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Wifo-Boss: Warum Prognosen irren

Wifo-Chef Gabriel Felbermayr.
Wifo-Chef Gabriel Felbermayr. ©APA/HANS KLAUS TECHT
Wifo-Direktor Gabriel Felbermayr hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, wieso es bei Prognosen so oft zu Änderungen kommt.
Wifo/IHS erwarten für heuer doch kein Rezessionsjahr

Österreich bleibt laut Wifo und IHS ein drittes Rezessionsjahr knapp erspart. Die Wirtschaftsforscher revidierten am Donnerstag ihre Wachstumsprognosen nach oben. In der Vergangenheit hatten sich die Aussichten dagegen kontinuierlich eingetrübt - sehr zum Leidwesen der Politik. Warum werden die Prognosen so oft geändert? Mit dieser Frage beschäftigte sich Wifo-Chef Gabriel Felbermayr am Freitag bei einem Workshop.

"Gewissermaßen hat Nehammer recht gehabt"

Österreichs Staat muss sparen. Wie schwer der Pfad zur Budgetsanierung wird, hängt auch davon ab, wie sich die Wirtschaft entwickeln wird - häufige Veränderungen erschweren naturgemäß die Planung. Ex-Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sah Ende 2024 gar einen Teil der Schuld für das Budgetloch bei den Wirtschaftsforschern, denn diese seien lange zu optimistisch gewesen, wodurch die Politik ihren fiskalischen Spielraum falsch eingeschätzt habe.

Die Veranstaltung am Freitag kann durchaus als Replik des Wifo auf derartige Kritik verstanden werden. "Gewissermaßen hat Nehammer recht gehabt", so Felbermayr, der auch Verständnis für den Ärger des Alt-Bundeskanzlers zeigte. Gleichzeitig sei die Kritik "abwegig". Die Prognostiker hätten immer darauf hingewiesen, dass ihre Vorhersagen einer großen Unsicherheit unterliegen. In anderen Worten: Es war die Entscheidung der Politik, kein größeres Sicherheitspolster im Budget einzuplanen.

Risiko versus "radikale Unsicherheit"

Doch was bedeutet Unsicherheit aus Sicht der Wirtschaftsauguren? Felbermayr unterscheidet zwischen dem Risiko - also lösbaren oder kalkulierbaren Unsicherheitsfaktoren - und der "radikalen Unsicherheit". Darunter fallen gänzlich unvorhersehbare Ereignisse bzw. Ereignisse deren Eintrittswahrscheinlichkeit oder -zeitpunkt kaum zu berechnen sei. "Wir können uns einigen, es wird (in der Zukunft; Anm.) eine Finanzkrise geben", nannte Felbermayr als Beispiel. "Aber wann, wissen wir nicht."

Eine weitere Ursache für "falsche" Prognosen liegt in den Daten, die in die Modelle der Wirtschaftsforscher einfließen. Ob Außenhandelszahlen, Arbeitsmarktdaten oder Industrieproduktion - diese als unumstößlich wirkenden Kennzahlen können je nach Berechnungsart und Statistikamt durchaus voneinander abweichen. Als Beispiel nannte der Wifo-Chef die Handelsbilanz zwischen den USA und Großbritannien. Hier kämen die Statistiker auf beiden Seiten des Atlantiks auf grundsätzlich verschiedene Werte.

Diskussionsbedarf geortet

Diskussionsbedarf sah Felbermayr in dem Kontext bei der Statistik Austria und nannte die Industrieproduktion als Beispiel. Hierzulande würde die Erstschätzung im Nachhinein viel öfter revidiert als in Deutschland. Der im Raum anwesende Statistik Austria-Direktor Thomas Burg konterte, dass vorläufige Ergebnisse sehr stark auf eine schnelle Datenverfügbarkeit angewiesen seien. So würden beispielsweise verschiedene Daten der Steuerbehörden in Österreich wesentlich später an das Statistikamt geliefert als in Deutschland.

Eine weitere Schwierigkeit von Prognosen liege in den verwendeten Modellen. Oft sei es für die Forscher schwer zu unterscheiden, ob ein wirtschaftlicher Abschwung konjunkturelle oder strukturelle Gründe habe - was es wiederum schwieriger macht, vorherzusagen, wie es weitergeht.

Am Schluss ging Felbermayr dann noch auf die Debatte rund um das Konzept des Bruttoinlandsproduktes (BIP) ein. Dieses sei als wirtschaftspolitischer Leitfaden "nicht alles". Vergleiche man das BIP pro Kopf von Frankreich und den USA, hinke Frankreich deutlich hinterher. Sehe man sich dann die Lebenserwartung und die zur Verfügung stehende Freizeit an, zeichne sich ein wesentlich differenzierteres Bild der Lebenssituation in beiden Ländern ab.

(APA/Red)

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