nicht die Gründe für den Schritt gewesen, teilte das Unternehmen mit. Der demokratische Abgeordnete Joe Lieberman hatte Firmen am Dienstag aufgefordert, Wikileaks wegen der Veröffentlichung von Geheimdokumenten zu boykottieren.

Der Umzug der Domain in die Schweiz bietet für Wikileaks nach Ansicht von Experten Vorteile. “Das ist ein kluger Schachzug. Die Schweiz ist nicht bekannt dafür, sich internationalem Druck zu beugen”, sagte der niederländische Internetexperte Michiel Leenaars. Wurde die Adresse wikileaks.ch am Freitag in einen Browser eingegeben, wurden Nutzer an eine Adresse mit bloßen Zahlen, der IP-Adresse, umgeleitet. Nach einer Onlineabfrage bei der Schweizer Registrierungsorganisation Switch ist die Domain auf die schweizerische Piratenpartei und ihren Vorstandspräsidenten Denis Simonet registriert. Die Partei setzt sich nach eigenem Bekunden für die Freiheit im Internet und gegen Zensur oder Inhaltsbeschränkungen im Netz ein.

Die Abschaltung von wikileaks.org durch die Firma EveryDNS.net bedeutet für Wikileaks nicht unbedingt den Verlust der international bekannteren Adresse. Die Kommunikation zwischen den Namensservern von wikileaks.org und den eigentlichen Inhalten der Seite können auch andere Firmen organisieren.

Wikileaks hat sich mit der Veröffentlichung vieler Geheimdepeschen den Zorn der US-Regierung auf sich gezogen. Das Justizministerium hat ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Mehrere Regierungsstellen verschärften ihre Sicherheitsmaßnahmen, um einen Datendiebstahl zu verhindern.

Unterdessen gehen die Enthüllungen weiter. Am Freitag ging es um die Korruption in Afghanistan. Das Ausmaß von Bestechung, Erpressung und Veruntreuung sei selbst für Diplomaten in Kabul schockierend. Nur ein Minister stehe nicht unter Korruptionsverdacht, übermittelte die US-Botschaft demnach im Jänner. Schwere Bedenken wurden erneut gegen den afghanischen Staatspräsidenten Hamid Karzai laut, der als launisch und wechselhaft beschrieben wird. Auch Großbritannien muss nach jüngsten Berichten harsche Kritik wegen seines Einsatzes in Afghanistan einstecken.

Der Verteidiger von Wikileaks-Gründer Assange zweifelt unterdessen weiter an der Rechtmäßigkeit eines schwedischen Haftbefehls gegen seinen Mandaten. Der Haftbefehl sei von der Londoner Polizei zurückgeschickt worden, weil er unrechtmäßig und nichtig sei, sagte Assanges Anwalt Mark Stephens in einem Reuters-Interview. Der 39-Jährige wird von den schwedischen Behörden wegen Vergewaltigungsvorwürfen gesucht. Stephens sagte, es gebe nach schwedischem, europäischem und internationalem Recht keinen gültigen Haftbefehl. Es handle sich lediglich um eine Mitteilung von Interpol, nach der Mitgliedsstaaten die Bewegungen Assanges beobachten sollten. Interpol hatte den Fahndungsaufruf am Mittwoch veröffentlicht. Nach Angaben der Organisation reicht er in vielen Mitgliedstaaten für eine Festnahme.

Assange wird in Schweden unter anderem der Vergewaltigung verdächtigt. Schwedische Behörden leiteten ein Verfahren ein, stellten es ein und eröffneten es schließlich erneut. Eine Anklage gibt es nicht. Assange hat die Vorwürfe bestritten. Nach einem Bericht der britischen Zeitung “Independent” hält er sich in Südostengland auf und gab der Polizei seine Kontaktdaten. Die britische Tageszeitung “The Guardian” kündigte am Freitag einen Online-Chat mit Assange an, der Server brach aber praktisch in der Sekunde des geplanten Beginns – vermutlich unter dem Ansturm der Interessenten – zusammen.

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